Männerhumor

Mir ist auch schon aufgefallen, dass Frauen auf Witze anders reagieren: Sie finden viele gar nicht witzig oder oft diskriminierend, da Witze oft auf Kosten einer sozialen Gruppe gehen. Jetzt liegt dazu eine empirische Studie der Psychologin Silvana Weber vor. Wie die Studie abgelaufen ist, kann man hier nachlesen. Die Befunde sind interessant: Tatsächlich finden Frauen Witze insgesamt weniger lustig als Männer. Das gilt besonders für Witze, die Frauen abwerten, sog. frauenverachtende Witze. Sie werden als Bedrohung erlebt, besonders wenn sie von Männern erzählt werden. Bei Männern ist das aber anders: Sie reagieren auf männerverachtende Witze gelassener und erleben sie nicht als Bedrohung. Die Erklärung: Männer haben prinzipiell einen höheren Status und größere Macht und sehen durch einen Witz ihre Männlichkeit nicht bedroht. 

Mir missfällt der Ausdruck „männerverachtende oder frauenverachtende Witze“. Sottisen über Frauen oder Männer sind oft einseitig, aber doch nicht gleich verachtend! Witze über die Geschlechter kann es nur geben, wenn es zwischen Ihnen Unterschiede gibt, egal ob biologisch oder gesellschaftlich bedingt. Nur wenn es absolut keine Unterschiede gibt, sind Witze, die solche zum Inhalt haben, diskriminierend. Einer der verwendeten Witze: “Wie nennt man einen Mann mit nur einer Gehirnhälfte? – Hochbegabt!“ Da feixt die Feministin, aber ich kann auch darüber lachen, denn ich weiß, welches Stereotyp da bedient wird. (09.07.2023)

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Flaggenkunde

Der Regenbogen ist im Alten Testament ein Symbol des Friedens zwischen Mensch und Gott. Die Regenbogenflagge hat bereits Thomas Müntzer als sozialrevolutionäres Symbol verwendet. Die Geschichte der Regenbogenflagge ist verworren, Anzahl und Anordnung der Farben haben immer wieder gewechselt, ebenso die Bedeutung. Zunächst war es eine Pace-Flagge auf Friedensdemos, dann seit den 1970er Jahren ein Symbol der Lesben- und Schwulenbewegung. Die Bedeutung wurde dann in Richtung Diversität ausgeweitet: Alle Lebensformen sollten repräsentiert werden.

Die aktuelle Fassung, die Progress Pride Flagge, hat neben dem Regenbogen einen Keil auf der linken Seite mit weiteren Farbstreifen: Schwarz soll die an AIDS erkrankten Personen einschließen, der braune Streifen sind ein Zeichen gegen Rassismus. Weiße, rosa und hellblaue Streifen stehen für Transmenschen. Der violette Ring auf gelbem Grund integriert das Symbol für Intersexuelle Menschen.

Schön bunt, schön divers, aber es gibt sicher noch weitere Gruppen, die sich nicht repräsentiert fühlen und Identitätsprobleme bekommen. Man darf gespannt sein, welche Symbole noch in das Flaggen-Design aufgenommen werden müssen, z.B. asexuelle, pansexuelle, polyamore Menschen. Die bunte Regenbogenfahne hätte alle erdenklichen Lebensvarianten symbolisch repräsentiert, ohne dass jede Gruppe ihr eigenes Zeichen einbringen muss. (01.07.2023)

Jetzt ist sie auch in Tübingen angekommen: die von Valentino Vecchietti entworfene Intersex-Flagge. Quelle: Wikimedia Commons, Foto: St.-P. Ballstaedt

