Author Archive | SP Ballstaedt

Roter Stern

Der fünfzackige rote Stern ist ein Symbol für die sozialistische bzw. kommunistische Weltanschauung und für die internationale Arbeiterbewegung, jeder Zacken steht für einen Kontinent. Die RAF hat ihn als Kombination mit einem Maschinengewehr als Logo benutzt. In der gefundenen Variante ist nicht gut erkennbar, ob ein männlicher oder ein weiblicher Revolutionär mit der Faust den Stern durchbricht. Auch die linksextremistische Rote Zora hat den fünfzackigen Stern im Logo. (23.05.2015)

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Ein Dreigestirn am Parkhaus am Stadtgraben in Tübingen. Foto: St.-P. Ballstaedt

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Brunzen

Das Wort, dass in mir die Vorstellung eines dampfenden Strahls aufruft, ist im Duden als „landschaftlich derb“ gekennzeichnet. Als es etwa im 15. Jahrhundert aufkam, war es aber ein normales, anständiges Wort für den Vorgang des Urinierens. Im Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm wird es ausführlich behandelt, auch mit seinen lexikalischen Derivationen: der Brunz für Urin oder der Brünzel für den Penis. Aber schon damals hatte das Wort einen Bedeutungswandel erfahren hin zu einem umgangssprachlich ordinären Wort. Dieser Vorgang wird Pejoration genannt, es hat auch andere Wörter getroffen wie Weib, Pfaffe, Visage usw.

Beim Stichwort „brunzen“ fühlen sich die Gebrüder Grimm zu einer Verteidigung dieser Wörter aufgerufen, weil ein Kollege Johann Christoph Adelung sich mit derartigen Wörtern nicht abgeben wollte: „Adelung sieht wol ein, dasz dieses wort anfangs ein anständiges war, allein es sei mit allen seinen Ableitungen nunmehr schon lange dem niedrigsten pöbel preisgegeben worden, daher er sich nicht dabei aufhalten wolle, als wenn es nicht die pflicht der sprachforschung wäre, solchen wörtern, die herabgekommen sind nicht weil sie das Volk in ihrer natürlichen geltung festhielt, sondern weil die vornehme welt sie durch fremde, nichts sagende verdrängte und zuletzt vergasz, gleichsam die Ehre zu retten“ (Bd. 2, S. 442). Da haben die beiden recht: Was ist schon urinieren gegen brunzen! (22.05.2015)

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Kleiner Brunzer in einem Gemälde des flämischen Malers Gerard Horenbout (1510-20).

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1. Geburtstag

Am 21. Mai 2014 habe ich den ersten Beitrag über Leidbilder in meinem Blog veröffentlicht. Dieser Geburtstagsbeitrag ist der 226. Die Resonanz nimmt langsam zu, aber ein richtiges kommunikatives Medium ist der Blog bisher nicht: 73 veröffentlichte Kommentare, also nicht gerade ein Knotenpunkt im Web. Der Spamfilter war fleißig: 7.827 Kommentare hat er blockiert. 28 bösartige Anmeldeversuche wurden abgewehrt.

Meine Konzeption bleibt weiterhin, kommunikative Randbereiche unserer Gesellschaft zu thematisieren, vor allem oft Unbeachtetes ins Licht der der Aufmerksamkeit zu rücken. Bei einige Funden hatte ich keine Interpretation anzubieten, aber gehofft, dass mir Besucher zu Hilfe kommen, aber das war erst wenige Male der Fall. Es geht so weiter (21.05.2015)

Geburtstag

Herzliche Grüße an Norbert Schmitt. Foto: St.-P. Ballstaedt

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Intimpflege

Die Schambehaarung war schon vielen kulturellen Moden unterworfen: natürliche Behaarung, Vollrasur, manikürte oder getrimmte Genitalfrisuren. In einer Anzeige der Kosmetikfirma Razoli für biologisch korrekte (100% vegan!) Pflege der Schamregion mit natürlichen Ölen und Planzenextrakten (nie mehr roter Ausschlag oder rote Pickel, dafür seidenweiche Haut ohne Juckreiz) habe ich eine Visualisierung der Schamhaarstatistik gefunden, korrekt nach Haut- und Haarfarben. Rothaarige Frauen tragen das Schamhaar natürlich natürlich. (0.05.2015)

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Die Wirkung eines gepflegten Intimbereichs zeigt das mittige Foto (bitte vergrößert studieren). Quelle: noble-house

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Rotlichtmilieu

Beeinflussen Farben unbewusst unser Verhalten? Goethe empfing seine Gäste in einem Gesellschaftszimmer mit olivgrüner Tapete, da er nach seiner Farbenlehre meinte, dass dadurch der Geist und die Konversation beflügelt würden. Es gibt farbpsychologische Experimente, welche die Wirkungen von Farben z.B. auf die Aufenthaltsdauer in einem Raum, die Leistung bei Arbeit und Sport oder die Kaufentscheidung untersuchen.

