Of all affairs,
communication is the most wonderful.

John Dewey

 

Willkommen!

Mein Blog beschreibt, analysiert und bewertet Phänomene unserer Kommunikationskultur. Er soll die Augen und die Ohren für unsere sprachliche und visuelle Umwelt schärfen. Für mich ist er eine zwanglose Spielwiese für zufällige Entdeckungen und anfallende Gedanken.

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Doppelt gemoppelt

Wer unter dem Symptom Sodbrennen (Ösophagitis) leidet, der wird bei aufsteigender Magensäure Brennen für ein treffendes Wort halten, aber woher kommt „Sod“? Das ist ursprünglich von „sieden“ abgeleitet. Der Sod – heute noch der Sud – ist ein Wort für etwas Siedendes. Das Kompositum ist eigentlich aus zwei inhaltlich ähnlichen Teilen zusammengesetzt: Im zweiten Wortteil wird etwas ausgesagt, was bereits im ersten Wortteil steckt. Die Sprachwissenschaftler sprechen von verdeutlichenden Komposita oder Determinativkomposita. Oft handelt es sich bei einem Teil der Zusammensetzung um ein veraltetes oder entlehntes Wort: Eichbaum, Eifersucht, Lindwurm, Kieselstein. (29.01.2025)

Beim Genuss eines Kichererbsensalats muss man nicht unbedingt wissen, dass „kicher“ mittelhochdeutsch „Erbse“ bedeutet und vom Lateinischen „cicer“ abgeleitet ist. Quelle: Wikimedia Commons.

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Nasierer

Haare sind nicht überall erwünscht. So haben Haare in der Nase zwar eine wichtige Filterfunktion gegen Schmutzpartikel, gelten aber als ungepflegt, wenn sie aus den Nasenlöchern herauswuchern. Die Kosmetikindustrie bietet Nasenhaartrimmer mit dem schönen Wort „Nasierer“ an, eine Kontamination aus Nase und Rasierer, die jeder sofort versteht. (24.01.2025)

Hier sollte man nasieren. Quelle: Wikimedia Commons

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Isogramme

Als sprachliche Besonderheit wurden bereits ausführlich die Wort-, Satz- und Textpalindrome vorgestellt, Buchstabenketten, die vorwärts und rückwärts gelesen das selbe Wort, den selben Satz oder den selben Text ergeben. 

Eine andere Besonderheit sind die Isogramme, eine Buchstabenkette, in der jeder Buchstabe nur einmal vorkommt. Im Sprachgebrauch verwendete Isogramme gibt es recht wenige, z.B. Büroflächenumsatz, Mobilfunkgespräch, Rotwildbekämpfung, Dialogschwerpunkt, sie bestehen aus 17 verschiedenen Buchstaben. Lässt man auch Fantasiewörter zu, die zwar einen Sinn ergeben, aber nicht gebräuchlich sind, kann man die Buchstabenanzahl noch steigern: Zwölftonmusikbücherjagd, Zylinderkopfwachstum, Wildbachverstopfung. Die Gesellschaft für Deutsche Sprache hat 1988 in einem Wettbewerb das längste deutsche Isogramm mit 24 Buchstaben ermittelt: Heizölrückstoßabdämpfung.

Ein besonderes Isogramm ist das Pangramm, das ist ein Satz, in dem alle Buchstaben des Alphabets mindestens einmal vorkommen. Der Klassiker: Zwölf Boxkämpfer jagen Viktor quer über den großen Sylter Deich. (21.01.2025)

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Historischer Humor 20

Es geht um den Herrenwitz, dessen angebliches Aussterben teils begrüßt, teils beklagt wird. Sexuell anzügliche Witze wurden schon in der Antike erzählt (Historischer Humor 15), als Zote gewinnen sie in Fastnachtsspielen Endes des 15. Jahrhunderts öffentliche Beliebtheit. Der Herrenwitz stammt aus einer Zeit, in der Männer der gehobenen Gesellschaft sich nach dem Speisen in ein Nebenzimmer zurückzogen, um dort zu rauchen und zu trinken. Auch Clubs und Kasinos waren derartige Männerdomainen, in denen derbe, obszöne Witze erzählt wurden, die für sensible Damen nicht als geeignet angesehen wurden. Der Herrenwitz zeichnet sich also durch eine spezielle kommunikative Situation aus. Sigmund Freud schreibt, dass die Zote primär dem Ziel dient, dass der Erzähler sein meist sexuelles Interesse auf den Hörer/die Hörerin übertragen kann, ohne soziale Sanktionen fürchten zu müssen. „Die Zote ist ursprünglich an das Weib gerichtet und einem Verführungsversuch gleichzusetzen.“ Der Herrenwitz muss ohne die Anwesenheit von Frauen auskommen.

