Pörksen, Bernhard & Schulz von Thun, Friedemann (2014). Kommunikation als Lebenskunst. Philosophie und Praxis des Miteinander-Redens. Heidelberg: Carl- Auer Verlag
Eine bestechende Idee: Wissenschaftler schreiben nicht übereinander, referieren und kritisieren sich, sondern treten in einen Dialog ein. Hier der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen und der Kommunikationspsychologie Schulz von Thun. Aber über weite Strecken ist Pörksen nur ein Stichwortgeber, der Schulz von Thun die Gelegenheit offeriert, seine Ansätze noch einmal ausführlich darzustellen. Und Pörksen spart nicht mit Verstärkern, die sein Gegenüber anspornen. Wer den Meister gelesen hat – und wer hat das nicht – bekommt über viele Seiten eine Nachhilfe zum Verständnis. Die Selbstdarstellung ist sympathisch, vor allem verleugnet Schulz von Thun nicht, dass er auf den Schultern von Riesen steht. Er ist ein geschickter Eklektiker, der seine Ideen auch selbst als „Kombinationsprodukt“ bezeichnet: Das Kommunikationsquadrat, das Haus der Verständlichkeit, der Teufelskreis, das innere Team, das Wertequadrat, alles anschaulich-metaphorische Ansätze, die sich allerdings nicht zu einer einheitlichen humanistischen Anthropologie zusammenfügen. Man merkt ihnen an, dass sie pragmatisch aus der Kommunikationsberatung entstanden sind. Dabei geht ein wenig unter, dass seine Konzepte – mit Ausnahme der Verständlichkeitskonzeption – kaum durch Untersuchungen bestätigt sind. Vor allem der zentrale Begriff der Stimmigkeit, als Handeln in Übereinstimmung mit sich und der Situation, ist als „existenzielle Leitlinie“ sicher erstrebenswert, aber wissenschaftlich operationalisierbar, prüfbar und vorhersagbar ist sie nicht.
Und Bernhard Pörksen? Wenn er von seinen Gefälligkeitsfragen abweicht und kritisch wird, bekommt er Schulz von Thun kaum zu fassen, denn der ist auch ein Meister des Sowohl-als-auch. Aber es gibt zwei Themen, bei denen die beiden doch behutsam aneinander geraten. Das eine geht um die Grenzen des systemischen Denkens. Ist unser Handeln nur aus der Dynamik des Interaktionssystems erklärbar, dann sind wir auch nicht dafür verantwortlich und es gibt eigentlich keine Täter und Opfer mehr, da ja der eine auf das Verhalten des anderen reagiert. Schulz von Thun empfiehlt, manchmal die Brille des Systemikers gegen die Brille des Individualdiagnostikers zu tauschen. Aber wann ist der Brillenwechsel sinnvoll oder gar notwendig? Das zweite Thema betrifft die letzten Fragen. Pörksen sieht im Tod ein „furchtbares Faktum“ und „einen Feind“, Schulz von Thun redet von „lebenssatter Müdigkeit“ und „sanftem Hinübergleiten“. Über das Ende aller Kommunikation gibt es keinen Konsens. O Herr, gib jedem seinen eignen Tod (Rilke)
Das Buch ist weniger eine wissenschaftliche Abhandlung, es ist eher ein Lebenshilfebuch. Und es bleibt ein sympathischer Graben zwischen Wissenschaft und Lebenskunst. (27.10.2014)
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