1959 erschien das Buch des Architekten Hans Bernhard Reichow: Die autogerechte Stadt – Ein Weg aus dem Verkehrs-Chaos. Seine Grundidee: In der Stadt sollten sich alle Planungen dem ungehinderten Verkehrsfluss des Autos unterordnen. Die Fußwege werden über Treppen, später auch Rolltreppen in Unterführungen unter die Straßen verlegt, damit der Verkehr nicht durch Überwege und Ampeln behindert wird. Alle Städte bauten Unterführungen.
Beim Bau des zentralen Omnibusbahnhofs in Tübingen 1960 wurden die Reisenden auf dem Weg zum oder vom Bahnhof ebenfalls in eine Unterführung unter der Europastraße und dem ZOB verbannt. Kein einladender Bahnhofsvorplatz, sondern ein abweisender Empfang. Als ich 1967 mit dem Studium in Tübingen begann, war die Unterführung noch mit Schaufestern Tübinger Geschäfte ausgestattet. Nach oft eingeschlagenen Scheiben zogen sich immer mehr Geschäfte zurück. Auch eine öffentliche Toilette wurde wegen Missbrauchs geschlossen, aber der bei Unterführungen nicht seltene Uringeruch blieb erhalten. Die mit Kacheln zugemauerten Schaukästen boten jetzt gute Flächen für meist wenig begabte Sprayer. Die Unterführung verwahrloste.
Nachdem ein Fußgängerweg über die Europastraße eingerichtet wurde, benutzen nur noch wenige Passanten die Unterführung. Beim Umbau des Europaplatzes, der in wenigen Wochen beginnt, wird sie beseitigt. In einem Foto habe ich den trostlosen Ist-Zustand festgehalten. (26.09.2019)
Abschied von der Unterführung vom Bahnhof zum Anlagensee. Foto: St.-P. Ballstaedt
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