Archive | Aktuell

Dissen

Das Verb kommt aus dem Amerikanischen (to diss = beschimpfen, verächtlich machen) und ist ein Kunstwort aus dem lateinischen und englischen Präfix dis-, das eine Verneinung, ein Nichtvorhandensein oder das Gegenteil ausdrückt (im Deutschen z.B. diskreditieren, diskriminieren). Dissen bedeutet, einen Menschen oder eine Gruppe in jeder Weise verneinen, verächtlich machen, beschimpfen, beleidigen usw. Das Verb ist über die Hip-Hop-Sprache nach Deutschland eingewandert. Heute habe ich es im Sportteil der Frankfurter Rundschau gefunden. (26.05.2015)

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Bodywear

Unter der Überschrift „Aufmerksamkeit“ habe ich schon einmal ein Werbemotiv des Wäscheherstellers Mey präsentiert, das die Agentur Jung von Matt entworfen hat. Jetzt habe ich noch eines entdeckt, dessen Mehrdeutigkeit und Text-Bild-Komplementarität erotisch und frech daherkommt. Die abweichende gRoß- uNd KleInSchREibUng ist als Eyecatcher nervig und überflüssig. (25.05.2015)

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Warum Frauen sich so oft in einen Arsch verlieben. Quelle: Jung von Matt

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Roter Stern

Der fünfzackige rote Stern ist ein Symbol für die sozialistische bzw. kommunistische Weltanschauung und für die internationale Arbeiterbewegung, jeder Zacken steht für einen Kontinent. Die RAF hat ihn als Kombination mit einem Maschinengewehr als Logo benutzt. In der gefundenen Variante ist nicht gut erkennbar, ob ein männlicher oder ein weiblicher Revolutionär mit der Faust den Stern durchbricht. Auch die linksextremistische Rote Zora hat den fünfzackigen Stern im Logo. (23.05.2015)

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Ein Dreigestirn am Parkhaus am Stadtgraben in Tübingen. Foto: St.-P. Ballstaedt

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Brunzen

Das Wort, dass in mir die Vorstellung eines dampfenden Strahls aufruft, ist im Duden als „landschaftlich derb“ gekennzeichnet. Als es etwa im 15. Jahrhundert aufkam, war es aber ein normales, anständiges Wort für den Vorgang des Urinierens. Im Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm wird es ausführlich behandelt, auch mit seinen lexikalischen Derivationen: der Brunz für Urin oder der Brünzel für den Penis. Aber schon damals hatte das Wort einen Bedeutungswandel erfahren hin zu einem umgangssprachlich ordinären Wort. Dieser Vorgang wird Pejoration genannt, es hat auch andere Wörter getroffen wie Weib, Pfaffe, Visage usw.

Beim Stichwort „brunzen“ fühlen sich die Gebrüder Grimm zu einer Verteidigung dieser Wörter aufgerufen, weil ein Kollege Johann Christoph Adelung sich mit derartigen Wörtern nicht abgeben wollte: „Adelung sieht wol ein, dasz dieses wort anfangs ein anständiges war, allein es sei mit allen seinen Ableitungen nunmehr schon lange dem niedrigsten pöbel preisgegeben worden, daher er sich nicht dabei aufhalten wolle, als wenn es nicht die pflicht der sprachforschung wäre, solchen wörtern, die herabgekommen sind nicht weil sie das Volk in ihrer natürlichen geltung festhielt, sondern weil die vornehme welt sie durch fremde, nichts sagende verdrängte und zuletzt vergasz, gleichsam die Ehre zu retten“ (Bd. 2, S. 442). Da haben die beiden recht: Was ist schon urinieren gegen brunzen! (22.05.2015)

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Kleiner Brunzer in einem Gemälde des flämischen Malers Gerard Horenbout (1510-20).

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1. Geburtstag

Am 21. Mai 2014 habe ich den ersten Beitrag über Leidbilder in meinem Blog veröffentlicht. Dieser Geburtstagsbeitrag ist der 226. Die Resonanz nimmt langsam zu, aber ein richtiges kommunikatives Medium ist der Blog bisher nicht: 73 veröffentlichte Kommentare, also nicht gerade ein Knotenpunkt im Web. Der Spamfilter war fleißig: 7.827 Kommentare hat er blockiert. 28 bösartige Anmeldeversuche wurden abgewehrt.

Meine Konzeption bleibt weiterhin, kommunikative Randbereiche unserer Gesellschaft zu thematisieren, vor allem oft Unbeachtetes ins Licht der der Aufmerksamkeit zu rücken. Bei einige Funden hatte ich keine Interpretation anzubieten, aber gehofft, dass mir Besucher zu Hilfe kommen, aber das war erst wenige Male der Fall. Es geht so weiter (21.05.2015)

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Herzliche Grüße an Norbert Schmitt. Foto: St.-P. Ballstaedt

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Intimpflege

Die Schambehaarung war schon vielen kulturellen Moden unterworfen: natürliche Behaarung, Vollrasur, manikürte oder getrimmte Genitalfrisuren. In einer Anzeige der Kosmetikfirma Razoli für biologisch korrekte (100% vegan!) Pflege der Schamregion mit natürlichen Ölen und Planzenextrakten (nie mehr roter Ausschlag oder rote Pickel, dafür seidenweiche Haut ohne Juckreiz) habe ich eine Visualisierung der Schamhaarstatistik gefunden, korrekt nach Haut- und Haarfarben. Rothaarige Frauen tragen das Schamhaar natürlich natürlich. (0.05.2015)

