Malmaschinen

Ein Vortrag von Joachim Wedekind „Eine kleine Geschichte der Malmaschinen“ im Stadtmuseum Tübingen am 28.09.2017 hat mich zu folgendem Beitrag inspiriert:

Geräte, die den künstlerischen Prozess unterstützen, hat es schon immer gegeben, das fängt mit Lineal und Zirkel an und geht bis zu Perspektivmaschinen von Albrecht Dürer. Bei all diesen Apparaturen ist es aber letztlich der Künstler, der Striche zieht, Formen und Texturen gestaltet. Er vollzieht den fundamentalen grafische Akt (James Gibson, 1982), das Erzeugen einer Spur auf einer Oberfläche und damit das Aufzeichnung von Bewegungen: Kratzen in den Sand, Malen auf eine Höhlenwand, Zeichnen auf Papier, Pinseln auf eine Leinwand, Gravieren auf einer Kupferplatte usw. Auch beim Farbspritzen auf einen Untergrund wie bei Jackson Pollock ist es der Künstler, der einer Oberfläche seine Vorstellungen auf- und einprägt. Selbst David Hockney erschafft seine tablet paintings noch mit den Fingern auf dem iPad.

Bei Malmaschinen wie wird der grafische Akt an einen Apparat delegiert, der mit Stiften seine Spuren auf einem Trägermedium hinterlässt. Beispiele: die kinetische Malmaschine Méta Matic von Jean Tinguely oder der Harmonograph des Mathematikers Hugh Blackburn. Bei diesen Malmaschinen und in der Computerkunst verschwindet der individuelle grafische Akt. Zwar wird der Computer von einem Menschen programmiert, aber die sichtbare Spur, die analoge Oberfläche produziert ein Gerät. Das Verschwinden der künstlerischen Malspur ist der Grund, warum wir fragen, wo hier eigentlich die Kunst bleibt: Was ist mit Orginalität und Kreativität?  Wo bleibt individueller Ausdruck und Stil? Was ist Zufall und was Berechnung? Ob die Hervorbringungen der Malmaschinen als sehenswerte ästhetische Objekte akzeptiert werden, das bestimmt aber noch immer ein Betrachtender.

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Ein von J. Wedekind selbstgebauter Drawbot: Die Filzschreiber hinterlassen durch einen Unwuchtmotor zufällige Spuren auf einem Untergrund. Daneben eine Zeichnung, die der Zeichenroboter Thymio erstellt hat. Foto: St.-P. Ballstaedt (02.10.2017)

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Inter!m

Auf der Schwäbischen Alb im Heidengraben auf dem ehemaligen Areal eines keltischen Oppidum findet derzeit das Kunstevent inter!m statt. Natur und Kunst sollen zu einem Gesamtkunstwerk verschmelzen, wobei die Künste als Musik, Text, Plastik, Installation, Theater vertreten sind.

Die Location ist ein Wagnis, nicht nur weil das Wetter auf der Albhochfläche im September recht unwirtlich sein kann, sondern weil auch die Akzeptanz dieser modernen Kunst im ländlichen Raum begrenzt sein dürfte. Das Kunstwerk „mittlerweile“ von Christian Hasucha wurde schon vor Beginn restlos zerstört. Es ist richtig, dass der traurige Zustand belassen wurde. Auch ein Beitrag von Kindergartenkindern in Hülben wurde beschädigt. Die Kleinen hatten allerlei sonderbare Gegenstände gefunden und vor allem skurril kommentiert. Leider sind einige Halbkugeln, in denen die objects trouvés präsentiert werden, eingedrückt bzw. eingeschlagen.  Das Thema ist das Suchen: “Wir sind nichts. Was wir suchen, ist alles”, so das Motto nach Friedrich Hölderlin. Dabei fehlt der übliche Hinweis nicht, dass Kunst, „neue Wege des Sehens und Denkens“ eröffnen soll.

