Im Schritt

Nach Trumps Tipp: „grab her by the pussy“ ist der Griff in den Schritt der beliebteste sexuelle Übergriff. Zumindest in Tübingen, fast in jeder Ausgabe der Tageszeitung wird ein derartiger Griff vermeldet.

Das Wort „Schritt“ ist eine Ableitung des Verbs „schreiten“ und bedeutet das einmalige Vorsetzen eines Fußes. Seit dem Mittelhochdeutschen wird es wie im alten Rom auch als Längenmaß benutzt. Ein Schritt entspricht zwischen 71 und 75 Zentimetern. – Im Bereich der Schneiderei wird es zum Fachwort für „die stelle wo die beine am rumpfe sich beim schreiten auseinander geben: die hosen sind im schritt zu enge.“ (Wörterbuch der Gebrüder Grimm). – Als unerotische Geste kann der Griff in den Schritt eine Maßnahme gegen Harndrang, Juckreiz und bei Männern eine Verklemmung darstellen. Bei türkischen Männern ist der Griff in den Schritt genetisch bedingt, behauptet der Komiker Serhat Dogan: Sie suchen noch immer das Pferd zwischen den Beinen.- Eine erotische Aufladung bekommt der Griff in den Schritt als eine Geste, die Sänger und Sängerinnen gern benutzen, um sexuelle Appetenz zu kommunizieren, z.B. Mick Jagger, Michael Jackson, Madonna, Rihanna, Miley Cyrus und viele andere. (09.01.2018)

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Dirty Scrabble

Als Wortfetischist habe ich immer gern Scrabble gespielt, weil das zu interessanten Diskussionen führt: Ist das überhaupt ein Wort? Das Wort habe ich noch nie gehört? Das Wort hast du jetzt erfunden!

Die Partnersuche mit Speed-Dating führt gern zu verlegenen Situationen, ein Einfall eines Londoners Event-Manager soll die Kurztreffs lockerer gestalten. Die Suchenden spielen sieben Minuten miteinander Scrabble, wobei besonders unanständige Wörter gelegt werden sollen. Vorher ein paar Drinks zur Förderung des lexikalischen Gedächtnisses, dann geht es ohne Tabus und Schamgefühl ans Brett. Die schmutzigen Wörter sollen zu offeneren Gesprächen animieren und das erotische Kennenlernen befördern. Auch außerhalb von Speed-Dating ein Tipp für Singles! (04.01.2018)

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Moderne Beziehungsanbahnung über Gesellschaftsspiele. Kaum auszudenken, welche interessanten und freizügigen Gespräche mit diesen Wörtern ausgelöst werden können! Foto: St.-P. Ballstaedt

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Wörter mit Behinderung

Das Wort „Schwerbehindertenausweis“ ist sicher unschön und konnotiert eine pejorative Assoziation. In Rheinland-Pfalz gibt das Sozialministerium jetzt Hüllen für dieses amtliche Dokument aus, auf dem die Aufschrift „Schwerinordnungausweis“ steht. Dieser Euphemismus ist als Beitrag zur Inklusion gedacht.

Betroffene wie Nichtbetroffene tun sich schwer damit, ein Wort für einen ebenfalls oft schwammigen Begriff zu finden. Nach dem Ausdruck „behinderter Mensch“, bei dem die Behinderung als Adjektivattribut an erster Stelle steht, ist derzeit „Mensch mit Behinderung“ die offizielle korrekte Bezeichnung. Begründungen: 1. In dieser Formulierung steht der Mensch im Vordergrund, die Behinderung wird nur als Präpositionalattribut angehängt 2. Die Behinderung wird hier nicht am Menschen, sondern an den externen Barrieren festgemacht: Der Mensch ist nur behindert, weil eine bestimmte Umgebung ihn einschränkt.

Das sehen aber selbst Betroffene wie z.B. der Inklusionsaktivist Constantin Gosch nicht so. Nach seinem Sprachgefühl bedeutet die Präposition „mit“, dass der Mensch mit Behinderung diese mit sich trägt, sie also seine Eigenschaft ist und nicht durch die Umwelt bedingt. Er bevorzugt deshalb „behinderter Mensch“.

Andere Vorschläge: „Menschen mit Handicap“, aber der Anglizismus ist eigentlich nur eine Übersetzung in ein für uns neutraler klingendes Wort. Die Ausdrücke „Menschen mit besonderen Fähigkeiten“ oder „andersbefähigte Menschen“ gehen in Richtung Euphemismus, diese Ausdrücke gebrauchen zudem nur wenige Betroffene selbst. Ein weiterer Vorschlag ist der, auf den Allgemeinbegriff zu verzichten und konkret von Blinden, Querschnittsgelähmten, Gehörlosen usw. zu sprechen. Ob das die Person behindert oder nicht, wird damit nicht impliziert. Ist jeder Brillenträger sehbehindert? Bei kognitiven Problemen wird die konkrete Benennung aber wieder schwierig: „Menschen mit Lern- oder  Denkschwierigkeiten“ ? (03.01.2018)

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Käfer

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Zeichnungen an mehreren Bäumen im Wald bei Tübingen Waldhäuser-Ost. Auf einem Tablet gezeichnet? Foto: St.-P. Ballstaedt (28.12.2017)

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Einverständlich

Ein Beitrag zum Fest der Liebe: Das Einverständnis-Gesetz, das ab 1. Juli in Schweden gelten wird, dient wohl auch bei uns als Vorbild zur Gestaltung erotischer Beziehungen. Das Gesetz soll Schutz vor Übergriffen und Vergewaltigungen in allen Beziehungsformen bieten. Vor sexuellen Aktivitäten muss der aktive Partner mündlich, schriftlich oder gestisch ein Einverständnis bei seinem/ihrem Partner für geplante Aktivitäten einholen. Juristisch ist natürlich nur die schriftliche Form brauchbar, denn selten ist ein Zeuge dabei, der Worte und Gesten gerichtsverwertbar bestätigen kann.

