Die Judensau

Ein Urteil des BGH des erregt die Gemüter: Das Relief der Judensau an der Stadtkirche in Wittenberg darf dort verbleiben, da es durch Begleittafeln in einen kritischen und distanzierenden Kontext gestellt wird. Das Schandmal sei so zu einem Mahnmal geworden.

Die Darstellung von Juden in intimen Kontakt zu Schweinen ist seit dem Hochmittelalter ein beliebtes Motiv antijudaistischer christlicher Kunst. In der Wittenberger Version hängen Juden an den Zitzen einer Sau, ein Rabbiner hebt den Schwanz und schaut in den After. Derartige Darstellungen sollten die Juden verhöhnen, diffamieren und demütigen. Intimitäten zwischen Mensch und Tier sind in der Tora verboten und das Schwein gilt im Judentum als unrein. Das Bildmotiv kommt in Europa als Relief und Skulptur in etwa 50 Varianten vor, dazu in unzähligen Drucken und Flugblättern. Man kann die meisten in Wikipedia anschauen.

Sollen derartige Darstellungen an Kirchen verschwinden und in einem Museum gezeigt werden? Ich meine, sie sollten an den Kirchen verbleiben. Besonders an der Stadtpfarrkirche in Wittenberg erinnert das Relief daran, dass Martin Luther ein fanatischer Judenhasser war und das Christentum erheblich zum Antisemitismus beigetragen hat. Es zu entfernen würde bedeuten, sich dieser Tradition nicht zu stellen, sondern sie verschwinden zu lassen. Die evangelische Landesbischöfin Ilse Junkermann sah das im Reformationsjahr 2017 genauso: Die Kirche müsse „diese Wunde unserer eigenen Geschichte offen halten“. Ob die Bodenplatte und die Erläuterungstafel in einer schwer lesbaren und verschwurbelten Sprache allerdings ihre aufklärerische Funktion erfüllen, daran kann gezweifelt werden. Aber das lässt sich ja ändern. (15.06.2022)

Eine üble antisemitische Darstellung, aber muss sie unseren Augen entzogen werden oder sollte sie nicht als Mahnmal im öffentlichen Raum verbleiben, gerade an einer Kirche, um religiöse Toleranz anzumahnen? Quelle: Wikimedia Commons.

2 Responses to Die Judensau

  1. Max Steinacher 15. Juni 2022 at 23:42 #

    Ist die Erläuterungstafel verschwurbelt?

    • SP Ballstaedt 16. Juni 2022 at 8:27 #

      Der Text lautet: Aus der Tiefe rufe ich , Herr, zu dir” (Psalm 130,1 – “Gottes eigentlicher Name, der geschmähte Schem Ha Mphoras, den die Juden vor den Christen fast unsagbar heilig hielten, stab in sechs Millionen Juden unter veinem Kreuzeszeichen.”
      Ist das Klartext?

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