Verschwörungen

Die Covid-19-Pandemie offenbart wieder einmal dramatisch, wie das menschlich Gehirn in Extremsituationen tickt. Für viele Menschen ist Unsicherheit und Bedrohung schwer erträglich, sie suchen eine Erklärung und akzeptieren dabei auch abstruse Erklärungen, wie sie sich derzeit vor allem im Netz und auf Demonstrationen verbreiten. Derselbe kognitive Mechanismus ist auch für die Wirkung von Glaubenssystemen zuständig: Existenzängste, Krankheiten, Tod, das ist nur mit einem entsprechenden Glauben auszuhalten, wobei zu beobachten ist, dass ein Wahnsystem umso erfolgreicher ist, desto surrealer, verworrener und widersprüchlicher es sich präsentiert. Das stärkt den Zusammenhalt unter den Gläubigen und grenzt radikal vom Rest der Menschheit ab. Wie hieß es nicht schon in der christlichen Theologie: Credo quia absurdum est. Die Verschwörungstheoretiker als Corvidioten zu beschimpfen wird nichts bringen, denn sie brauchen ihr Denksystem zur Stütze ihrer personalen und sozialen Identität. Deshalb sind sie auch keiner Argumentation zugänglich. Aber wer ist anfällig für diese Reaktion auf Gefühle der Bedrohung und Unsicherheit? Man kann ja auch anders reagieren, z.B. wissenschaftliche Untersuchungen durchführen oder wenigstens zur Kenntnis nehmen, deren Befunde zwar auch keine ewigen Wahrheiten darstellen, aber wenigstens vernünftige Handlungen anleiten können. Aber vielleicht ist die Wissenschaft ja auch nur ein Glaubenssystem unter anderen. (04.08.2020)

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