Die Texte, fast alle von Susanne Hinkelbein, werden von Schauspielern perfekt vorgetragen, und auch ihre Kompositionen, Chöre und Arien, kommen mit den Anspielungen auf die Kelten und ihre Eroberer gut an, obwohl man bei beiden sehr konzentriert hinhören muss.   Während Texte und Musik in der Natur ihre Wirkung gut entfalten, hat es die bildende Kunst schwer: Die Natur braucht die artifiziellen Ergänzungen nicht, meist profitieren nur die Kunstwerke von der Umgebung, nicht aber die Natur von den Kunstwerken. Das Naturschöne ist eine scharfe Konkurrenz des Kunstschönen. Gelungen finde ich die Installation „Quaesitio“ von Nándor Angstenberger, für die der Wald ein hervorragender Hintergrund für ein optisches Erlebnis bildet, das viele Assoziationen auslöst. Dagegen fand ich die Installation „Decke“ von Susken Rosenthal wenig überzeugend, die Interpretation der Künstlerin ist bemüht: Sie „begreift ihre Rauminstallationen als Orte der aktiven Wahrnehmung, an welchen grundsätzliche Erfahrungen des Raum-Erlebens zwischen Raumvorstellung und Raumwahrnehmung vollzogen werden.“

Gut funktionieren die akustischen Installationen, z.B. „Fiels/Feld“ von Benoit Maubrey, in dem auf einem Acker halb eingegrabene Lautsprecher eine Collage aus Sätzen von Personen aus Hülben zu hören sind. Es ist ein sonderbares Erlebnis, an einem Feld vorbeizugehen, aus dem derartige Geräusche aufsteigen.

Ich möchte nicht den ganzen Parcours beschreiben, es fehlen Grimm, die Sphinx, Thales von Milet, das Kamel usw. Hingehen, hören und sehen!

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Magisches Licht: Die Installation „Quaesitio“ von Nándor Angstenberger. Foto: St.-P. Ballstaedt (20.09.2017)

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Hundedreck

Hundedreck

Kleines Mitbringsel aus Krems an der Donau: ein eigendesigntes Schild auf einem Rasenstück. Foto: St.-P. Ballstaedt (16.09.2017)

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Wahlwerbung

NPD-Aufkleber  Natuerlich-Deutsch

Hier im Seebad Ahlbeck auf Usedom gibt es wohl nur die NPD, viele Maste sind von oben bis unten mit NPD-Aufklebern versehen, von den anderen Parteien sehe ich nichts. Natürlich deutsch: ein blindes bauäugiges deutsches Mädl. Foto: ST.-P. Ballstaedt (05.09.2017)

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Sprachmischung

No-Kack

Die Linguisten sprechen auch von Code-Switching. Entdeckt an einem Weg durch die Ebenhalde bei Tübingen. Foto: St.-P. Ballstaedt (01.09.2017)

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Ewiger Frieden

Seit es ab 1.12.2016 die deutsche Ausgabe gibt, lese ich Charlie Hebdo regelmäßig. Ich war gespannt, ob das Satireblatt mit seiner radikal laizistischen Ausrichtung und seinem Humor, der keine politische Korrektheit und keine Geschmacksgrenze akzeptiert, bei den Deutschen ankommt. Der Erstauflage war 200.000, wie viele davon verkauft werden, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. In der Ausgabe 1278 wurden einige Leserbriefe abgedruckt, wie ich sie erwartet hatte: Schmierfinken, Drecksblatt, Machwerk, Klopapier usw.: „Charlie Hebdo ist eine ordinäre, vulgäre Zeitung. Sowohl Zeichnungen als auch Vokabular sind niveaulos, respektlos und megabillig. Vom ersten Blatt bis zum letzten Punkt nur geringschätzend und beleidigend.“ Vermutlich empfinden das die Macher als ein Lob.

Das Titelblatt der letzten Ausgabe hat wieder einmal Ärger provoziert. Es zeigt als Reaktion auf den Anschlag in Barcelona zwei in Blutlachen liegend Menschen, die von einem davonfahrenden Lieferwagen überfahren wurden. Der Text dazu: „Islam, Religion des Friedens…des ewigen Friedens“, noch pointierter im Original „Islam, religion de paix…éternell!“ Ist das Islamophobie und Stimmungsmache gegen Moslems? Der Redaktionsleiter Laurent Sourisseau (Riss), der bei dem Anschlag auf die Redaktion schwer verletzt wurde, antwortet, dass die Rolle der Religion bei den Attentaten immer ausgeblendet wird, mögen die Attentäter noch so laut „Allahu akbar“ rufen. Die Karikatur richtet sich gegen dieses Tabu. In der FAZ hält der Schweizer Journalist Jürg Altwegg das Cover „als durch und durch gelungen.“

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Der Islamkritiker Hamed Abdel-Samad sieht in den Karikaturen von Charlie Hebdo „eine Art Schocktherapie“ für Muslime, um zu erkennen, dass nicht das Ansehen des Islam im Westen das Problem ist, „sondern was in seinem Namen geschieht“. Quelle: Profilbild auf der offiziellen Website von Charlie Hebdo auf Facebook  (30.08.2017)

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Formulierungen

Wie hängen Denken und Sprechen bzw. Schreiben zusammen: Ist eine Formulierung ein sprachliches Abbild der Gedanken? Kann man deshalb aus einer Formulierung auf die Gedanken rückschließen?

