Daumenkino

Im Schulunterricht habe ich oft in der oberen oder unteren Ecke eines Hefts über viele Seiten ein Daumenkino gezeichnet. Einfache Bewegungsabläufe, vornehmlich aus dem erotischen Themenbereich. Dieser Übergang zwischen Foto und Film nutzt den Stroboskopeffekt, um eine Abfolge von Einzelbildern durch Blättern in eine Bewegung zu verwandeln. Mit dem Daumenkinographen Volker Gerling wird diese Urform des Films zur Kleinkunst. Er fotografiert analog in 12 Sekunden mit 3 Bildern pro Sekunde und erhält so eine Sequenz von 36 Fotos. Diese werden zu einem Büchlein zusammengebunden. Seine Sujets: Bevorzugt Portraits von Menschen, die er als wandernder Schausteller trifft. Die Fotografierten wissen nicht, dass er nicht ein Foto, sondern eine Abfolge aufnimmt. So fängt er spontane Gesten und Minenspiele ein. Die Filmchen sind kurz und verlangen Aufmerksamkeit, aber der Betrachter kann mit dem Daumen die Zeit dehnen oder stauchen. Eine kleine Schule des Sehens. (19.10.2015)

Daumenkino_kol

Als Erfinder des Daumenkinos nennen die Medienhistoriker den Franzosen Pierre Hubert Desvignes, als Geburtsjahr wird 1860 angenommen. Foto: Technische Sammlungen der Stadt Dresden, Wikimedia Commons

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