Ein Schriftsteller, ich habe vergessen wer, hat einmal gesagt, das Schwierigste beim Schreiben eines Romans sei der erste Satz. Habe man den ersten Satz, dann fließen die folgenden Sätze aus der Feder. Der erste Satz ist wie eine Grundsteinlegung, so der Autor Franz Schätzing. Die Initiative Deutsche Sprache hat 2007 einen Wettbewerb über den schönsten ersten Satz in der deutschsprachigen Literatur ausgeschrieben. Der Sieger:
„Ilsebill salzte nach.“ (Günter Grass: Der Butt)
Tatsächlich ein genialer Startsatz, der einen mitten in ein Geschehen hineinnimmt. Zudem der seltene Name Ilsebill, der sofort eine Assoziation an den Fischer und seine Fru wachruft. Auf den zweiten Platz kam ein längerer Startsatz:
„Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt.“ (Kafka: „Die Verwandlung“).
Noch ein paar Beispiele für – meines Erachtens -gelungene erste Sätze:
„Die Sonne schien, da sie keine Wahl hatte, auf nichts Neues.“ (Samuel Beckett: Murphy)
„Wenn Eileen Holland gefragt wurde, ob sie Geschwister habe, musste sie manchmal einen Augenblick nachdenken.“.(Jonathan Franzen: Schweres Beben)
“Da er Raat hieß, nannte die ganze Schule ihn Unrat.” (Heinrich Mann: Professor Unrat)
“Schwöre, dass du keine anderen mehr fickst, oder es ist Schluss.” (Philip Roth: Sabbaths Theater)
Und schließlich mein liebster Romananfang, der in einem Satz den Charakter der Hauptperson Jean-Jacques Rousseau anreißt:
„Er liegt im Bett, onaniert und stellt sich Mama dabei vor.“ (Karl-Heinz Ott: Wintzenried)
In den literarischen Schreibwerkstätten wird die Magie des ersten Satzes beschworen, er muss viele Funktionen erfüllen: Leselust erzeugen, in die Geschichte hineinnehmen, emotional berühren. Wie man diesen Satz allerdings findet, kann auch eine Schreibwerkstatt nicht vermitteln. (09.06.2018)
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