Author Archive | SP Ballstaedt

Kartoffel-Smiley

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Wieder ein Aufkleber an Tübinger Laternenmasten, dessen Botschaft mir verborgen bleibt. Die Schrift ist wohl japanisch. Foto: St.-P. Ballstaedt (28.08.2015)

Nachtrag: Ein native Speaker hat zurückgemeldet, dass die japanischen Schriftzeichen “laser boy” bedeuten. Aber das bringt uns auch nicht sonderlich weiter…. (02.09.2015)

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Pack und Arschgeigen

Vizekanzler und SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel hat die Flüchtlingsfeinde in Heidenau als Pack bezeichnet. Pack bedeutet ursprünglich Bündel oder Ballen (mit Sack und Pack) und wird dann auf deren Träger erweitert. Konkret gemeint sind Personen im Tross einer Militäreinheit, zu denen Marketender (Händler), Quacksalber, Prostituierte usw. gehörten, daher die abwertende, pejorative Bedeutung (Pack schlägt sich, Pack verträgt sich). Eine Steigerung ist das Lumpenpack, dessen Bündel nur aus armseligen Lumpen besteht. Dieselbe Entwicklung hat das französische Wort Bagage genommen.

Falin Urlaub, der Sänger der „Ärzte“ hat die Flüchtlingsfeinde in der FR Arschgeigen genannt. Woher das Schimpfwort kommt, ist nicht ganz klar. Das Hin- und Herbewegen des Bogens hat wohl die Übertragung auf den Koitus inspiriert: „Sie lässt sich gern geigen“ oder abschätzig „Geige“, so wurde über eine sexuell aktive Frau geredet. Arschgeige könnte also auf Analverkehr verweisen, sicher ist das aber nicht. Im Volksmund wird Arschgeige als Versager verstanden.

Wer ein Schimpfwort benutzt, ist sich des etymologischen Hintergrunds natürlich nicht bewusst. Während man Falin Urlaub als Punkrocker die Arschgeigen sicher durchgehen lässt, wird diskutiert, ob Sigmar Gabriel als Politiker mit Pack nicht daneben gegriffen hat. Darf ein Politiker eine – wenn auch unerfreuliche Gruppe – seines Landes verbal ausgrenzen? Kann man nicht Stellung beziehen, ohne sprachlich zu diskriminieren? (27.08.2015)

Meine etymologischen Quellen: Küpper: Wörterbuch der deutschen Umgangssprache II, 1963; Pfeiffer: Das große Schimpfwörterbuch, 1997; Röhrich: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, 2010.

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Wortwarte

Schon einmal habe ich auf dieses Projekt aufmerksam gemacht, das seit 2009 an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften angesiedelt ist: Die Wortwarte. Sie dokumentiert die Entwicklung des deutschen Wortschatzes, indem sie jeden Tag Wörter aus verschiedenen Onlineangeboten fischt, die zum ersten Mal aufgetaucht sind. Diese Wörter werden mit ein paar Tagen Verzug veröffentlicht und belegt. Die Analyse der Wortlisten ist spannend, denn diese Wörter sind Indikatoren für Themen, die gerade gesellschaftlich in der Diskussion sind. Für Soziologen und Linguisten bilden die Listen seit 16.9.2000 eine Fundgrube. Hier z. B. die neuen Wörter vom 20.8.2015:

Der Amalettomat, das Anti-Cheat-System, das Basisgetränk, der Eigen-PR-Effekt, der Entschleunigungsexperte, die Heldenquest, der Lichtstress, der Micro-Four-Thirds-Chip, die Mieterwechselgebühr, die Partnerinteraktion, das Speedskydiven, die Warpzone.

