Kulturelle Aneignung

Ein Seniorinnen-Balletts der Arbeiterwohlfahrt (AWO) sollte  bei der Bundesgartenschau in Mannheim mit einem Programm »Weltreise mit dem Traumschiff« auftreten. Dabei werden vierzehn Länder durch verschiedene Kostüme symbolisiert. Natürlich sind derartige Kostümierungen klischeehaft und bedienen kulturelle Stereotype, aber man hat die Keule der kulturellen Aneignung hervorgeholt: „Wir sollen die spanischen Flamenco-Kostüme, den orientalischen Tanz, den mexikanischen Tanz mit Sombreros und Ponchos, den japanischen Tanz mit Kimonos, den indischen mit Saris und den ägyptischen Tanz, in dem wir als Pharaoninnen verkleidet sind, nicht zeigen“, so Erika Schmaltz, die Chefin der AWO-Truppe. Man hat sich auf einige lächerliche Änderungen geeinigt. So muss z.B. jetzt ohne Sombrero getanzt werden. Ein Sombrero ist also nicht korrekt, darf ich dann zum Frühlingsbeginn meinen Panama-Hut aufsetzen, der an sich schon ein Beispiel für kulturelle Aneignung ist, denn die Hüte stammen nicht aus Panama, sondern aus Ecuador.

Die Menschheitsgeschichte lässt sich als Austausch zwischen Kulturen und Vermischung von Kulturen schreiben: Artefakte, Kunst, Musik, Architektur, Rituale, Kulturtechniken, Ernährung, Bekleidung usw. Die Vorstellung von Kulturen als geschlossene Systeme, die rein bleiben und nicht durchmischt werden dürfen, ist nicht nur falsch, sondern reaktionär. Die meisten Übernahmen drücken sogar eine Wertschätzung oder sogar Solidarität aus (Räucherstäbchen, Dreadlocks, Irokesenschnitt, Palästinensertuch, Mokassins, Döner). Natürlich gibt es auch Albernheiten und satirische Übernahmen, z.B. fette, reiche Scheichs im Karneval. Und sind nicht auch die nachgestellten Oktoberfeste in Amerika und Asien mit Dirndl und Lederhosen eine freche kulturelle Aneignung? (20.04.2023) 

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