Historischer Humor 10

Immanuel Kant’s Schriften gehören nicht zur Lektüre von Humorforschern, nur in der „Der Kritik der Urteilskraft“ ([§ 54] Anmerkung) macht der Philosoph sich Gedanken über das Lachen: „Es muss in allem, was ein lebhaftes erschütterndes Lachen erregen soll, etwas Widersinniges sein.“ Und weiter: „Das Lachen ist ein Affekt aus der plötzlichen Verwandlung einer gespannten Erwartung in nichts.“ Kant war ein beliebter Gesellschafter, vielleicht erzählte er auch Witze. In seinem Text referiert er drei Witze als Beispiele, sie werden nicht erzählt, sondern sind in den theoretischen Text eingebettet. Ich bin so frei, sie unter Beibehaltung seiner Diktion herauszulösen:

Ein Indianer öffnet an der Tafel eines Engländers in Surare eine Bouteille mit Ale und sieht das Bier in Schaum verwandelt herausdringen. Er zeigt mit vielen Ausrufungen seine große Verwunderung. Auf die Frage des Engländers was denn hier so verwunderlich sei, antwortet er: „Ich wundere mich auch nicht darüber, dass es herausgeht, sondern wie ihr`s habt herein kriegen können.“

Der Erbe eines reichen Verwandten will dessen Leichenbegängnis recht feierlich veranstalten. Aber er klagt, dass es ihm nicht recht gelingen will, denn je mehr er seinen Trauerleuten Geld gebe, betrübt auszusehen, desto lustiger sehen sie aus.

Ein Kaufmann, der aus Indien mit all seinem Vermögen in Waren zurückkehrt, wird in einem schweren Sturm genötigt, alles über Bord zu werfen. Darüber grämte er sich so, dass ihm darüber in derselben Nacht die Perücke grau wird.

Das sind Kant`s Witze und man kann wohl davon ausgehen, dass sie ihm auch gefallen haben, sonst hätte er sie nicht in seinen Text aufgenommen. Eine tiefsinnige Interpretation der Witze hat Rainer Stollmann vorgelegt, in seinem Buch: „Angst ist ein gutes Mittel gegen Verstopfung”. Aus der Geschichte des Lachens. Berlin: Vorwerk 8 (2010; S.123 ff.). Für ihn richtet sich der erste Witz gegen den Empirismus und der zweite gegen den Rationalismus, beides Positionen, gegen die Kant mit dem berühmten Satz argumentiert: „Begriffe ohne Anschauung sind leer,  Anschauungen ohne Begriffe sind blind“. Im dritten Witz macht er sich über seine Transzendentalphilosophie lustig. Ja, wenn Philosophen Witze erzählen! Immerhin hat er uns drei Witze im Zeitalter der Aufklärung überliefert. (22.03.2020).

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