Spind-Deko

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Aufkleber einer wahrscheinlich weiblichen Person auf einem Spind im Wasserkraftwerke Murg Breitwies in Weisenbach im Nordschwarzwald. Foto: St.-P. Ballstaedt (02.04.2017)

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Hackezu

Im letzten Beitrag hat mich das Wort „hacke“ zu einer etymologischen Recherche veranlasst. Eine Hacke bezeichnet entweder ein Werkzeug zum Hacken oder anatomisch einen Teil des Fußes, die Ferse. Aber wie kommt es dann zur Redensarten wie: „Karl war gestern total hacke“, d.h. sturzbesoffen? Bei den Gebrüdern Grimm bin ich nicht fündig geworden, aber im Redensarten-Index. Dort werden zwei Ableitungen angeboten, die eine vom Werkzeug, die andere vom Fußteil.

Seit dem 19. Jahrhundert ist die Redewendung “voll wie eine Rodehacke” nachweisbar. Die robuste Rodehacke dient als Werkzeug bei der Rodung zum Entfernen von Wurzeln. Voll Boden und Wurzelmaterial, ist sie ebenso “voll” wie ein Betrunkener. Der Ausdruck des Zustandes wird dann mundartlich zu „hacke“ verkürzt.

Die zweite Ableitung als Zitat: “Zur Zeit Ludwig’s XIV. trugen vornehme Leute, namentlich sogenannte Lebemänner, an den Schuhen rothe Hacken und zwar von solcher Grösse, dass sie den Trägern das Gehen erschwerten und sie oft veranlasste, sich der Wagen zu bedienen, namentlich dann, wenn sie zu viel getrunken hatten. Daraus entstand die Redensart: beditselt wie eine Rothhacke, d.i. ein Wüstling, der so viel getrunken hat, dass er nicht mehr auf den Beinen stehen kann, sondern nach Hause gefahren werden muss. (Dresdener Nachrichten vom 4. Juni 1872). Der Begriff “hackezu” ist in den 1970er Jahren entstanden.“

Beide Ableitungen sind etwas verwegen und unsicher, für eine entscheiden kann ich mich mit meinen Kenntnissen nicht. (31.03.2017)

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Stencils

Wieder mit unklarer Bedeutung der visuellen Symbole. Auch das Wort „HACKE“ bleibt mehrdeutig, es kann einen Namen, ein Werkzeug oder einen Zustand bezeichnen. „Gestern war ich hacke“ bedeutet mundartlich “stark alkoholisiert, betrunken”. (27.03.2017)

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Auf Betonwänden in Tübingen, Waldhäuser-Ost. Fotos: St.-P. Ballstaedt

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Infinite Semiose

Magritte malt das Bild einer Pfeife und schreibt darunter „This is not a pipe“. Diese Pfeife kann man nämlich nicht stopfen und rauchen, sondern nur ansehen, sie ist ein ikonisches Zeichen. Mein Foto des Bildes aus der Ausstellung in der Schirn ist wiederum ein indexalisches Zeichen, das reflektierte Lichtstrahlen in meinem Smartphone erzeugt haben.

Wer mein Foto gerade auf einem Monitor anschaut, der sieht eine Abbildung einer Abbildung. Und was ist eigentlich die Datei in meinem Smartphone, in der die Pixel als Repräsentation des Bildes gespeichert sind und wieder abgerufen werden können? Die Wahrnehmungen aller Reproduktionen der Pfeife sind visuelle Konstruktionen in einem neuronalen Netz, das Bild im Gehirn wird in die Wirklichkeit herausprojiziert. (24.03.2017)

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Grundkurs Semiotik: Die Abbildung einer Abbildung usw. Foto: St.-P. Ballstaedt

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Albtrauf

Über nichts wird so gern und heftig gestritten wie um Logos. Die Stadt Mössingen hatte 25 Jahre lang ein verspieltes Logo mit einer Serifenschrift und einem schematisierten Blümchen (Blumenstadt!). Jetzt hat die Stadtverwaltung ein neues Logo in Auftrag gegeben. Es wurde von einer örtlichen Agentur nach Regeln des modernen Designs entwickelt. Dazu wurden identitätsstiftende Merkmale und Werte gesammelt, die dann in die Gestaltung eingeflossen sind: Lebendigkeit, Offenheit, Selbstbewusstsein. Schöne Eigenschaften, die aber sicher jede Stadt für sich reklamieren würde. Herausgekommen ist ein schlichtes rotes Quadrat, das von zwei parallel geschwungenen Linien durchtrennt wird. Das Selbstbewusstsein symbolisiert das kantige Quadrat (Quadratschädel!), die Offenheit der offene Durchbruch, die Lebendigkeit das Rot der Linien. Zudem fanden landschaftliche Merkmale Berücksichtigung: die Steinlach und der Albtrauf, beide fassen die parallelen Linien visuell zusammen. Die Steinlach als schematisierten Fluss kann man nachvollziehen, er fließt auch als Element im Stadtwappen von links unten noch rechts oben (Fortschritt!). Aber der Albtrauf? Als Trauf wird der Steilabfall der Schwäbischen Alb bezeichnet, im Logo sieht man aber höchstens einen Berghang. In das Design sind also viele Gedanken eingeflossen, jetzt wird darüber kontrovers diskutiert. (14.03.2017)

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Stadtwappen, altes Logo, neues Logo: Quellen: Wikimedia Commons; http://www.moessingen.de

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Schematisierung

Wenn Firmen ihr Image modernisieren, dann bedeutet das oft, dass vorhandene Abbilder und Logos schematisch vereinfacht werden. Ein Beispiel ist das Etikett des Tannenzäpfle der Badischen Staatsbrauerei Rothaus, ein Pils, das Kultstatus erreicht hat. Die ursprüngliche Schwärzwälderin in Tracht vor der Waldkulisse wird auf den modernen Flaschenetiketten kubistisch stilisiert, wobei der Gesamteindruck sich erstaunlicherweise kaum ändert.

