Author Archive | SP Ballstaedt

Snow White

Schneewittchen ist das 53. Märchen aus den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. In der Erstausgabe von 1812 hieß es noch Sneewittchen, aus dem Niederdeutschen snee und dem Althochdeutschen und wīʒ = witt = leuchtend, glänzend, hell. Schneewittchen ist also Schneeweißchen. Das Mädchen „war so weiß wie Schnee, so rot wie Blut, und so schwarzhaarig wie Ebenholz“. Der moderne visuelle Prototyp von Schneewittchen geht auf den ersten abendfüllenden Disney-Zeichentrickfilm „Snow White and the Seven Dwarfs“ aus dem Jahr 1937 zurück.

Der vor einem Jahr verstorbene Politikwissenschaftler Iring Fetscher hat die Ur-Fassung des Märchens rekonstruiert: Schneewittchen als Klassenkämpferin mit den Zwergen als Partisanenkollektiv und das Spieglein an der Wand als Allegorie der Geheimpolizei. Die Brüder Grimm haben uns mit einer entschärften Fassung eingelullt. (14.05.2015)

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Das Disney-Schneewittchen mit dem vergifteten Apfel, die Stadt Lohr hat sich an diesem visuellen Prototyp orientiert. Quellen: Amazon, Mainpost

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Horrorwittchen

Lohr am Main im Spessart ist nicht gerade eine bekannte touristische Adresse. Da hat sich das Stadt-Marketing etwas ausgedacht. Ein Lohrer Apotheker, Dr. Karlheinz Bartels, hatte mit den wissenschaftlichen Methoden der Fabulologie herausgekommen, dass das Schneewittchen aus dem Grimm`schen Märchen in Lohr geboren wurde. Vorbild der Märchenprinzessin ist die 1725 geborene Maria Sophia Margaretha Catharina von Erthal, die im Lohrer Schloss zur Welt kam. Lohr ernannte sich zur Schneewittchenstadt. Es gibt einen Schneewittchen-Wanderweg, einen Schneewittchen-Kuchen und das Ehrenschneewittchen ist Verona Pooth! Ein Schneewittchen-Kunstpreis wurde ausgeschrieben und den gewann der Bildhauer Peter Wittstadt. Aber als er sein Modell präsentierte, ging ein Schock durch die Stadt, denn das anmutige Schneewittchen sah aus wie ein hageres Gespenst mit Stummelärmchen und struppigen Haaren. Die Aufregung um die vom Stadtrat inzwischen abgesegnete Skulptur inspirierte den Gymnasiasten Valentin Lude zu einem Grafitto, auf dem Schneewittchen mit gezücktem Messer auf die sieben Zwerge losgeht. Und dieses Horrorwittchen ist jetzt ein großer Verkaufsschlager auf den üblichen Produkten wie T-Shirts und Tassen oder als Aufkleber für beliebige Gegenstände. Das ist doch eine schöne Geschichte zur visual Culture. (13.05.2015)

Nachtrag 11.04.2019: Ziemlich genau vier Jahre stand hier ein Foto des Grafitto, das ich nicht selbst gemacht , sondern ohne Lizenz übernommen habe. Das war falsch, aber damals war ich noch blauäugig. In meinem Impressum weise ich darauf hin, dass ich Ansprüchen nachkomme, wenn sie mir gemeldet werden. Am 10.04.2019 hat sich eine Kanzelei bei mir gemeldet, die die Ansprüche der dpa Picture-Alliance GmbH vertritt: Schadensersatz, Dokumentationskosten, Zinsen und Rechtsanwaltgebühren, insgesamt 375,88 Euro. Das ist viel für ein popeliges Bild, dass ich trotz Schadenersatzleistung nicht weiter verwenden darf. Mein Fehler, aber ich hätte es bei meiner nichtkommerziellen Site fairer gefunden, die dpa hätte sich bei mir gemeldet, statt  gleich die Juristen auf mich anzusetzen.

 

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Komposita

Die Komposition ist in der deutschen Sprache eine wichtige Art der Wortbildung. Sie folgt einem Prinzip der Sprachökonomie: In einem Wort werden Aussagen verdichtet, die sonst nur mit Nebensätzen oder Attributen formuliert werden können. Statt einer Pauschale, welche die Kosten dämpft, wird von einer Kostendämpfungspauschale gesprochen. Die zusammengesetzten Wörtern folgen einem regressiven Konstruktionsprinzip: Das letzte Morphem (Grundmorphem) wird von dem vorangestellten Morphem bestimmt (Bestimmungsmorphem): Eine Schirmmütze ist eine Mütze mit einem Schirm, ein Mützenschirm ist ein Schirm an einer Mütze.

Die Kehrseite dieser Ökonomie: Je mehr Morpheme zusammengezogen werden, desto schwerer verständlich wird das Wort. Denn der Leser oder Hörer muss auf das letzte Morphem warten, bevor er das gesamte Wort verstehen kann. Dadurch wird leicht die Kapazität des Kurzzeitspeichers überlastet: Die vorderen Morpheme sind vergessen, wenn man das letzte Morphem aufnimmt.

