In der Frankfurter Rundschau vom 28./29.12. bespricht Arno Widmann ein Buch, das auch ich mit Begeisterung durchgeblättert habe:
Sandra Rendgen/Julius Wiedemann: History of Information Graphics. Köln: Taschen Verlag, 2012.
Das Buch ist dreisprachig und präsentiert in hervorragenden und großflächigen Reproduktionen Beispiele für Informationsgrafiken.
Dabei stellt sich gleich die Frage ein, was eine Infografik genau ist und wie sie sich von anderen visuellen Kommunikationsformen wie Diagramme, Charts oder Karten abgrenzen lässt. Einigkeit besteht daran, dass es eine Kombination von visuellen und sprachlichen Komponenten ist, die der Vermittlung von Wissen dient, wobei meist die visuelle Information dominiert. Gern werden auch die Bezeichnungen Funktions- oder Erklärgrafik verwendet, aber in den meisten Infografiken wird nichts erklärt, sondern es werden komplexe Zusammenhänge visualisiert, d.h. sichtbar gemacht.
Mit der Definition hängt die ebenfalls umstrittene Frage zusammen: Wann ist die Infografik entstanden? Es gibt mehrere Vorschläge für Geburtstage. Wenn man die reine Vermittlung visuellen Wissen ansetzt, dann sind schon die Tierzeichnungen in Höhlen in Altamira Infografiken. Vielleicht bilden sie ja nicht nur die Tiere ab, sondern auch andere Informationen (z.B. Jagdtechniken). Dann werden Rechentafeln und gemeißelte Karten aus der Antike als Ursprung der Infografiken angesehen. Oft wird vergessen, dass auch die Stammbäume einen Typ von Informationsgrafiken bilden, die gibt es bereits im frühen Mittelalter. In diese Zeit fallen auch viele sogenannte diagrammatische Bilder, in denen theologische und kosmologische Theorien visualisiert wurden. Als genaues Geburtsjahr wird oft 1786 genannt, als William Playfair seinen „Commercial and Political Atlas“ mit zahlreichen innovativen Diagrammen veröffentlichte. Als Anlass der Entstehung der journalistischen Infografik wird der 2. Golfkrieg 1990/91 angegeben: Die Zeitung USA Today berichtete in Ermangelung von Fotos mit Grafiken über Truppenbewegungen, Frontverläufe, Wirkungen von Waffen usw. Letztlich ist die Suche nach einem klaren Startpunkt nicht sehr ergiebig, denn auch die Geschichte der Kommunikation verläuft weder linear noch in abgrenzbaren Etappen.
Viele Designer und Mediengestalterinnen preisen diese Vermittlungsform als der Sprache überlegen, wenn es um zum Verstehen komplexer Zusammenhänge geht: „Neben der schnelleren Informationserfassung und -verarbeitung und der längeren Speicherung im Gedächtnis wirken Infografiken motivierend auf den Leser (Bouchon, 2007, S. 40). Das sieht Arno Widmann anders: „Der Vorteil der Infografik liegt gerade nicht in dem, wofür sie gepriesen wird, also nicht im schnellen Überblick, sondern in der Zeit, die wir aufwenden, um uns darüber klar zu werden, was sie uns sagen möchte. Die Infografik ist ein Mittel der Entschleunigung des Lesevorgangs.“ Untersuchungen bestätigen das: Ein schneller Blick reicht nicht aus, eine Infografik muss mit Blickbewegungen durchmustert, Text und Bild müssen integriert werden. Ohne eine Legende und eine Sehanleitung kommen die meisten Infografiken nicht aus. (29.12.2019)
Das Titelbild zeigt einen Ausschnitt aus einer Informationsgrafik von 1833, die in Fehlfarben die Lavaströme von 28 Ausbrüchen zwischen 1631und 1831 visualisiert. Sie zeigt, dass alle Lavaabflüsse in Richtung Südwesten abgehen, dieser Bereich also besonders gefährdet ist. Der Bildband wiegt übrigens fast 4 Kilo! Foto. St.-P. Ballstaedt
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