Irische Segenssprüche

Andachtsbüchlein, Kalender, Post- und Glückwunschkarten: Altirische Segenswünsche für jede Lebenslage sind beliebt. Sie entstammen angeblich keltischer Spiritualität, allerdings wird inzwischen jede Binsenwahrheit als irische Weisheit angeboten. Oft bekommen alltägliche Erlebnisse eine religiös-geistliche Überhöhung.

Mögest du leben, solange du willst, und es wollen, solange du lebst.

Besser ein Esel der dich trägt, als ein Pferd, das dich abwirft.

Man muss den Sprüchen allerdings zu Gute halten, dass tiefe Einsichten sprachlich oft in schlichten Sätzen ausgedrückt werden. Als Beispiel ein Aphorismus von Epikur:

Nichts genügt dem, dem das Genügende zu wenig ist.

Das ist mein 500. Beitrag im Blog, da ist ein zusätzlicher Segensspruch fällig:

Je weniger Verstand einer hat, umso weniger merkt er den Mangel.

Auch wenn die Resonanz auf meine Texte und Bilder bescheiden geblieben ist, mache ich weiter. (13.11.2016)

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Mnemosyne Bildatlas

Das letzte große Projekt des Kulturwissenschaftlers Aby Warburg, seinen Bildatlas, konnte man als Rekonstruktion im Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) in Karlsruhe studieren. Die letzte, unvollendete Version wurde aufgrund von Fotodokumenten und Texten fast vollständig wieder zusammengestellt: 63 Tafeln mit etwa 971 Bildern, erstmals mit ausführlichen Kommentaren in einer Heftreihe.

Mnemosysne, die griechische Göttin der Erinnerung und die Mutter der Musen, ist die Schutzpatronin der Sammlung von Reproduktionen von Gemälden, Grafiken, Skulpturen, Reliefs, Wandteppichen, Handschriften, Spielkarten usw., wobei damals der akademische Rahmen der Kunstwissenschaft aufgebrochen wurde. Aby Warburg wollte eine historische Psychologie des menschlichen Ausdrucks auf den „Wanderstrassen der Kultur“ zusammenstellen, er sprach von „Pathosformeln“ als Darstellung von Gefühlen in Mimik, Gestik und Pantomimik. Konkret: „Die Mnemosyne will in ihrer bildhaften Grundlage […] zunächst nur ein Inventar sein der antikisierenden Vorprägungen, die auf die Darstellung des bewegten Lebens im Zeitalter der Renaissance nachweislich stilbildend einwirkten.“ (Warburg1929). So kann er z. B. zeigen, dass die tanzende Salome der Bibel wie eine griechische Mänade auftritt. Er wollte damit sein beeindruckendes kulturhistorisches Wissen in einer geplanten Buchpublikation zur Verfügung stellen.

Aby Warburg änderte immer wieder die Anordnung der Bilder, die Bildtafel war für ihn eine kreative Methode zur Entdeckung neuer Gegensätze, Variationen und Assoziationen. Das Projekt blieb fragmentarisch, ist aber auch prinzipiell nicht abgeschlossen. Die drei letzten Tafeln zeigen Bildmotive der 20er-Jahre, hier kommen auch Werbung, Presseerzeugnisse und Briefmarken vor und man könnte das Projekt bis in die Moderne weitertreiben. (11.11.2016)

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Ohne Kommentar ist der inhaltliche Zusammenhang der Anordnungen auf den Bildtafeln oft schwer zu erkennen, obwohl der Mitarbeiter Fritz Saxl 1928 schrieb: „Der Witz dieses Atlas muß doch sein zu zeigen, daß es sich hier um die beste Interpretation der Kunstwerke handelt.“ Foto: St.-P. Ballstaedt

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Congratulations

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Quellen: #congratulations #USElection2016 #USA2016 #Trump #newpresident #ElectionNight #PresidentTrump (09.11.2016)