In der Harald Schmidt Show las Charly Wagner „Klassiker des Herrenwitzes“ in rhetorisch dezenter Weise vor. Natürlich als Provokation, denn mit einem oberflächlichen Blick behandeln diese Witze Frauen als Sexualobjekte. Ein analytischer Blick zeigt aber, dass oft Ängste der Männer vor der sexuell aktiven Frau zum Ausdruck kommen. (04.01.2025)

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Bonfortionös

Es gibt im Deutschen zahlreiche Adjektive, die mit dem Suffix -ös enden: amourös, glamourös, generös, libidinös, nervös, seriös, monströs usw. Die Bedeutung des Wortbildungsmorphems bezieht sich immer auf ein Substantiv: mit Bravour = bravourös, ein Mysterium = mysteriös, ein Desaster = desaströs, also bedeutet -ös so viel wie „beschaffen wie, gleich“. Schon einiger Wortbeispiele legen nahe, dass es sich um ein Suffix aus dem Französischen handelt, wo -eux häufig vorkommt, das  -x aber in der Grundform nicht ausgesprochen wird. Das Suffix kam als Lehnmorphem im 18. und 19. Jahrhunderts auf, vor allem in der Studentensprache. Adjektive auf -ös setzen einen satirischen Akzent: ein pompöses Auftreten, eine luxuriöse Ausstattung, ein voluminöses Buch, eine skandalöse Person, eine ominöse Geschichte usw. Noch deutlicher wird das bei Wörtern, die offensichtlich übertrieben gemeint sind wie elefantös oder bonfortionös. Theodore Fontane hat das Adjektiv „schauderös“ in die Welt gesetzt. (02.01.2025)

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Mit Tieren kommunizieren

Nach den Untersuchungen von Michael Tomasello haben wir ein Verständnis, wie sich die averbale und sprachliche Kommunikation bei Primaten entwickelt und evolutionär zur menschlichen Kommunikation geführt hat. Andere Vorformen der Kommunikation sind z.B.bei den Bienen bekannt und vor allem die Delphine stehen im Verdacht, mit ihrem Schnattern und Pfeifen über eine komplexe Kommunikation zu verfügen. Jetzt wird künstliche Intelligenz eingesetzt, um z.B. die Kommunikation unter Elefanten zu entschlüsseln. So ein Projekt der Zoologin Angela Stöger, die sich mit Afrikanischen und Asiatischen Elefanten beschäftigt. Zunächst werden sehr viele Ton- und Filmaufnahmen mit gestischer und lautlicher Kommunikation gesammelt. Dann sucht eine spezielle KI nach Mustern in den Tonaufnahmen, die dann mittels der Filmaufnahmen bestimmten Situationen zugeordnet werden. Um die Bedeutung abzusichern, werden dann Lautmuster künstlich erzeugt und den Tieren in freier Wildbahn vorgespielt, um ihre Reaktion zu beobachten. Die Arbeitsgruppe der Wissenschaftlerin untersucht auch die Kommunikation von Geparden, Löwen, Giraffen, Bären und Afrikanischen Wildhunden. Vielleicht gibt es einmal eine App, mit der man sich mit bestimmten Tierarten unterhalten kann. (19.12.2024)

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Einlullen

Wieder einmal ist mir ein Wort aufgefallen, das im Journalismus immer wieder benutzt wird:

„Wenn die Leute also zum Teil beschämt waren, besteht noch Hoffnung, dass die Leute sich dort nicht von der Propaganda einlullen lassen.“ (www.focus.de, gesammelt am 19.03.2022, Wortschatz Leipzig)

Ursprünglich ist „lullen“ im Neuhochdeutschen ein lautmalerisches Wort, das die Geräusche eines saugenden Kleinkinds nachahmen soll, es steht für saugen und lutschen. Der Luller oder die Lulle ist ein Schnuller, später auch für die Zigarette als Schnuller für Erwachsene. Noch im 16. Jahrhundert wird es in der Schriftsprache verwendet, dann wird es in die Mundart verschoben und bekommt dort die zusätzliche Bedeutung von „harnen“, in der Kindersprache „lullu machen“, möglichst in einen Lüllpott. In der Umgangssprache führt dies zum Lullermann als ausführendes Organ.

