Vollbusig

Vor Jahren habe ich in einem Praktikum mit Studierenden eine Inhaltsanalyse zu Kontakt- und Heiratsanzeigen durchgeführt, als Übung zu empirischem Forschen. In einer großen Stichprobe von Anzeigen verschiedener Zeitungen sollte ausgezählt werden, mit welchen Eigenschaften sich Männer und Frauen sprachlich präsentieren oder nach welchen sie suchen. Die Befunde habe ich vergessen, aber wir haben uns damals gewundert, wie viele warmherzige, tierliebe, häusliche, naturverbundene, humorvolle, einfühlsame Personen doch unter uns leben. Auffällig waren auch die erotischen Attribute, die man sich zuschrieb oder sich bei anderen wünschte.

Heute beobachte ich den Trend, dass immer mehr ältere Personen, zwischen 65 bis 80 Jahren, auf Partnersuche gehen. Und da fällt auf, dass sich Frauen immer noch erotisch anpreisen: feminine Ausstrahlung, schlanke, weibliche oder sogar traumhafte Figur, bezaubernd hübsch, große Oberweite, frauliche Rundungen oder vollbusig (welch schönes Wort). (17.10.2024)

Das Thema Einsamkeit spielt eine zunehmende Rolle in unserer Gesellschaft. Scan aus eine Tageszeitung.

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Aufmerksamkeit

Durch reinen Zufall bin ich auf ein Gemälde der schwedischen Malerin Hanna Pauli (1864 – 1949) gestoßen, das mich sofort beeindruckt hat. Es hat den Titel »Sohn Göran, 3 Monate, entdeckt zum ersten Mal die Kerzenflamme« (1891). Der interessierte und verwunderte Blick des Babys ist auf eine flackernde Flamme ist perfekt eingefangen, die Lichtgestaltung zeigt den Einfluss des Impressionismus, die Malerin war mehrfach zu Studien in Paris. (12.10.2024)

Das Portraitbild ist klein, nur 40 x 32 cm, der Gesichtsausdruck des Babys, das seine bewegte visuelle Umwelt erkundet, ist eindrücklich dargestellt. Quelle: https://www.wikidata.org/wiki/Q18602044

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Lesemotivationen

Seit zwei Jahren bin ich in einem Literaturkreis, der einmal in der Woche online tagt und mehrere Wochen über einen oder anhand eines Romans diskutiert. Dabei bin ich immer wieder überrascht, wie viele Lesarten und Interpretationen ein Text bewirken kann. Es gibt meiner Ansicht nach vier grundlegende Lesemotive, die bei jedem Roman eine Rolle spielen, allerdings in unterschiedlicher Gewichtung.

Unterhaltung. Im Jargon der Literaturwissenschaftler auch als Eskapismus oder Kompensation bezeichnet. Der oder die Lesende möchte vom Alltag abschalten, kleine Fluchten in andere Welten antreten und vielleicht auch Spannung und Erregung verspüren, die in den Routinen des Alltags fehlen. Das dürfte die zentrale Motivation für Krimis und erotische Lektüre sein, aber auch Fantasie und Humor fördern die Lust am Text.

Lebenshilfe. Der oder die Lesende möchte durch die Literatur sein oder ihr eigenes Leben reflektieren. Man identifiziert sich mit einer Figur (so möchte ich auch empfinden und handeln) und man hebt sich von anderen Figuren ab (so bin ich nicht und möchte ich niemals sein). Die Auseinandersetzung mit dem Text dient der Identitätsfindung.

Kennenlernen anderer Mentalitäten in der eigenen Kultur (z.B. Künstler, Punker, Kriminelle) oder interkulturell in einer anderen Kultur, die mit Religion, Sexualität, Familie, Aggression, Moral, Sterben ganz anders umgeht. Die Lektüre dient der Relativierung des eigenen Denkens und Handelns, das Einfühlungsvermögen wird dabei trainiert. Von Jan Philipp Reemtsma stammt die treffende Formulierung „Literatur ist anthropologische Kasuistik“, dem Lesenden ermöglicht sie ein „multiples Leben“.

Wissenserwerb. Es wird gelesen, um über Literatur etwas zu lernen, über Geschichte, Land und Leute, z.B. in historischen Romanen oder auch gesellschaftskritischen Texten. Dieses Bedürfnis wird eher durch Sachbücher und Dokumentationen als durch Romane abgedeckt, die immer einen Anteil an Fiktion enthalten.