Präventiv reicht z.B. ein Kartengruß aus: „Bei unserem morgigen Date bitte ich um die Erlaubnis, meine Hand auf ihren linken Schenkel legen zu dürfen, etwa in der Höhe des Musculus Rectus Femoris.“

Liebesgeflüster wird sich jetzt so anhören: „Darf ich an deiner/ihrer Nase kraulen?“ – „ Ich würde gern deine Brustwarze streicheln?“ – „ Darf ich deinen Slip herunterstreifen?“- „ Darf ich mit dem Zeigefinger….“ Auch hier vorsichtshalber die Anfragen und Antworten mit dem Smartphone aufnehmen, (das gibt Audiodateien für spätere Revenge-porn-Sites).

Sex muss freiwillig sein, darüber herrscht wohl Einigkeit. Teilweise haben sich die Männer dieses Gesetz selbst zuzuschreiben, aber die Grauzone aus Begehren, Angst, Ambivalenz, Machtausübung wird bleiben.

Noch eine Anmerkung zur historischen Semiotik, zum Wechsel von Zeichensystemen in der Kommunikation. Im 19.Jahrhundert machte man eine Liebeserklärung und einen Heiratsantrag schriftlich, in einem Brief (mit Angabe der finanziellen Verhältnisse). Heute ist das eine mündliche Angelegenheit. Die Regelung der Sexualität geschah bisher vorwiegend averbal, d.h. mimisch, gestisch, haptisch. Jetzt wird diese Aufgabe an die Sprache delegiert.

Schöne Weihnachten! (24.12.2017)

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Signatur

Dass Künstler ihre Werke signieren, ist erst üblich, nachdem sie in der Renaissance ein Selbstbewusstsein als kreative Schöpfer ausgebildet haben.

In Großbritannien steht ein Chirurg vor Gericht, weil er nach einer Operation seine Initialen SB in die Lebern von zwei Patienten gebrannt hat. Entdeckt wurde das von einem Arzt in einer Nachfolgeoperation.

Setzt das ein Bewusstsein nicht als Reparateur, sondern als medizinischer Künstler voraus? Behandlungsfehler werden ja auch als Kunstfehler bezeichnet, nicht lege artis ausgeführt. (18.12.2017)

Ansicht einer menschlichen Leber von Frontal

Neues Selbstbewusstsein von Ärzten: die Organsignatur. Quelle: modifiziert nach medicalgraphics.de

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Gaga…

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Wieder ein für mich kryptisches Stencil an Tübinger Hauswänden. Wer kann die Bedeutung erklären? Foto: St.-P. Ballstaedt (14.12.2017)

Nachtrag: das Rätsel ist dank einer klugen Marita gelöst: Das Wort ist kyrillisch und bedeutet Hexe oder böse Fee, bekannt aus Märchen. (15.12.2017)

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Wir kommen zurecht…

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Ein explizites Stencil an einer Tübinger Hauswand, das schnell übermalt wurde. Leider kann ich weder den Text rekonstruieren, noch Absender und Adressaten ermitteln: „Papa! Mach dir keine…..wir kommen zurecht“??? Foto: St.-P. Ballstaedt (07.12.2017)

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Und Tschüss 😥

Mit dreimal Tschüss verabschiedet sich „vorerst“ die deutsche Ausgabe von Charlie Hebdo. „Ein Jahr reicht, es ist Zeit für uns zu gehen“. Warum genau, das geht aus dem Abschiedsartikel der verantwortlichen Redakteure Gérard Biard & Minka Schneider nicht so recht hervor. Es gibt eine Andeutung, dass die Ausgabe wegen zu wenig Käufern nicht rentabel war. Es gibt eine Andeutung, dass die Reaktion mit einer zweiten deutschen Ausgabe 24 Stunden nach der französischen überfordert war. Und es werden diskret und ungewöhnlich höflich nationale Unterschiede der „Humorkultur“ angedeutet. Die Zeichnungen und Text waren antiklerikal, unkorrekt, vulgär, ordinär und schonten keine weltanschaulichen Befindlichkeiten. Für deutsche Gemüter ist das wohl zu scharfer Stoff, hier klopft man ja gern jedes Witzchen darauf ab, ob es wohl sexistisch, rassistisch und politisch korrekt ist und ob es irgendwelche religiösen Gefühle verletzen könnte. Und noch eine Andeutung: „Eines Tages wollen wir Euch vielleicht wieder überraschen, in einer anderen Form….“.  Also auf Wiedersehen. (30.11.2017)

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Ein letzter Witz von Riss aus der letzten deutschen Ausgabe von Charlie Hebdo.

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Hochbetagt

Charles Aznavour ist 93 Jahre alt und startet Ende November eine Deutschlandtournee. Die Südwestpresse zitiert ihn mit dem Satz „Ich bin nicht alt, ich bin betagt.“ Was hat er wohl genau gesagt? Wahrscheinlich „âgé“ statt „vieux“, was mit aber meist mit „alt“ übersetzt wird. Das Adjektiv „betagt“ klingt einfach angenehmer, noch eindrücklicher „hochbetagt“. Das Wort haben wir wohl Luther zu verdanken, der übersetzt 1.Mose 24,1: „Abraham war alt und wol betaget.“ (22.11.2017)

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