Wenn ich schreibe, kommt es oft vor, dass ich einen Satz mehrfach verändere, wenn ich eine Formulierung noch nicht passend für meinen Gedanken finde. Bei Literaten ist das Problem noch drängender: Flaubert soll an einem Satz tagelang gefeilt haben. Manchmal fehlt das passenden Wort für einen Begriff oder die richtig akzentuierte Satzkonstruktion für einen Gedanken. Ein beliebtes Synonymwörterbuch (27. Auflage) hat den Titel „Das treffende Wort“. Wenn ein Wort treffender als ein anderes ist, dann können es keine reinen Synonyme sein und tatsächlich gibt es kaum bedeutungsgleiche, sondern nur bedeutungsähnliche oder sinnverwandte Wörter. Wann ist ein Wort treffend? Und was genau trifft es dann? Wörter stehen für Begriffe in unseren Köpfen, aber diese Begriffe sind komplex, keine abgegrenzten Einheiten, sondern konzeptuelle Netze, die in verschiedenen Köpfen nur einen gemeinsamen denotativen Bereich haben, aber ansonsten von Person zu Person konnotativ verschieden sind. Ob eine Person einen treffenden Ausdruck verwendet, kann eigentlich nur sie bzw. er selbst feststellen.

In die andere Richtung ist die Frage noch schwieriger zu beantworten: Kann man aus der Formulierung einer Person auf ihr Denken und ihre Mentalität schließen? Die Intention der Begriffe hinter den Wörtern bleibt uns verborgen, aber die Verbindungen zwischen den Begriffen werden mit der Syntax ausgedrückt. Nie ist aber alles explizit ausformuliert, beim Verstehen lesen wir zwischen den Zeilen und ziehen Schlussfolgerungen: Präsumtionen, Präsuppositionen, Projektionen usw. Der Streit um Formulierungen in religiösen, philosophischen und literarischen Texten belegt, dass einem Autor oder einer Autorin sehr verschiedene Gedanken unterstellt werden können. Mit einer mündlichen oder schriftlichen Äußerung ist zwar eine objektiv untersuchbare linguistische Struktur vorhanden, aber auf der Seite des Denkens lassen sich weder Begriffe noch die „mental language“ direkt untersuchen. (28.08.2017)

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Erdbeereise

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Existenzielle Frage auf dem Beton einer Unterführung bei der “Ebenhalde” in Tübingen. Foto: St.-P. Ballstaedt (23.08.2017)

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Brautpaar

Eine Braut ist eine Frau am Tag ihrer Hochzeit, der Bräutigam ist ein Mann am Tag seiner Hochzeit, seit Luther werden die Bezeichnungen auch auf Verlobte ausgedehnt. Dieses Wortpaar gehört zu den wenigen, bei dem die männliche Form aus der weiblichen abgeleitet ist. Beide zusammen bilden das Brautpaar, auch hier dominiert die weibliche Form.

Aber warum ist das so? Darauf findet man in Wörterbücher keine Erklärung. Das Wort “Braut“ gibt es althochdeutsch seit dem 9. Jahrhundert, seine Etymologie ist trotz zahlreicher Versuche ungeklärt. Bei den Gebrüdern Grimm steht die Mahnung: „höchst verkehrt wäre, diesem reinen, edlen Wort, wie man gesucht hat, unzüchtige Bedeutung unterzulegen.“ Die könnte von “bruiten“, auch „brauten“ oder „bräuten“, stammen, Verben, die im Nebensinn auch „beiliegen“ bedeuten (siehe Brautbett). Das angehängte unikale Morphem beim Bräutigam kommt von neuhochdeutschen „gomo“, das wiederum auf „homo“ für Mann zurückgeht, also ist der Bräutigam der Mann der Braut. Die Braut steht als sprachlich im Mittelpunkt einer Hochzeit! (17.08.2017)

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Premium-Botschaft

Migrationsgegner

Entlang des neuen Premiumwanderwegs „Hirschauer Spitzbergwegle“ hat ein politischer Aktivist an Bäumen verschiedene Texte gegen Migration angeschlagen. Dies ist einer davon, ein angeblicher Vorschlag des amerikanischen Geostrategen Thomas Barnett. Bei unserem Plakateur wird eine Senkung des IQ durch Einwanderung wohl nicht mehr notwendig sein. (13.08.2017)

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