Zufall und Notwendigkeit

Ob der Laplace’sche Dämon schon die Ausstellung „[un]erwartet. Kunst des Zufalls“ im Kunstmuseum Stuttgart besucht hat? Mit Exponaten von den Surrealisten und Dadaisten bis zur Computerkunst wird das Spannungsfeld zwischen Kausalität und Zufall behandelt. Die meisten Künstler nehmen eine Zwischenposition ein: Sie gestehen dem Zufall eine Rolle im kreativen Prozess zu, den sie aber durch ästhetische Entscheidungen gestalten. Wenn man aber noch einen Schritt weitergeht, dann ist auch die ästhetische Entscheidung nicht zufällig, so wie Sigmund Freud mit seinem psychischen Determinismus auch alltägliches Verhalten als unbewusst gesteuert interpretiert hat. Dann wäre Kreativität nur die Unkenntnis der zahlreichen Bedingungen, die zu einer Linie auf dem Zeichenblatt oder zu einem Pinselstrich auf einer Leinwand führen.

Zufall und Kreativität greifen auch bei der Digital Art meines Ex-Kollege Joachim Wedekind ineinander: Er schreibt einen Algorithmus, mit dem ein Computer eine visuelle Vorlage erzeugt, die er interaktiv mitgestaltet und abschließend ästhetisch beurteilt. Als Beispiel ein Bild aus farbigen Klecksen: „Es wird über Tastendruck gesteuert, wie viele Punkte in welcher Farbe gesetzt werden (die Positionierung erfolgt dann zufällig). Der Vorgang kann bei Gefallen beendet, bei Nichtgefallen wiederholt werden.“ Was zeigt das entstandene Bild: Zufälligkeit oder Notwendigkeit? (02.11.2016)

zufallssterne-4farben-2

 

 

 

 

 

Grafiken von Joachim Wedekind sind bis 25.11.2016 im Stadtteiltreff Waldhäuser-Ost in Tübingen zu sehen. Quelle: http://digitalart.joachim-wedekind.de

3 Responses to Zufall und Notwendigkeit

  1. uli 10. November 2016 at 8:59 #

    Nicht das Programm wäre dann die Kunst, sondern das, was die Idee mit den Menschen macht: Man sichtet T-Shirt um T-Shirt im sicheren Wissen, dass diese eine Kombination nie wiederkehrt, in der Hoffnung, auf das eine, spezielle Motiv zu treffen, in der Befürchtung, einem anderen sein Lieblingsshirt weggeklickt zu haben und mit der Faszination, wie banale Algorithmen Kopfkino erzeugen.

  2. SP Ballstaedt 3. November 2016 at 10:41 #

    Die Zufallsshirts sind keine Hexerei: Aus Katalogen mit Texten, Bildern und Farben wird mit einem Zufallsgenerator eine Kombination zusammengestellt. Die Vorgaben sind festgelegt, wobei natürlich die kreativen Einfälle des Designers eine Rolle spielen, die Kombination ist dann wirklich Zufall.

  3. uli 3. November 2016 at 8:58 #

    Ist das Passigsche Zufallsshirt dann auch Kunst? Oder kommt es darauf an, wer es benutzt? Oder wie?

Schreibe einen Kommentar