Wie die neuen Wörter methodisch entdeckt und präsentiert werden, dazu ein ausführlicher Bericht von Wortwart Lothar Lemnitzer. Nicht alle Wörter überleben und werden lexikalisiert, viele bleiben Eintagsfliegen (Fachwort: Okkasionalismen). (26.08.2015)

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Liebeserklärung (?) auf dem Ammersteigweg in den Weinbergen über Hirschau. Foto: St.-P. Ballstaedt (22.08.2015)

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Schutzgebiete

Gestern ist mir ein neues Schild im Wald aufgefallen. Waldschutzgebiet, ein auf der Spitze stehendes grünes Dreieck mit einem Specht. Damit werden jetzt Areale ausgewiesen, für die Pflanzen-, Biotop- oder Habitatschutz gelten, z.B. Bannwälder. Die bekannten Naturschutzgebiete sind Areale zum Schutz von Natur und Landschaft. Der Unterschied der beiden geschützten Areale dürfe eher bürokratisch-verwaltungstechnisch sein, mir erschließt er sich nicht. Die Naturschutzgebiete waren früher mit einem grünen Dreieck mit Seeadler gekennzeichnet. Der kam in die Kritik, weil die abgebildete Art des Weißkopfseeadlers nur in Amerika vorkommt. Deshalb wurde dann die heimische Eule auserwählt, um geschützte Areale zu kennzeichnen. (21.08.2015)

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Immer müssen Vögel ran: Weißkopfadler, Eule und Specht machen auf ihren bedrohten Lebensraum aufmerksam. Foto: St.-P. Ballstaedt, Wikimedia Commons

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Nachtrag: Hier das Schild mit der DDR-Eule, das man noch überall in den neuen Bundesländern finden kann. Foto: St.-P.Ballstaedt (02.09.2015)

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Random Reading

Am 4. 9. 2015 wird in Kassel auf dem Weinberg die Grimmwelt eröffnet, ein Bau, der Leben und Werk der Brüder Grimm vermitteln soll. Dort hat auch die Installation von Ecke Bonk „Buch der Wörter“ eine dauerhafte Heimstatt gefunden. Das begehbare Kunstwerk wurde 2002 auf der Documenta 11 gezeigt. Es besteht aus drei Teilen: In einem Raum sind alle Titelblätter des Grimm´schen Wörterbuchs von der Erstausgabe 1854 bis zu letzten Nachlieferung gerahmt. In einem zweiten Raum werden durch einen Zufallsgenerator gesteuert jeweils die Einträge zu drei Stichwörtern auf drei Wände projiziert. Zwischen den beiden Räumen läuft auf einem Monitor eine Liste aller 350 000 Stichwörter von A bis Zypressenzweig. Dort kann man zufällig auch untergegangene Wörter wie bangeln, schiefeln, zauschen oder „unfeine“ Wörter wie Ficker, Arschwisch, Rülzer lesen. Die Installation ist eine Visualisierung der immensen Arbeit, die hinter diesem Wörterbuch steckt. (18.08.2015)

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Meine Installation der Ausgabe des Wörterbuchs von Jacob und Wilhelm Grimm. Foto. St.-P. Ballstaedt

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Portrait

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Entdeckt an einer bröselnden Betonwand in Tübingen Waldhäuser-Ost. Ohne Kommentar, der Kontext des Graffito ist mir unklar. Foto: St.-P. Ballstaedt (17.08.2015)

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Flatulenzen

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Warnhinweis vor der Damen- und Herrentoilette im Art Café in Waldhäuser-Ost. Foto: St.-P. Ballstaedt (14.08.2015)

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Verstricktheit

„Es gibt aus der Verstricktheit keinen Ausweg. Das einzige, was sich verantworten lässt, ist, den ideologischen Missbrauch der eigenen Existenz sich zu versagen und im übrigen privat so bescheiden, unscheinbar und unprätentiös sich zu benehmen, wie es längst nicht mehr die gute Erziehung, wohl aber die Scham darüber gebietet, dass einem in der Hölle noch die Luft zum Atmen bleibt.“ Theodor Adorno: Minima Moralia, S. 24. (12.08.2015)

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Kritische Theorie in Tübingen: Aufkleber an Laternenmasten in der Haaggasse. Fotos: St.-P. Ballstaedt

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