Diese Lesemotivationen begleiten jede Lektüre, mal dominiert die eine, mal die andere. Und es gibt Lesetypen, bei denen ein Motiv vorherrscht und die einen Roman auch dementsprechend interpretieren und kritisieren. (06.10.2024)

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Schwäbisch

 

 

 

 

 

 

 

Aufkleber am Bus eines Tübinger Handwerkers. Foto: St.-P. Ballstaedt (04.10.2024)

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Verpixelt

Unregelmäßig lese ich die TAZ, die oft (aber nicht immer) einen anderen und frecheren Blick auf die Ereignisse hat. In der Ausgabe vom 1.10. 24 befindet sich eine Rezension des Stückes »Kill Me« der argentinischen Performancekünstlerin Marina Otero, das im Berliner Hebbel am Ufer (HAU) zu sehen ist. Es handelt sich um den dritten Teil einer Triologie nach »Fuck Me« und »Love Me«. Dabei geht es um psychische Erkrankungen und Suizid. Fünf Tänzerinnen treten nackt nur mit weißen Stiefeletten auf.

Zur Rezension kann ich nichts sagen, ich habe die Aufführung nicht gesehen. Ein Szenenbild ist in der TAZ abgedruckt, auf dem fünf Nackte mit Pistolen auf eine Frau (die Autorin) zielen. Was mir bei näherem Hinsehen auffällt: Die nackten Hintern und ein Genitalbereich sind verpixelt, offenbar glaubt man den Lesenden diesen Anblick nicht zumuten zu können, obwohl die Personen nur 5 cm hoch sind! Ob diese Prüderie im Sinne der radikalen Künstlerin ist, möchte ich bezweifeln. (03.10.2024)

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Neustart

Nach einer hoffentlich kreativen Pause führe ich meinen Blog weiter. Aber Warnung vor: Alkoholismus, Mikroaggressionen, Gewalt, Nacktheit, Sex, psychischen Problemen, unkorrekter Sprache, Schimpfwörtern. (03.10.2024)

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Kunst am Bau

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein Torso vor einem heruntergekommenen Haus in der Belthlestraße in Tübingen, das passt. Foto: St.-P. Ballstaedt (02.05.2024)

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Eingeseift

Wer keinen originellen Einfall für ein Geschenk hat, der verschenkt eine edle Seife. Es gibt sie ja in allen Farben und unzähligen Gerüchen, in schönen Verpackungen und zu erstaunlichen Preisen. Aber eines ist mir aufgefallen: Nach einigen Einseifungen ist oft der feine Duft verschwunden: Die Seife ist noch schön gefärbt, aber riecht nur noch nach Seife. Offenbar werden nur die äußeren Schichten besprüht, die Seife aber nicht mit Duftstoff durchwirkt. Für die olfaktorische Kommunikation ist das kein Fehler, denn eine zu starke Duftnote (früher unkorrekt: Nuttendiesel) überdeckt den Eigengeruch und die Pheromone, die für die Attraktivität eines Menschen mitverantwortlich sind. Ein Tipp für den Mai! (01.05.2014)

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Nochmals Graffiti

Bereits 2014 habe ich in einem Beitrag über Graffiti geschrieben: „Dass der öffentliche Raum zur Kommunikation genutzt wird, gerade auch für subversive Botschaften, spricht für eine kulturell lebendige Stadt. Wer sich daran stört, sollte bedenken, dass uns ja an jeder Bushaltestelle und auf Großplakaten Werbung aufs Auge gedrückt wird. Manche triste Betonwand kann durch Street Art oder Urban Art durchaus gewinnen. Aber in Tübingen treiben etliche Sprayer ihr Unwesen, die weder eine Botschaft haben, noch das geringste Talent zur Gestaltung, noch ein rudimentäres ästhetisches Empfinden. Es sind nur Schmieranten, die jede Fläche narzisstisch nutzen, um wenigstens einen hässlichen Tag zu anzubringen.“

Jetzt ist dieser zehn Jahre alte Beitrag wieder aktuell, denn die Graffiti haben in den letzten Monaten extrem zugenommen. Es werden jetzt auch Natursteinmauern und Bäume besprayt. Jedes ästhetische Empfinden ist offenbar bei diesen Personen verloren gegangen. Alte Kirchenmauern werden geschädigt, da die Farbe eindringt und nur durch einen Abtrag „gekärchert“ werden kann. In den Gassen der Altstadt ist fast jedes Haus betroffen und ich habe nicht ein ansprechendes Grafitto entdeckt. (29.04.2024)

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Gendern

Mit dem Argument, man lasse sich nicht von einer ideologisierten Gruppe vorschreiben, wie man zu schreiben habe, ein Verbot für bestimmte Schreibweisen zu erlassen, das schafft nur die bayrische Regierung. Jetzt fehlt noch eine Sprachpolizei, um das Verbot durchzusetzen. (02.04.2024)

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