Lehnwörter

Das Verb „boostern“ ist zum Anglizismus des Jahres 2021 gewählt worden. Im Englischen gibt es das Substantiv „booster“, das entsprechende Verb ist eigentlich selten, hier hat die deutsche Sprachgemeinschaft nachgeholfen. In der Begründung der Jury wird darauf hingewiesen, dass das Wort eine eindeutige Kommunikation ermöglicht, die Vergänglichkeit des Impfschutzes betont und zudem einen „optimistischen und dynamischen Beiklang“ habe. Na ja, „auffrischen“ klingt eigentlich auch ganz fesch.

Die Initiative von Prof Dr. Anatol Stefanowitsch bekämpft die Anglizismen nicht, sondern würdigt ihren positiven Beitrag zur Entwicklung des deutschen Wortschatzes. „Wer Deutsch spricht, spricht auch etwa 120 andere Sprachen“, so der Germanist und Journalist Matthias Heine, der ein Büchlein über eingewanderte Wörter geschrieben hat. Jede Sprache nimmt im Kontakt mit anderen Sprachen Wörter auf und gibt auch welche ab. Manchen Wörtern ist eine fremde Herkunft noch anzumerken, wie z.B. Theater, Anorak, Orkan, andere sind so eingedeutscht, dass der Ursprung nicht mehr erkennbar ist, z.B. Familie, Grenze, Streik. Eine Sprache ist kein abgeschlossenes System in einem Endzustand, deshalb ist es unsinnig, dass immer wieder von der „Reinheit“ der Sprache gefaselt wird, die geschützt werden muss. Sprachpuristen gehen seit Jahrhunderten gegen fremde Eindringlinge vor. Im Barock waren es Latinismen und Gräzismen, Philipp von Zesen (1619-1689) hat dazu erheiternde Vorschläge unterbreitet: Tageleuchter für Fenster, Entgliederkunst für Anatomie, Krautbeschreiber für Botaniker. Im 19. Jahrhundert standen vor allem Gallizismen aus dem Französischen auf der Abschussliste. Hier hat sich Eduard Engel (1851-1938) einige schöne Eindeutschungen ausgedacht: schicksalig für fatal, Öltunke für Mayonnaise, Drogenhändler für Drogist. Diese ausgedachten Wörter haben meist keine Chance, in den Sprachgebrauch aufgenommen zu werden.

Heute stehen bei Sprachpflegern besonders Anglizismen auf der Liste der unerwünschten Eindringlinge. Der Verein Deutsche Sprache und einige Einzelkämpfer wollen sie weitgehend aus der deutschen Sprache verbannen. Aber aus drei Gründen macht es für die Kommunikation durchaus Sinn, andere Sprachen anzuzapfen:

  1. Oft gibt es kein treffendes Wort in der eigenen Sprache, man müsste etwas umständlich umschreiben. Ein Beispiel ist Mobbing. Als deutsche Wörter wurden von der Aktion lebendiges Deutsch Gruppenpöbeln oder Mürbsticheln vorgeschlagen!
  2. Der Anglizismus hat eine andere Bedeutungsnuance als das entsprechende deutsche Wort: Beispiele: Event und Ereignis, Kids und Kinder, Interview und Gespräch. Dazu gehört auch boostern.
  3. Mit Fremdwörtern kann man sich von anderen Gruppen abgrenzen. Beispiel: die Jugendsprache oder die Fachsprachen. Jeder kann sich als Virologe fühlen.

Also begrüßen wir die neuen Wörter, die uns die Pandemie beschert, sie erleichtern uns die Kommunikation auf einem Gebiet, über das wir vor zwei Jahren noch kaum etwas zu sagen hatten. (03.01.2022)

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