So gibt es kein Grünlichtmilieu, sondern ein Rotlichtmilieu und die Bordellzimmer sind meist rot ausgestattet. Rot wird mit Sex, Lust und Liebe assoziiert. Andrew Elliot (2008) zeigte Versuchspersonen das Bild einer Frau, die entweder einen blauen oder einen feurigroten Pullover trug. Mit der Frau in Rot wollten sich fast doppelt so viele Männer treffen und 100 Dollar für einen gemeinsamen Restaurantbesuch ausgeben als mit der Frau in Blau. Auch Frauen halten andere Frauen in roter Kleidung für untreu und bedrohlich für die eigene Beziehung.

Interessant sind Befunde aus dem Sport. Norbert Hagemann (2008) zeigte Taekwondo-Richtern Videoclips mit Wettkampfszenen, zu denen sie Punkte vergeben sollten. Die Sportler wurden am Computer blau oder rot eingekleidet. Dieselben Wettkampfszenen wurden mit den Rotgekleideten besser bewertet mit bei den Blaugekleideten. Offenbar schätzt der Schiedsrichter die rotgekleideten Kämpfer unbewusst als aggressiver ein. Nach Befunden der Anthropologin Diana Wiedemann (2015) werden Männer mit roten T-Shirts von anderen Männern als dominanter und aggressiver eingeschätzt als grau bekleidete. (19.05.2015)

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Die Vorlagen für das Experiment von Elliot und Team. Der rote Pullover macht die Trägerin erotisch attraktiver. Quelle: Website der University of Rochester

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Bildarchäologie

Im Stadtmuseum Tübingen ist derzeit eine Ausstellung zu sehen: „Protest! Stricken, Besetzen, Blockieren in den 1970/80er Jahren in Tübingen“. Als Tübinger Student in der damaligen Zeit kommen viele Erinnerungen hoch, wenn man die gewagt arrangierten Exponate anschaut. An einer Betonwand gegenüber dem Markt am Nonnenhaus ist eine Ankündigung zum Kongreß zur Kultur des Friedens am 6. bis 8. Mai 1988 erhalten, in der visuellen Form der Murales, großflächiger gepinselter Wandmalereien, die in den 20er Jahren in Mexiko entstanden und über Chile von der Studentenbewegung aufgegriffen wurden. Ein schon etwas mitgenommenes Beispiel hat im Zugang zur Bahnhofsunterführung überdauert. (17.05.2015)

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Visuelle Relikte aus vergangenen Studienzeiten. Foto: St.-P. Ballstaedt

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Auftritt des Canto General am 20.Oktober 1977 mit einem Transparent im Murales-Stil über Chor und Orchester. Es kopiert ein chilenisches Original. Foto: unbekannt.

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Ampelpärchen

In meinen Vorlesungen zur visuellen Kommunikation habe ich gern Ampelfiguren in den verschiedenen Ländern dazu benutzt, um über nationale visuelle Stereotype nachzudenken. Nach der Wende waren die ehemaligen DDR-Ampelfiguren ein beliebtes Thema. Jetzt bekommt die Forschung neues Material. In Wien wurden als Vorbereitung des Life Balls (Benefiz-Veranstaltung zu Gunsten von HIV-Infizierten), des Eurovision Song Contests und der Regenbogenparade schwule, lesbische und heterosexuelle Pärchen eingeführt. Sie sollen für mehr Toleranz werben und die Verkehrssicherheit (welche?) erhöhen. Die Auswirkung der Ampeln wird wissenschaftlich evaluiert. (16.05.2015)

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Die Liebe höret nimmer auf. Neue Ampelfiguren in Wien. Quelle: Kronenzeitung