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Toxisch

Diesmal ist mir Eckart Roloff in der FR zuvorgekommen. Er hat eine Glosse über den Sprachgebrauch des Wortes „toxisch“ geschrieben. Es gibt im Deutschen das schlichte Wort „giftig“, aber das klingt nicht so gebildet und streng wie das Lehnwort aus dem Altgriechischen. Es wird bevorzugt im Bereich der menschlichen Beziehungen angewendet. Eine toxische Beziehung ist Gift für einen oder beide Partner. Viele Lebensratgeber und Lifestyle-Magazine haben Listen veröffentlich, welche Warnsignale auf eine toxische Beziehung hinweisen, falls man nicht selbst darauf kommt, dass etwas schief läuft. In einer toxischen Beziehung spielen Egoismus, Beleidigungen, Kontrollsucht, Kränkungen, Erniedrigungen, Liebesentzug, Schuldzuweisungen, Mikroaggressionen, Gewalt eine Rolle. (20.06.2023)

Das Piktogramm eines Schädels mit gekreuzten Knochen steht für giftige Substanzen und Gemische. Auffällig: Der Totenschädel hat sich gegenüber früher geändert. Er gleich jetzt eher einem Affen als einem Menschen. Quelle. Wikimedia Commons

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Onten und Tonkel

„Untenrum“ ist ein Aufklärungskinderbuch, das sexualpädagogisch korrekt sein will. Geschrieben und gezeichnet von zwei Autoren und einer Autorin mit dem Anspruch mit moderner sexueller Bildung aufzuklären.

Es startet mit dem Problem, wie Kinder Wörter für das, „was Leute zwischen den Beinen haben“ finden. Das Angebot an vorhandenen Wörtern ist groß (Muschi, Pimmel, Scheide, Schniedel, Yoni) und der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt (Rüsselchen, Schnecke, Gürkchen). Das Anliegen ist richtig: Um sich offen zu verständigen, braucht man Wörter, nicht nur, wenn es um Schmerzen geht, sondern auch bei Fragen eines möglichen Missbrauchs. Wie die Babys in den Bauch kommen, wird auch thematisiert, wobei hier recht keusch nur eine Zeichnung der korrekten Vereinigung der Genitalien gezeigt wird („Darf ich“ – „Ja, gerne“). Körperspiele werden als natürlich beschrieben, wobei eine Seite allen Formen des Verneinens gewidmet ist, wenn man etwas nicht will.

Aber dann wird es kompliziert, denn auch den Trans-Menschen will man gerecht werden: „Es gibt Jungs mit Vulva und Mädchen mit Penis.“, Onte oder Tonke sind weder Tante noch Onkel! So viel Mühe man sich mit der Bezeichnung der Geschlechtsorgane gemacht hat, hier wird der für Kinder unverständliche Begriff „trans Menschen“ in dieser ungewöhnlichen Schreibweise eingeführt. Hier bin ich didaktisch altmodisch: Erst die biologischen Grundlagen vermitteln, also Frau und Mann, dann die Spielarten der Sexualität. Warum wird nicht zuerst die Homosexualität dargestellt? Dass Männer Männer und Frauen Frauen und manche Personen beide Geschlechter lieben, das wird ein Kind noch verstehen, aber Transsexualität? Warum wird der verbreitete Begriff “divers” nicht eingeführt? Und was ist mit den 60 fluiden Geschlechtsidentitäten, die z. B. in face-Book angeboten werden? Arme Kinder. (08.06.2023)

Das Geschlecht von Lo wird im ganzen Buch nicht gelüftet, sie/er hält immer etwas vor seinen/ihren Intimbereich. Wieder sehr korrekt: Kein Geschlecht wird bevorzugt! Cover-Foto: Steffen-Peter Ballstaedt

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Küssen

Ein Kuss ist ein mit dem Mund durchgeführter Körperkontakt. Küssen als eine Form der intimen Kommunikation ist schon seit langem Objekt verschiedener Forschungen (Philematologie).

Neue Erkenntnisse standen vor einigen Tagen in allen Zeitungen. Der Assyriologe Troels Pank Arbøll von der Universität Kopenhagen hat auf einer Tontafel einen Beleg für das Küssen bereits vor 4500 Jahren gefunden. Ethnologen überrascht das wenig, denn sie vermuten eine biologische Grundlage des Küssen, das in zahlreichen Varianten in fast allen Kulturen vorkommt. Bei etlichen Tierarten, auch bei Schimpansen, wird Nahrung von Mund zu Mund weiter gegeben, dieses Kussfüttern hat der Ethnologe Irenäus Eibl-Eibesfeldt auch in vielen Kulturen dokumentiert, er hält das Küssen für eine ritualisierte Nahrungsübergabe.