Ein anderes Beispiel ist der Froschkönig von Erdal, der Firma für Pflegeprodukte: Seit 1903 ein realistischer grüner Wasserfrosch, der später rot eingefärbt wird und seit 1971 als schematisierter Frosch das Logo ziert. Warum überhaupt ein Frosch? Drei Argumente werden genannt: 1. Der Frosch hat eine Haut, die ihn vor Feuchtigkeit schützt (wie Erdal-Creme die Schuhe). 2. Hätten Schuhe Augen, so würden sie die Welt aus der Froschperspektive wahrnehmen. 3. Das adlige Attribut der Krone soll eine verkaufsfördernde Wirkung haben. Früherer Slogan: „Im Privatgebrauch an Fürstenhöfen“. (17.03.2017)

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Vom Realbild zum Schemabild. Quellen: St.-P. Ballstaedt; www.reklameschilder.com; Wikimedia Commons.

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Dreckige Fantasien

In einer Beilage der Frankfurter Rundschau vom 8.3.2017 zum Internationalen Frauentag schreibt Bascha Mika über den Status quo der Frauenemanzipation. Da darf Mister President mit seinem Beitrag nicht fehlen: „Trump konnte beweisen, dass ein Mann, der seine dreckigen Fantasien auslebt und propagiert, ein Gewinner ist.“ Trump ist frauenverachtend, sexistisch, machistisch, herrschsüchtig, narzisstisch usw. Aber ist die Vorstellung, eine Frau am Geschlecht zu berühren dreckig? Man sollte diese Fantasie nicht hinausposaunen oder gar umsetzen, aber ist sie „dreckig“? Im folgenden Artikel erinnert Siri Hustvedt an den männlichen Mythos der unreinen Frau, die als schmutzig, unrein und befleckt gilt.

Es gibt nicht nur Männerfantasien, sondern auch Frauenfantasien, wie ich aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen erfahren habe, z.B. aus dem Jahrbuch der Erotik „Mein heimliches Auge“ (hg. von Claudia Gehrke),  das vor allem der weiblichen Erfahrung von Sexualität Raum gibt. Schon als Student habe ich 1979 einen Sammelband „Wo die Nacht den Tag umarmt“ (hg. von Gudula Lorez) mit erotischen Fantasien und Geschichten von Frauen gelesen. Die Fantasien sind teilweise herzhaft, aber als „dreckig“ würde ich sie nie bezeichnen. (15.03.2017)

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Betonmusik

Betonmusik

Wieder einmal ein Stencil, mit Auslassungen durchaus anspruchsvoll geschnitten. Fundort: eine der scheußlichen Betonwände in Tübingen, Waldhäuser-Ost. Foto: St.-P. Ballstaedt (12.03.2017)

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Fleisch

Tabubruch ist noch immer eine perfekte Strategie zur Erregung von Aufmerksamkeit. Zwei aktuelle Beispiele:

Die Netflix-Serie „Santa Clarita Diet“ über eine Hausfrau, die sich in einen kannibalischen Zombie verwandelt, hat mit Plakaten geworben, die nach wenigen Tagen aus dem öffentlichen Raum entfernt werden mussten.

Dasselbe gibt für die neue Kampagne von Yves Saint Laurent, dessen Soft-Porno-Plakate in Paris die Gemüter bewegen und erregen. Auch sie werden verschwinden müssen. Das ist nicht die erste Kampagne dieser Art, vor ein paar Jahren wurden Gruppensex-Fotos als anstößig empfunden .

Das Schöne an den Kampagnen: Ist erst einmal Aufsehen erregt, dann kann das Plakat ruhig verschwinden, über die Marke oder das Produkt wird wieder berichtet und gesprochen. (09.03.2017)

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Yves Saint Laurent/ Instagram

Tabubrüche: Kannibalismus und Genitalpräsentation bei Primaten. Quellen: Netflix und Saint Laurent/Instagram

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Abschlusskugeln

Als Bestandteil der visuellen und taktilen Umgebung wird der Abschlusskugel bisher wenig Beachtung geschenkt. Ein runder Abschluss aus Edelstahl oder Holz an Zäunen, Treppengeländern, Gardinenstangen, Kleiderhaken, Pfosten. Keine Kanten und Grate mit Verletzungsgefahr, sondern ein runder Handschmeichler. Die martialische Variante sind Spitzen, die Speeren und anderen Stichwaffen nachempfunden sind. (04.03.2017)
Abschlusskugeln

Ein Sortiment von Gardinenstangen mit Abschlusskugeln. Quelle: Produktfoto auf www.ebay.de.

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