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Partnersuche

Der demografische Wandel zeigt sich deutlich in den Kontaktanzeigen der Zeitungen und Zeitschriften. Eine Stichprobe der Inserate in der Südwestpresse vom 13.5. 2015: Von 13 Anzeigen sind acht Suchende Ende 50 bis 75, überraschend viele davon Frauen. Erstaunlich die erotischen Selbstbeschreibungen: Eine 75-Jährige preist ihre „weibl. Figur mit schöner Oberweite“ an, eine 70-Jährige bietet „frauliche Rundungen“, eine 62-Jährige lockt „mit schöner Figur u. sehr sanfter femininer Ausstrahlung“ und eine Endsechzigerin ist „kein Omatyp“. Da freue ich mich richtig auf eine Zukunft als unwürdiger Greis. (15.05.2015)

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Snow White

Schneewittchen ist das 53. Märchen aus den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. In der Erstausgabe von 1812 hieß es noch Sneewittchen, aus dem Niederdeutschen snee und dem Althochdeutschen und wīʒ = witt = leuchtend, glänzend, hell. Schneewittchen ist also Schneeweißchen. Das Mädchen „war so weiß wie Schnee, so rot wie Blut, und so schwarzhaarig wie Ebenholz“. Der moderne visuelle Prototyp von Schneewittchen geht auf den ersten abendfüllenden Disney-Zeichentrickfilm „Snow White and the Seven Dwarfs“ aus dem Jahr 1937 zurück.

Der vor einem Jahr verstorbene Politikwissenschaftler Iring Fetscher hat die Ur-Fassung des Märchens rekonstruiert: Schneewittchen als Klassenkämpferin mit den Zwergen als Partisanenkollektiv und das Spieglein an der Wand als Allegorie der Geheimpolizei. Die Brüder Grimm haben uns mit einer entschärften Fassung eingelullt. (14.05.2015)

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Das Disney-Schneewittchen mit dem vergifteten Apfel, die Stadt Lohr hat sich an diesem visuellen Prototyp orientiert. Quellen: Amazon, Mainpost

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Horrorwittchen

Lohr am Main im Spessart ist nicht gerade eine bekannte touristische Adresse. Da hat sich das Stadt-Marketing etwas ausgedacht. Ein Lohrer Apotheker, Dr. Karlheinz Bartels, hatte mit den wissenschaftlichen Methoden der Fabulologie herausgekommen, dass das Schneewittchen aus dem Grimm`schen Märchen in Lohr geboren wurde. Vorbild der Märchenprinzessin ist die 1725 geborene Maria Sophia Margaretha Catharina von Erthal, die im Lohrer Schloss zur Welt kam. Lohr ernannte sich zur Schneewittchenstadt. Es gibt einen Schneewittchen-Wanderweg, einen Schneewittchen-Kuchen und das Ehrenschneewittchen ist Verona Pooth! Ein Schneewittchen-Kunstpreis wurde ausgeschrieben und den gewann der Bildhauer Peter Wittstadt. Aber als er sein Modell präsentierte, ging ein Schock durch die Stadt, denn das anmutige Schneewittchen sah aus wie ein hageres Gespenst mit Stummelärmchen und struppigen Haaren. Die Aufregung um die vom Stadtrat inzwischen abgesegnete Skulptur inspirierte den Gymnasiasten Valentin Lude zu einem Grafitto, auf dem Schneewittchen mit gezücktem Messer auf die sieben Zwerge losgeht. Und dieses Horrorwittchen ist jetzt ein großer Verkaufsschlager auf den üblichen Produkten wie T-Shirts und Tassen oder als Aufkleber für beliebige Gegenstände. Das ist doch eine schöne Geschichte zur visual Culture. (13.05.2015)

Nachtrag 11.04.2019: Ziemlich genau vier Jahre stand hier ein Foto des Grafitto, das ich nicht selbst gemacht , sondern ohne Lizenz übernommen habe. Das war falsch, aber damals war ich noch blauäugig. In meinem Impressum weise ich darauf hin, dass ich Ansprüchen nachkomme, wenn sie mir gemeldet werden. Am 10.04.2019 hat sich eine Kanzelei bei mir gemeldet, die die Ansprüche der dpa Picture-Alliance GmbH vertritt: Schadensersatz, Dokumentationskosten, Zinsen und Rechtsanwaltgebühren, insgesamt 375,88 Euro. Das ist viel für ein popeliges Bild, dass ich trotz Schadenersatzleistung nicht weiter verwenden darf. Mein Fehler, aber ich hätte es bei meiner nichtkommerziellen Site fairer gefunden, die dpa hätte sich bei mir gemeldet, statt  gleich die Juristen auf mich anzusetzen.

 

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