Pack und Arschgeigen

Vizekanzler und SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel hat die Flüchtlingsfeinde in Heidenau als Pack bezeichnet. Pack bedeutet ursprünglich Bündel oder Ballen (mit Sack und Pack) und wird dann auf deren Träger erweitert. Konkret gemeint sind Personen im Tross einer Militäreinheit, zu denen Marketender (Händler), Quacksalber, Prostituierte usw. gehörten, daher die abwertende, pejorative Bedeutung (Pack schlägt sich, Pack verträgt sich). Eine Steigerung ist das Lumpenpack, dessen Bündel nur aus armseligen Lumpen besteht. Dieselbe Entwicklung hat das französische Wort Bagage genommen.

Falin Urlaub, der Sänger der „Ärzte“ hat die Flüchtlingsfeinde in der FR Arschgeigen genannt. Woher das Schimpfwort kommt, ist nicht ganz klar. Das Hin- und Herbewegen des Bogens hat wohl die Übertragung auf den Koitus inspiriert: „Sie lässt sich gern geigen“ oder abschätzig „Geige“, so wurde über eine sexuell aktive Frau geredet. Arschgeige könnte also auf Analverkehr verweisen, sicher ist das aber nicht. Im Volksmund wird Arschgeige als Versager verstanden.

Wer ein Schimpfwort benutzt, ist sich des etymologischen Hintergrunds natürlich nicht bewusst. Während man Falin Urlaub als Punkrocker die Arschgeigen sicher durchgehen lässt, wird diskutiert, ob Sigmar Gabriel als Politiker mit Pack nicht daneben gegriffen hat. Darf ein Politiker eine – wenn auch unerfreuliche Gruppe – seines Landes verbal ausgrenzen? Kann man nicht Stellung beziehen, ohne sprachlich zu diskriminieren? (27.08.2015)

Meine etymologischen Quellen: Küpper: Wörterbuch der deutschen Umgangssprache II, 1963; Pfeiffer: Das große Schimpfwörterbuch, 1997; Röhrich: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, 2010.

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