Kriegsbilder

Kriegsfotografie ist Teil der Kriegshandlungen. Bilder dienen als visuelle Argumente, um politische Ziele zur verfolgen, sei es mit seriöser Information oder manipulativer Desinformation.

Der Dritte Golfkrieg 2003 wurde mit einer Rede des amerikanischen Außenministers Colin Powell vor dem Sicherheitsrat gestartet, die er mit einer Präsentation unterstützte, deren Bilder angeblich den Besitz von Massenvernichtungswaffen im Irak belegten. Sie zeigten meist Luftaufnahmen aus Quellen des Militärs und der Geheimdienste, die für den Laien schwer interpretierbar waren. Die Existenz von Massenvernichtungswaffen wurde behauptet und mit Aufnahmen begründet, auf denen angeblich Chemiefabriken und unterirdische Waffenlager zu sehen waren. Diese Bilder dienten als visuelle Rechtfertigung für einen Krieg, obwohl – wie wir heute wissen und Colin Powell inzwischen zugegeben hat – die Bilder falsch interpretiert wurden.

Die Putin-Russen behaupten jetzt vor dem Sicherheitsrat, dass in der Ukraine chemische und biologische Waffen hergestellt würden, allerdings legen sie keine Belege vor, auch keine Fotos. Auch hier besteht der Verdacht, dass dies nur als Vorwand dienen soll, um selbst derartige Waffen einzusetzen.

Ein Folgebeispiel für die Politik mit Bildern ist die Berichterstattung, die den Irakkrieg als klinisch saubere Unternehmung ohne Opfer und Tote zeigt, um die Zustimmung zum Einsatz militärischer Mittel zu erleichtern. Embedded Journalists begleiteten die US-Truppe, deren Berichterstattung Wort für Wort und Bild für Bild durch einen Presseoffizier zensiert wurde. Die Berichterstattung ist Teil der militärischen Strategie.

Im Libanonkrieg Israels gegen die Hisbollah im Juli/August 2006 konnte man nur bestimmte Fotos in den Fernsehnachrichten sehen: Auf der israelischen Seite die üblichen Gefechtsstände mit Soldaten, die durch Ferngläser schauen, viele fahrenden Panzer und Luftaufnahmen des Militärs, die ein klinisch sauberes Bombardement auf militärische Ziele  zeigen. Auf der Gegenseite sehen wir flüchtende Zivilisten und es werden verletzte und tote Körper, vor allem auch von Kindern, in die Kamera gehalten. Aber wir sehen nicht einen Kämpfer der Hisbollah. Die Bilder beider Seiten sind an die Weltöffentlichkeit gerichtet: Während Israel mit Bildern argumentiert, die begrenzte und verlustarme Militäraktionen als Reaktion auf Raketenbeschuss zeigt, schafft es die Hisbollah Israel als Aggressor und sich als Opfer zu visualisieren. Der Historiker Gerhard Paul (2004) schreibt dazu. „Die Bilder überlagern mittlerweile den realen Krieg, so dass der Erfolg militärischer Kampagnen weniger an ihrem wirklichen Verlauf als an ihrer medialen Interpretation gemessen wird.“

Und jetzt Kriegsbilder aus der Ukraine. Es gibt nur wenige unabhängige Journalisten, die ihr Leben in Kampfgebieten riskieren. Bilder oder Videos von Kampfhandlungen gibt es keine, auch Soldaten sind nie zu sehen, schon gar keine toten Soldaten. Wieder viele Luftaufnahmen, diesmal von Drohnen. In den angegriffenen Städten vor allem zerschossene Wohnblöcke mit Einsatz der Feuerwehr und von Nothelfern. Zivilisten verschicken mit dem Smartphone aufgenommene Videos von den Zerstörungen. Opfer sieht man selten und dann verpixelt. Hier besteht das medienethische Problem, wieviel man vom Grauen des Krieges in die Wohnzimmer schicken soll. Die Verifizierung aller Bildern ist ein großes Problem, auf dass die Fernsehanstalten immer hinweisen.

Die Bilder in den staatstreuen russischen Medien zeigen angeblich siegreich voranrückende Panzer und Lastwagen, aber die könnten auch auf dem Rückzug sein, das sieht man den Videos nicht an. Im Netz kursieren unzählige Videos mit visuellen Argumenten für Putin und den Krieg, z.B. ein Ukrainer, der eine weiße  Fahne schwenkt, oder Präsident Selensky, der  mit einem Hakenkreuz auf dem Trikot der Nationalmannschaft zu sehen ist. Es gibt gefakte Blogger, Propaganda-Filme des Verteidigungsministeriums oder der Geheimdienste.

Menschen vertrauen ihren Augen, sie sind auf die digitalen Möglichkeiten der visuellen Manipulation nicht vorbereitet. (22.03.2022)

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