Evolutionär interessant ist das Küssen als wechselseitiger Austausch von Hormonen und von Geschmack und Geruchsmolekülen, die offenbar die Immunfähigkeit des Partners/ der Partnerin anzeigen. Der Kuss ist ein Check, ob man sich in der Immunität gut ergänzt, was für mögliche Nachkommen die Lebenserwartung steigert. Küssen löst auch dieProduktion von Hormonen an, z.B. von Oxytocin. Ein chemisches Feuerwerk läuft also beim Küssen ab, allerdings auch die Übertragung von Krankheiten über den Speichel.

Für die Biologen spannend bleibt aber die Frage, warum in einigen Kulturen nicht von Mund zu Mund geküsst wird oder man den der Kuss sogar als unappetitlich ablehnt. (29.05.2024)

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Eingefleischt

Heute lese ich im Schwäbischen Tagblatt den Satz: „Ein eingefleischter Vegetarier geht nicht in eine Metzgerei.“ Das Adjektiv „eingefleischt“ hat es mir angetan, eine Wortbildung wie „eingemacht“, „eingestellt“, „eingerichtet“. Das sind Ableitungen der Verben „einmachen“, „einstellen“, „einrichten“. Aber gibt es das Verb „einfleischen“? Im Duden und im Leipziger Wortschatz nicht, aber wieder einmal im Grimm’schen Wörterbuch. Das Wort gibt es im Althochdeutschen als „infleiscan“, offenbar eine Übersetzung des lateinischen „incarnare = zu Fleisch werden“, ein Verb, das es im Spätlatein nicht gibt, das aber im Mittelalter als Wort gebraucht wurde, um die Fleischwerdung bzw. Einfleischung Gottes in Jesus zu benennen. Derartige neue Wortbildungen werden als Mittellatein bezeichnet. Das Partizip „eingefleischt“ wird oft gebraucht, z.B. bei Luther, Wieland, Goethe, Pestalozzi. Es hat die Bedeutung „in Fleisch und Blut übergegangen“, „unverbesserlich“, „fest überzeugt“ angenommen. (11.05.2023)

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Versimpelt

2011 kam ein dtv-Atlas zur Philosophie heraus, es war der Versuch, philosophische Begriffe und Gedanken zu visualisieren: rechts eine Seite Text, links die dazugehörigen Bilder. Ein gewagtes Unternehmen, das auch sofort heftiger Kritik ausgesetzt war. Der Redakteur der FAZ Gustav Seibt titelte: „Arbeit am Schwachsinn. Die neueste Anmaßung der Didaktik. Fastfood-Philosophie in vielen bunten Bildern“. Tatsächlich sind die vielen Charts teilweise trivial, teilweise kreativ, aber insgesamt nicht überzeugend.

Jetzt liegt ein weitere Versuch vor: „Simply Philosophie. Wissen auf den Punkt gebracht“, eine Übersetzung aus dem Englischen, die sich auch an der Visualisierung abstrakter Begriffe und Gedanken versucht, aber hier geht es sehr simpel zu.

Ein Beispiel: der sicher nicht einfache Begriff „Dialektik“. Im dtv-Atlas ein Chart, das die Beziehungen von These, Antithese und Synthese repräsentiert. Mit dem dazugehörigen Begleittext, der das dialektische Denken beschreibt, kann das Bild zumindest als Erinnerungshilfe dienen, obwohl die Anordnung etwas ungewohnt ist. – In der Simply-Variante ist die Visualisierung aber so primitiv, dass sie sogar irreführend ist. Das Venn-Diagramm legt nahe, dass die Synthese eine Schnittmenge vonThese und Antithese ist, dabei geht aber Prozess des Aufhebens verloren. (10.05.2023)

Zwei Visualisierungen der Dialektik, die eine bemüht, die andere einfältig. Scan: St.-P. Ballstaedt