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Die Wirkung eines gepflegten Intimbereichs zeigt das mittige Foto (bitte vergrößert studieren). Quelle: noble-house

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Rotlichtmilieu

Beeinflussen Farben unbewusst unser Verhalten? Goethe empfing seine Gäste in einem Gesellschaftszimmer mit olivgrüner Tapete, da er nach seiner Farbenlehre meinte, dass dadurch der Geist und die Konversation beflügelt würden. Es gibt farbpsychologische Experimente, welche die Wirkungen von Farben z.B. auf die Aufenthaltsdauer in einem Raum, die Leistung bei Arbeit und Sport oder die Kaufentscheidung untersuchen.

So gibt es kein Grünlichtmilieu, sondern ein Rotlichtmilieu und die Bordellzimmer sind meist rot ausgestattet. Rot wird mit Sex, Lust und Liebe assoziiert. Andrew Elliot (2008) zeigte Versuchspersonen das Bild einer Frau, die entweder einen blauen oder einen feurigroten Pullover trug. Mit der Frau in Rot wollten sich fast doppelt so viele Männer treffen und 100 Dollar für einen gemeinsamen Restaurantbesuch ausgeben als mit der Frau in Blau. Auch Frauen halten andere Frauen in roter Kleidung für untreu und bedrohlich für die eigene Beziehung.

Interessant sind Befunde aus dem Sport. Norbert Hagemann (2008) zeigte Taekwondo-Richtern Videoclips mit Wettkampfszenen, zu denen sie Punkte vergeben sollten. Die Sportler wurden am Computer blau oder rot eingekleidet. Dieselben Wettkampfszenen wurden mit den Rotgekleideten besser bewertet mit bei den Blaugekleideten. Offenbar schätzt der Schiedsrichter die rotgekleideten Kämpfer unbewusst als aggressiver ein. Nach Befunden der Anthropologin Diana Wiedemann (2015) werden Männer mit roten T-Shirts von anderen Männern als dominanter und aggressiver eingeschätzt als grau bekleidete. (19.05.2015)

DANIELA NIESTA VISITING INSTRUCTOR CLINICAL & SOCIAL PSYCHOLOGY

Die Vorlagen für das Experiment von Elliot und Team. Der rote Pullover macht die Trägerin erotisch attraktiver. Quelle: Website der University of Rochester

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Bildarchäologie

Im Stadtmuseum Tübingen ist derzeit eine Ausstellung zu sehen: „Protest! Stricken, Besetzen, Blockieren in den 1970/80er Jahren in Tübingen“. Als Tübinger Student in der damaligen Zeit kommen viele Erinnerungen hoch, wenn man die gewagt arrangierten Exponate anschaut. An einer Betonwand gegenüber dem Markt am Nonnenhaus ist eine Ankündigung zum Kongreß zur Kultur des Friedens am 6. bis 8. Mai 1988 erhalten, in der visuellen Form der Murales, großflächiger gepinselter Wandmalereien, die in den 20er Jahren in Mexiko entstanden und über Chile von der Studentenbewegung aufgegriffen wurden. Ein schon etwas mitgenommenes Beispiel hat im Zugang zur Bahnhofsunterführung überdauert. (17.05.2015)

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Visuelle Relikte aus vergangenen Studienzeiten. Foto: St.-P. Ballstaedt

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Auftritt des Canto General am 20.Oktober 1977 mit einem Transparent im Murales-Stil über Chor und Orchester. Es kopiert ein chilenisches Original. Foto: unbekannt.

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Ampelpärchen

In meinen Vorlesungen zur visuellen Kommunikation habe ich gern Ampelfiguren in den verschiedenen Ländern dazu benutzt, um über nationale visuelle Stereotype nachzudenken. Nach der Wende waren die ehemaligen DDR-Ampelfiguren ein beliebtes Thema. Jetzt bekommt die Forschung neues Material. In Wien wurden als Vorbereitung des Life Balls (Benefiz-Veranstaltung zu Gunsten von HIV-Infizierten), des Eurovision Song Contests und der Regenbogenparade schwule, lesbische und heterosexuelle Pärchen eingeführt. Sie sollen für mehr Toleranz werben und die Verkehrssicherheit (welche?) erhöhen. Die Auswirkung der Ampeln wird wissenschaftlich evaluiert. (16.05.2015)

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Die Liebe höret nimmer auf. Neue Ampelfiguren in Wien. Quelle: Kronenzeitung

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Partnersuche

Der demografische Wandel zeigt sich deutlich in den Kontaktanzeigen der Zeitungen und Zeitschriften. Eine Stichprobe der Inserate in der Südwestpresse vom 13.5. 2015: Von 13 Anzeigen sind acht Suchende Ende 50 bis 75, überraschend viele davon Frauen. Erstaunlich die erotischen Selbstbeschreibungen: Eine 75-Jährige preist ihre „weibl. Figur mit schöner Oberweite“ an, eine 70-Jährige bietet „frauliche Rundungen“, eine 62-Jährige lockt „mit schöner Figur u. sehr sanfter femininer Ausstrahlung“ und eine Endsechzigerin ist „kein Omatyp“. Da freue ich mich richtig auf eine Zukunft als unwürdiger Greis. (15.05.2015)

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