Als Lektüre für eine Reise an die Ostsee habe ich mir folgenden Roman mitgenommen:
Pascal Mercier: Das Gewicht der Worte. München: Hanser, 2020.
Worte beschäftigen mich ja seit Jahren und von einem literarischen Philosophen wie Peter Bieri habe ich mir viel versprochen. Gleich auf der 14. Seite spricht mich eine Passage an:
„Jetzt, da er wieder eine Zukunft hatte, wollte er verschwenderisch mit der Zeit umgehen. Spüren, wie sie verstrich, ohne dass er etwas tat. Spüren, dass er nicht mehr atemlos einem Ende entgegentrieb. Spüren, dass er Dinge aufschieben konnte, ohne es später zu bereuen.“
Das Buch behandelt Fragen, über die ich mir schon oft den Kopf zerbrochen habe: Wie würde ich mit der Tatsache umgehen, wenn mir die Mediziner nur noch wenige Monate zu leben geben? Was würde es sich anfühlen, wenn ich durch einen Schlaganfall eine Aphasie erleide und plötzlich der Sprache nicht mehr mächtig bin? Im Buch durchlebt diese Situationen Simon Leyland, der wie kein anderer in der Sprache lebt, ein britischer Übersetzer, der zahlreiche Sprachen beherrscht. Problem des Übersetzen spielen auch eine große Rolle und sind sehr anschaulich beschrieben. Aber trotz meines Interesses an der Thematik fesselt mich das Buch wenig und ich sehe den Grund darin, dass es sehr konstruiert und intellektuell geschrieben ist. Es hat etwas Bildungsbürgerliches, Biederes, Braves an sich, die Personen sind alle sehr reflektiert und sehr kultiviert, selbst die Emotionen werden distanziert kognitiv aufgearbeitet. Das sind keine Personen aus Fleisch und Blut, sie sollen nur Ideen transportieren. Zudem ist der Text sehr redundant und bietet wenig Überraschungen, selbst die Peripetie, die Fehldiagnose, wird schon sehr früh angedeutet. Ich habe das Buch nicht bis zum Ende gelesen. (06.10.2021)
No comments yet.