Liebesbriefe

Einen Tag nach dem Valentinstag soll an eine Textsorte erinnert werden, die zwar Ihre volle Blüte wohl im 19. Jahrhundert hatte, aber auch heute noch digital weiterlebt: der Liebesbrief. Eine Definition: „Ein Liebesbrief ist ein Schreiben an eine geliebte Person , in welcher Liebesgefühle explizit oder implizit zum Ausdruck gebracht werden.“ Die Sprachwissenschaftlerin Eva Wyss an der Universität Koblenz-Landau hat ein Liebesbriefarchiv aufgebaut, in dem etwa 25 000 Texte aus allen gesellschaftlichen Schichten gesammelt werden, nicht nur die Ergüsse von Dichtern und Denkern. Im Verbundprojekt mit dem hübschen Titel „Gruß und Kuss – Briefe digital“ werden handgeschriebene und getippte Briefe bis zu E-Mails, Whatsapp-Chats und SMS-Nachrichten digitalisiert und so der Forschung zugänglich gemacht. Das war sogar dem Bundesministerium für Bildung und Forschung eine dreijährige Förderung wert.

Mit den Schriftstücken lässt sich ein Stück Kulturgeschichte schreiben, vor allem was den sprachlichen Umgang mit Gefühlen betrifft. Im 19. Jahrhundert waren es vorwiegend strategische Werbebriefe von Männern (mit Darstellung der finanziellen Verhältnisse). Die Briefe wurden mit Muße und rhetorisch ausgefeilt verfasst. Mit den neuen Medien hat sich die Liebeskommunikation verändert, sie ist sprachlich kürzer, wirkt aber spontaner und ist oft mit Emojis garniert. Die Germanistin Eva Wyss hat das Material unter verschiedenen Aspekten ausgewertet und zahlreiche Veröffentlichungen dazu vorgelegt. Zu bestimmten Themen – heimliche Liebe, Liebe auf Distanz, Liebe in Krisen – werden Bürgerwissenschaftler*innen beteiligt, eine Forschungsstrategie, die in der Soziologie (Citizen Science) oder den Geisteswissenschaften (Public Humanities) immer beliebter wird. (15.02.2022)

Briefkasten in Frankfurt am Main mit handschriftlicher Ergänzung. Quelle: Karsten Ratzke, Wikimedia Commons

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