Die längsten im Dudenkorpus verzeichneten Komposita: Schauspielerbetreuungsflugbuchungsstatisterieleitungsgastspielorganisationsspezialist Steuerentlastungsberatungsvorgesprächskoalitionsrundenvereinbarungen.

Und zum Abschuss noch eine Geschichte: Es war einmal ein See, an dessen Ufer lag immer Schnee, darum nannten ihn alle Leute nur Schneesee. Um diesen Schneesee wuchs Klee, der Schneeseeklee, der wuchs rot und grün, und darin äste ein Reh, das Schneeseekleereh, und dieses Schneeseekleereh wurde von einer Fee geliebt, der überaus anmutigen Schneeseekleerehfee. Usw. usw. (11.05.2015).

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Stundenglas

Die Sanduhr als Zeitmessgerät ist etwa seit Anfang des 14. Jahrhunderts bekannt. Das Stundenglas ist nach Gustav Jung ein archetypisches Symbol der verrinnenden Zeit und der Vergänglichkeit.

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Die erste Abbildung einer Sanduhr findet sich auf dem 1338 von Ambroglio Lorenzetti gemalten Fresko „Allegorie der Guten Regierung“ im Rathaus von Siena. Quelle: Wikimedia Commons.

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Dieses Stundenglas habe ich als Aufkleber an vielen Laternenmasten in Krems gefunden, aber bisher nirgends im Web. Foto: St.-P. Ballstaedt (09.05.2015)

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Reihern

Das deftige Wort kommt in der Bedeutung „erbrechen“ Ende des 19. Jh auf, auch die Redewendung „kotzen wie ein Reiher“. Der Reiher füttert seine Jungen aus einem Kropf, er würgt die hastig verschlungene Nahrung wieder heraus.

Der Reiher hat in verschiedenen Kulturen symbolische Bedeutung: Im alten Ägypten ist er wegen des langen Schnabels ein Symbol des Ergründens verborgener Wahrheiten, in China steht er für den richtigen Weg. Für die Kirchenväter war speziell der Graureiher wegen seines aschfarbenen Gefieders ein Symbol der Buße. Da er  auch Schlangen frisst, wird er auch zum Symbol für Christus. (07.05.2015)

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Ein Graureiher lauert auf Beute im Goldersbachtal bei Bebenhausen. Foto: St.-P. Ballstaedt

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Kunstmüll

Kunst

Inzwischen ist der Spruch auch an Tübingens Wänden angekommen. Es ist der Titel eines Buches von Christian Saehrendt (2012), in dem Geschichten berichtet werden, die sich um die Documenta in Kassel ranken. Verbreitet sind Anekdoten, in denen Kunstwerke von Beuys zum Gläserspülen zweckentfremdet (die Säuglingsbadewanne) oder von sauberkeitsbewussten Putzfrauen oder Hausmeistern entsorgt wurden (die Fettecke). Damit wird unterstellt, dass moderne Kunst und Müll nicht immer unterscheidbar sind. Foto: St.-P. Ballstaedt (05.05.2015)

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Katzentatzen

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Auf einem Garagentor und einer Mauer in der Gottlieb-Olpp-Straße. Die Botschaft verweist auf das Netzwerk Indymedia. Foto: St.-P.Ballstaedt (30.05.2015)

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Körperwelten

In Berlin hat jetzt eine Ausstellung des Anatoms Gunther von Hagens einen festen Standort im Sockel des Fernsehturms am Alexanderplatzes gefunden.

Die Ganzkörper-Plastinate zeigen eindrücklich, welch einen komplexen Organismus die Evolution hervorgebracht hat. Dass ich vor präparierten Leichen stehe, muss ich mir bei der plastikähnlichen Konsistenz immer wieder bewusst machen. Ob allerdings die Posen als Sportler oder Liebespaar sinnvoll sind, darüber kann man unterschiedlicher Meinung sein. Ästhetisch sind die Plastinate auf jeden Fall, sie laden zu sehr genauem Hinschauen ein.

Wohl um von dem nekrophilen Ambiente abzulenken, ist die Ausstellung stark didaktisiert: Über den Aufbau und die Funktionen des Körpers bekommt man in Text und Videos sehr verständlich aufbereitete Informationen. Unerfreulich anzuschauen sind die vielen kranken Organe: Leberzirrhose, Krebsgeschwüre, Raucherlungen usw. Angeblich haben Besucher nach der Ausstellung ihren Lebenswandel geändert. (29.04.2015)

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Ein Exponat aus den Körperwelten. Quelle: Paul Stevenson, Wikimedia Commons

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Reinigung

Grafitto-Teufel

Der Schrecken der Potsdamer Sprüher: das Auto des Graffiti-Entfernungsdienstes. Foto: St.-P. Ballstaedt (28.04.2015)

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