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Lesekultur

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Blick ins Buch oder aufs Smartphon? Neues Graffito in der Bursagasse in Tübingen. Foto: Steffen-Peter Ballstaedt (05.11.2016)

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Neue Emojis

Auf 72 neue Emojis können sich Benutzer des iOS 10.2 freuen, die ihre kommunikativen Möglichkeiten erweitern. Neben Lebensmitteln (z. B. Döner = stuffed flatbread, Pfannengericht = shallow pan of food) und Tieren (z.B. Eule, Hirsch, Fuchs, aber auch Gecko und Garnele) wird auch die Gleichberechtigung weiter getrieben: Es gibt jetzt neben dem Weihnachtmann auch eine Weihnachtsfrau, neben dem Feuerwehrmann eine Feuerwehrfrau. Die Gestaltung erinnert etwas an die Playmobilmännchen und -frauchen. Die neuen Bildchen kann man bei Emojipedia anschauen.

Wie schon bei anderen Emojis können Gesten aber wieder für Missverständnisse sorgen. Das Facepalm-Emoji für Fremdschämen zeigt, wie eine Person die flache Hand vor die Stirn hält. Diese Geste ist aber nicht eindeutig, wir nutzen sie auch, wenn wir nachdenken, entsetzt sind oder anzeigen wollen, dass wir Kopfschmerzen haben.

Die gekreuzten Finger bedeuten Glück oder den Wunsch für einen glücklichen Ausgang. Das ist aber nur im angelsächsischen Raum üblich. Wir drücken die Daumen, um Glück zu wünschen. Die hinter dem Rücken gekreuzten Finger bedeuten hingegen die Aufhebung eines gegebenen Versprechens. Im Falle des gebrochenen Schwurs sollen die gekreuzten Finger (d.h., das Kruzifix) davor bewahren, dass man in die Hölle gelangt. (03.11.2016)

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Neue Tiere, neue Speisen, neue Gesten. Quelle: emojipedia.org

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Zufall und Notwendigkeit

Ob der Laplace’sche Dämon schon die Ausstellung „[un]erwartet. Kunst des Zufalls“ im Kunstmuseum Stuttgart besucht hat? Mit Exponaten von den Surrealisten und Dadaisten bis zur Computerkunst wird das Spannungsfeld zwischen Kausalität und Zufall behandelt. Die meisten Künstler nehmen eine Zwischenposition ein: Sie gestehen dem Zufall eine Rolle im kreativen Prozess zu, den sie aber durch ästhetische Entscheidungen gestalten. Wenn man aber noch einen Schritt weitergeht, dann ist auch die ästhetische Entscheidung nicht zufällig, so wie Sigmund Freud mit seinem psychischen Determinismus auch alltägliches Verhalten als unbewusst gesteuert interpretiert hat. Dann wäre Kreativität nur die Unkenntnis der zahlreichen Bedingungen, die zu einer Linie auf dem Zeichenblatt oder zu einem Pinselstrich auf einer Leinwand führen.

Zufall und Kreativität greifen auch bei der Digital Art meines Ex-Kollege Joachim Wedekind ineinander: Er schreibt einen Algorithmus, mit dem ein Computer eine visuelle Vorlage erzeugt, die er interaktiv mitgestaltet und abschließend ästhetisch beurteilt. Als Beispiel ein Bild aus farbigen Klecksen: „Es wird über Tastendruck gesteuert, wie viele Punkte in welcher Farbe gesetzt werden (die Positionierung erfolgt dann zufällig). Der Vorgang kann bei Gefallen beendet, bei Nichtgefallen wiederholt werden.“ Was zeigt das entstandene Bild: Zufälligkeit oder Notwendigkeit? (02.11.2016)

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Grafiken von Joachim Wedekind sind bis 25.11.2016 im Stadtteiltreff Waldhäuser-Ost in Tübingen zu sehen. Quelle: http://digitalart.joachim-wedekind.de

