Keine Tageszeitung, in der derzeit nicht ein Artikel über Anwendungen, Möglichkeiten, und Grenzen von Chatbots zu lesen ist. Gestern einText, in dem sich Schriftstellerinnen und Lektorinnen dazu äußern, wie sich die Literaturproduktion durch KI verändern wird (FR 5.4.2023). Zwei Anwendungen werden diskutiert:
1. Die Analyse und Bewertung vorhandener Manuskripte mit Textanalyse-Software. Meine wissenschaftlichen Texte habe ich schon mit TextLab prüfen lassen. Es untersucht vor allem Parameter der Verständlichkeit wie z.B. Wortlänge, Satzkomplexität, Schachtelsätze usw. Das Programm macht mich auf lange und unübersichtliche Sätze aufmerksam. Zur Überarbeitung im Korrektorat und Lektorat kann das Programm durchaus nützlich sein. Allerdings ist Verständlichkeit kein sinnvolles Kriterium für Literatur. Ein weitergehendes Programm LiSA bewertet Belletristik nach verschiedenen Parametern: sprachliche Muster, Bekanntheit des Themas, Grundkonflikte, Stimmung und Emotionalität eines Textes, Errechnung des Leserpotentials usw. Zur Bewertung dient dann ein Vergleich mit Durchschnittswerten im jeweiligen Genre.
2. Spannender ist die Frage, ob Chatbots literarische Texte schreiben können. Bei einfachen Texten nach bestimmten Schemata, wie z.B. Groschenromanen, stellt nur die Textlänge ein Problem dar, literarische Kunst darf man nicht erwarten. Entscheidend ist hier die Frage: Kann die natürliche Kreativität einer Person durch KI simuliert werden? Und da überrascht es mich, dass Autorinnen sich durchaus die Hilfe von Chatbots vorstellen können, z.B. bei einer Schreibblockade oder zur Ideenfindung mithilfe von Prompting. Oder als kollaboratives Schreiben, bei der Mensch und Maschine abwechselnd zusammenwirken (augmented Creativity).
Mein stärkste Argument gegen hochwerte KI-Literatur: Computer können kombinieren, aber sie können nicht fühlen, es fehlen persönliche Erlebnisse, es fehlt die Empathie. Und es fehlt die Raffinesse, mit der ein Autor/eine Autorin bei seinen/ihren Lesenden das Verstehen rhetorisch anleiten und auch gängeln kann.
Fragen wir ChatGPT selbst, ob Romane in seine Kompetenz fallen: „Als KI-Modell kann ich sicherlich einen Roman schreiben, aber es ist wichtig zu beachten, dass KI-Textgenerierung noch nicht perfekt ist und nicht unbedingt den gleichen kreativen Sinn und das Verständnis für menschliche Emotionen und Erfahrungen aufweist wie ein menschlicher Autor. Es ist auch wichtig zu berücksichtigen, dass ein Roman in der Regel eine komplexe Struktur aufweist, die eine sorgfältige Planung und Entwicklungsarbeit erfordert, um eine zusammenhängende Handlung und gut entwickelte Charaktere zu schaffen. Als KI-Modell könnte ich sicherlich ein grundlegendes Gerüst für eine Geschichte liefern, aber ich würde immer noch auf die Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Autor angewiesen sein, um sicherzustellen, dass die Geschichte lebendig und fesselnd ist und den Leser wirklich mitreißt.“
Das ist doch eine treffende Selbsteinschätzung! (06.04.2023)
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