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Einbahnstraße

Ein aufmerksamer Zeichen-Scout hat diese Fotos aus Rom mitgebracht. Vielen Dank für die Erlaubnis, sie zeigen zu dürfen. Fotos: Josef Englert (06.05.2023)

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Wortvermeidung

Immer schon hat es Versuche gegeben, anstößige Wörter zu vermeiden. Manchmal reichen ein paar Auslassungspunkte, sozusagen als Lückentest zur  Anregung für das Gehirn, meist wird dem Gedächtnis mit dem Anfangsbuchstaben nachgeholfen. So wird das Götz-Zitat in feinsinnigen Klassikerausgaben so abgedruckt: „Er aber, sag’s ihm, er kann mich im A….. lecken!“ 

Derzeit verwendet man für Wörter, die man nicht mehr benutzen möchte, eine Vermeidungsformel, z.B. das N-Wort. Natürlich denkt sich dabei jeder das verdeckte Wort und die Gesinnung wird sich dadurch auch nicht ändern. Aber man sollte schon aus Höflichkeit die Personen so ansprechen, wie sie angesprochen werden wollen. Das betrifft das M-Wort, das Z-Wort und das I-Wort. Anders verhält es sich mit politischen Vermeidungswörtern, die nicht auf Personen zielen. Z. B. darf das Wort „Krieg“ in Russland in Zusammenhang mit dem Überfall auf die Ukraine nicht benutzt werden, in der Türkei ist das Wort „Genozid“ im Zusammenhang mit dem Massaker an den Armeniern nicht erwünscht.

Von der K-Frage sind wir noch einige Zeit entfernt, nur Markus Söder steht im Verdacht, eine Antwort darauf zu haben.

Das f-Word ist nur noch in Amerika nicht salonfähig, bei uns ist es in die Alltags- und die Literatursprache eingegangen. Bei englischsprachigen Songtexten wird es aber noch diskret mit einem Piepsen überdeckt. (04.05.2023)

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Kulturelle Aneignung

Ein Seniorinnen-Balletts der Arbeiterwohlfahrt (AWO) sollte  bei der Bundesgartenschau in Mannheim mit einem Programm »Weltreise mit dem Traumschiff« auftreten. Dabei werden vierzehn Länder durch verschiedene Kostüme symbolisiert. Natürlich sind derartige Kostümierungen klischeehaft und bedienen kulturelle Stereotype, aber man hat die Keule der kulturellen Aneignung hervorgeholt: „Wir sollen die spanischen Flamenco-Kostüme, den orientalischen Tanz, den mexikanischen Tanz mit Sombreros und Ponchos, den japanischen Tanz mit Kimonos, den indischen mit Saris und den ägyptischen Tanz, in dem wir als Pharaoninnen verkleidet sind, nicht zeigen“, so Erika Schmaltz, die Chefin der AWO-Truppe. Man hat sich auf einige lächerliche Änderungen geeinigt. So muss z.B. jetzt ohne Sombrero getanzt werden. Ein Sombrero ist also nicht korrekt, darf ich dann zum Frühlingsbeginn meinen Panama-Hut aufsetzen, der an sich schon ein Beispiel für kulturelle Aneignung ist, denn die Hüte stammen nicht aus Panama, sondern aus Ecuador.

Die Menschheitsgeschichte lässt sich als Austausch zwischen Kulturen und Vermischung von Kulturen schreiben: Artefakte, Kunst, Musik, Architektur, Rituale, Kulturtechniken, Ernährung, Bekleidung usw. Die Vorstellung von Kulturen als geschlossene Systeme, die rein bleiben und nicht durchmischt werden dürfen, ist nicht nur falsch, sondern reaktionär. Die meisten Übernahmen drücken sogar eine Wertschätzung oder sogar Solidarität aus (Räucherstäbchen, Dreadlocks, Irokesenschnitt, Palästinensertuch, Mokassins, Döner). Natürlich gibt es auch Albernheiten und satirische Übernahmen, z.B. fette, reiche Scheichs im Karneval. Und sind nicht auch die nachgestellten Oktoberfeste in Amerika und Asien mit Dirndl und Lederhosen eine freche kulturelle Aneignung? (20.04.2023) 

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