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Notdurft

Ein Wort, das mir schon immer gefallen hat und etymologisch wieder ein Beispiel für eine Begriffsverengung darstellt. Ursprünglich im Althochdeutschen ist Notdurft der Bedarf an notwendigen Dingen zum Lebensunterhalt bzw. zum Befriedigen natürlicher Bedürfnisse. So steht noch bei Luther: „mein gott aber erfülle alle ewre notdurft“. Erst seit dem 17. Jahrhundert kommt die eingeschränkte Bedeutung auf: seine Notdurft verrichten, d.h. Blase und Darm entleeren. Bei Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen lesen wir im „Simplizissimus“: „ich hab urlaub gebeten, meine Nothdurft zu verrichten“. Die alte Bedeutung schwingt noch im Adjektiv „notdürftig“ mit. (29.10.2016)

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Überzeugend visualisiert: Notdurft. Quelle: pixabay.com

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Nochmals Schockbilder

Zu den Schockbildern auf Zigarettenschachteln habe ich mich schon mehrfach geäußert und dabei zwei Thesen vertreten:

  1. Die Bilder sind eine unnötige Schockpädagogik. Zudem sollte man dann auch konsequent auf Süßwaren kariöse Zähne und auf Alkoholflaschen zirrhotische Lebern abbilden.
  2. Die Gruselbilder führen zur Abstumpfung und haben keine nachhaltige Wirkung auf das Verhalten der Rauchenden.

Jetzt teilt das Statistische Bundesamt (Destatis) mit, dass im 2. Quartal 2016 in Deutschland 15,4 %, im und 3. Quartal 11,3 % weniger versteuerte Zigaretten produziert wurden als in den Vergleichsquartalen im Vorjahr. Auch der Absatz von Zigarren und Zigarillos und die Menge des versteuerten Feinschnitts gingen zurück. Nur der Absatz von Pfeifentabak stieg deutlich an. Der Absatzrückgang wird auf die Einführung der Schockbilder zurückgeführt. Damit wäre mein zweites Argument empirisch widerlegt. Dass die Schockbilder kausal für den abnehmenden Konsum verantwortlich sind, ist mit den Zahlen allerdings nicht belegt. Denn der Zigarettenkonsum nimmt seit 2000   kontinuierlich ab. (23.10.2016)

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Mit Überziehern, Covern, Aufklebern werden Warnungen und Schockbilder auf Zigarettenschachteln überdeckt: darauf flotte Sprüche (Wer das Rauchen aufgibt, muss nach dem Sex reden) und erfreuliche Bilder. Quelle: www.cipeecard.de.

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Verbaler Verbraucherschutz

Der CDU liegt ja der Verbraucherschutz sehr am Herzen, deshalb hat jetzt Frank Oesterhelweg aus der CDU Niedersachsen eine Inititative ergriffen: Vegetarische oder vegane Fleischersatzprodukte sollen nicht mehr mit Benennungen verkauft werden, die an Fleisch erinnern, also keine vegetarischen Schnitzel, Würste oder Frikadellen. Über vegane Fleischwurst habe ich mich schon einmal mokiert. Viele Bezeichnungen sind etymologisch zunächst fleischneutral: Ein Schnitzel ist ein Teilstück von einem Ganzen (schnitzen, Apfelschnitz), das muss aber keine Fleischscheibe sein. – Der Ursprung von Wurst ist unklar: Entweder von indogermanischen Wörtern für Gedrehtes oder für Vermengtes. Einmal geht es um die Form (Bettwurst, Kackwurst 💩), das andere Mal um den vermischten Inhalt (verwursten, wursteln). – Frikadelle kommt aus dem Italienischen: Frittadella ist in der Pfanne Geröstetes oder Gebratenes, das kann auch eine Gemüsefrikadelle sein. Warum man Fleischgerichte in Form und Farbe vegetarisch nachbaut, leuchtet mir nicht ein, z.B. vegetarischer Schinken oder vegetarischer Gulasch. (16.10.2016)

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