Systemrelevant

Dass „Corona-Pandemie“ zum Wort des Jahres 2020 gekürt wurde, hat wohl niemanden überrascht. Das Unwort des Jahres wird zwar erst am 12.01.2021 um 10.00 Uhr verkündet, aber das Adjektiv „systemrelevant“ ist ein aussichtsreicher Kandidat. Der Begriff wurde ursprünglich ausschließlich für Großbanken verwendet, deren Größe und Bedeutung bei einer Insolvenz erhebliche negative Folgeeffekte nach sich ziehen würde (to big to fail). Also musste man die „notleidenden“ Finanzinstitute retten.

Mit der COVID-19-Pandemie hat man auch Berufsgruppen entdeckt, die systemrelevant sind, allen voran natürlich die Pflegekräfte und Ärzte. Aber es kommen immer mehr dazu, auch Apotheker, Reinigungskräfte und Bestatter sind ja unentbehrlich. Und dann natürlich die Feuerwehr, die Zulieferer, die Kassierer in den Supermärkten und und und… Warum ein Unwort? Weil offenbar noch Gruppen übrig bleiben, die nicht systemrelevant sind, z.B. Künstler. Da empfehle ich von Norbert Elias das Buch „Die Gesellschaft der Individuen“, in der er Gesellschaft als eine interdependente Verflechtung von Individuen beschreibt, die alle irgendwie aufeinander angewiesen sind. Es gibt keinen Beruf, der nicht systemrelevant ist. Soziologen betonen, dass auch Kriminelle systemrelevant sind, weil sie uns immer wieder gesellschaftliche Werte und Normen vor Augen führen, indem sie dagegen verstoßen. Das Adjektiv „systemrelevant“ wird oft verwendet, wenn es um unser Überleben oder auch unsere Bequemlichkeit geht. Da werden dann der Klempner und der Frisör systemrelevant. (10.12.2020).

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  1. Gleich zwei | Steffen-Peter Ballstaedt - 14. Januar 2021

    […] verharmlost nach der Jury das Leben in echten Diktaturen. Mein Kandidat „systemrelevant“ landete auf Platz 9. Im März wird zudem eine Ausstellung in Darmstadt eröffnet, in der […]

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