In meiner Zeit im Ruhrgebiet waren mir vereinfachte dialektale Formulierungen aufgefallen: „Ich gehe Schule“; „Meine Oma ihre Tasche“, „Ich habe Rücken“. Artikel werden weggelassen, oft auch mit Präpositionen (Kontraktionen), vor allem der Genitiv wird vermieden.
Vergleichbare Formulierungen gehören auch zum Bestand des „Kiezdeutsch“, der „Ghettosprache“ oder des „Türkendeutsch“, das jetzt neutraler Kurzdeutsch genannt wird. Die Soziolinguistin Diana Marossek hat ihre preisgekrönte Doktorarbeit jetzt zu einem Buch verarbeitet: „Kommst du Bahnhof oder hast du Auto. Warum wir reden, wie wir neuerdings reden.“ Sie hat den Sprachgebrauch an 30 Berliner Schulen im natürlichen Umgang untersucht und genau diese Verkürzungen gefunden: „Gib mir Stift?“, „Verstehst du Text!“ , „Ich geh Döner“. Derartige grammatische Vereinfachungen sind ein Merkmal einer Pidgin-Sprache, die sich bei Personen herausbildet, um sich in einer fremdsprachigen Umgebung zu verständigen. Aber so sprechen nicht nur migrante Jugendliche, sondern auch Deutsche, es hat sich ein Soziolekt herausgebildet. Ein Soziolekt hat die Funktion, sich gegen außen abzugrenzen und intern ein Wir-Gefühl zu entwickeln. Jugendkulturen sind dabei besonders kreativ.
Ein Grund wieder einmal den Untergang der deutschen Sprache zu beklagen, ist das also nicht. Aber der Einfluss der Migranten auf das Deutsche ist derzeit natürlich ein heißes Thema! Die Wissenschaftlerin geht aber zu weit, wenn sie in ihrem Untertitel behauptet, dass das Kurzdeutsch inzwischen in die allgemeine Umgangssprache eingegangen ist. Davon habe ich nichts mitbekommen, auch wenn man selbst einmal sagt: „Ich fahre Bus“. (12.02.2016)
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