Schon bei den Brüdern Grimm wird eine zweite Bedeutung aufgeführt, die vermutlich auch mit dem Stillen zu tun hat: eine Melodie vor sich hinsingen, z.B. ein Wiegenlied. So bei Heinrich Heine im »Romanzero«:

„Und es hat der goldne Tajo/Ihm sein Wiegenlied gelullet.“

Jemanden einlullen bedeutet, ihn mit rührseligen und schnulzigen  Liedern ruhig stellen. Der Einluller ist erst ein Sänger, dann wird das Wort auf andere Personen übertragen, z.B. Handelsvertreter oder Politiker. (03.12.2024)

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Endlich verständlich

Mit diesem Slogan wirbt ein Start-up, das eine KI entwickelt hat, mit der Texte in leichte Sprache umformuliert werden können: SUMM AI Es gibt inzwischen etliche Firmen, die eine maschinelle Übersetzung von Texten in Leichte Sprache (LS) anbieten.
Die Leichte Sprache wurde für Menschen mit kognitiven Behinderungen entwickelt, um ihnen eine barrierefreie Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. LS soll damit die Inklusion fördern. Aber auch Menschen, die die deutsche Sprache erst lernen, haben einen großen Nutzen davon, wenn ein Text lexikalisch und syntaktisch nicht kompliziert ist. So sind inzwischen viele Websites offizieller Institutionen und wichtige Dokumente in Leichter Sprache abrufbar. Das schlagende Argument für LS: Alle profitieren davon, wenn Texte verständlich sind. Einfache Sprache ist sozusagen der kleinste gemeinsame Nenner der sprachlichen Kommunikation.

Es werden aber auch Argumente gegen leichte Sprache vorgetragen:
1. Anfangs wurden die fehlende sprachwissenschaftliche Fundierung und die mangelnde empirische Überprüfung kritisiert. Diese Argumente sind jedoch inzwischen hinfällig Die theoretischen und praktischen linguistischen Grundlagen liefern Ursula Bredel & Christiane Maaß (2016) aus dem Dudenverlag oder auch Bettina Bock & Sandra Pappert (2023). Inzwischen liegen auch etliche empirische Studien vor, die eine bessere Verständlichkeit der Leichten Sprache bei der Zielgruppe bestätigen, wenn auch mit differenzierten Befunden, denn nicht alle Gruppen profitieren gleichermaßen (z.B. die LeiSA-Studie).
2. Leichte Sprache kann Exklusion fördern, da sie speziellen Gruppen einen sprachlichen Sonderstatus einräumt, der mit sozialer Abgrenzung verbunden ist. Diese Gefahr besteht, aber sie betrifft alle Maßnahmen für benachteiligte Gruppen. Eine barrierefreie sprachliche Kommunikation ist auch gesetzlich vorgeschrieben.
3. Wenn der Stil der Leichten Sprache sich in vielen Anwendungen durchsetzt, wird der Sprachgebrauch eingeschränkt, da viele Formulierungsmöglichkeiten durch das LS-Regelwerk ausgeschlossen sind. Viele Lesende werden unterfordert und komplexen wissenschaftlichen und literarischen Texten entfremdet. Dieses sprachpflegerische Argument hat sicher seine Berechtigung, allerdings ist die LS auf Sach- und Informationstexte ausgerichtet, die Sprachkultur im Feuilleton oder in der Literatur ist nicht betroffen. Allerdings gibt es auch Bestrebungen Goethe oder Shakespeare in Leichte Sprache zu übersetzen. Und es gibt auch literarische Versuche in Leichter Sprache, siehe dazu meinen früheren Beitrag. (02.12.2024)

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On the wall

Entdeckt im Mordio-Gäßle in Tübingen. Identitätsprobleme eines Backsteins? Eine überzeugende Interpretation im Kommentar. Foto: St.-P. Ballstaedt (01.12.2024)

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