Author Archive | SP Ballstaedt

Biedermeier

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Biedermeier-Tapeten aus dem Hause meiner Schwiegermutter in Kirchentellinsfurt. Foto: St.-P. Ballstaedt (07.10.2014)

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Marterln

Sie gehören zu den religiösen Kleindenkmälern und sind nur in den Alpenländern verbreitet. Mit ihnen wird an Einzelpersonen erinnert. Oft in Versform, manchmal mit Bild berichten sie über die Unfälle oder Krankheiten, an denen sie gestorben sind. Marterln sind Ausdruck einer unverklärten Einstellung zum Tod. (06.10.2014)

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Zwei schöne Beispiele für Marterln aus Österreich. Foto: Fritz Lehmann (mit herzlichem Dank).

Der Text des ersten Marterl: Hier ruht der Brugger von Leichteithen, er starb an einem Blasenleiden. Er war schon je ein schlechter Brunzer, drum bet für ihn ein Vaterunser.

Der Text des zweiten Marterl: Christ steh still und bet a bissl, hier liegt der Bauer Jakob Nissl. Zu schwer mußte er büßen hier, er starb an selbstgebrautem Bier.

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Rechtschreibung

Seit Jahren versuche ich, Studierenden die deutsche Rechtschreibung beizubringen. Nach dem Hin-und-Her der Rechtschreibreform ist die Ansicht verbreitet, Rechtschreibung sei nicht nur lästig, sondern auch überflüssig, da sich die Regeln ohnehin beliebig ändern. Rechtschreibtests fallen meist verheerend aus, sie werden als reine Schikane angesehen, denn es gibt ja Korrekturprogramme. Aber jetzt lese ich in der kostenlosen Schweizer Pendlerzeitung 20Minuten, dass die Linguistin Christa Dürscheid an der Uni Zürich herausbekommen hat, dass in Partnerbörsen im Internet auch Rechtschreibung und Grammatik entscheiden: „Fehlerhafte Rechtschreibung wirkt genauso abschreckend wie eine ungepflegte Frisur.“ Endlich habe ich ein Argument, dass korrektes Schreiben wichtig ist. Zumindest für eine erfolgreiche Paarung. (04.10.2014)

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Wegweiser

Katastrophenweg

Gern befahren und begangen: der Katastrophenweg (am Kaiserstuhl). Foto: St.-P. Ballstaedt (02.10.2014)

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Sterben

„In einer Minute, einer Sekunde“, dachte er. Das Steigen hielt inne. Und wie ein Stein zwischen Steinen, ging er in der Freude seines Herzens wieder in die Wahrheit der unbeweglichen Welten ein. (Albert Camus: Der glückliche Tod. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1972)

Er sank hinunter, fühle sich aber alles andere als besiegt, ganz und gar nicht dem Untergang geweiht, nur darauf aus, wieder Erfüllung zu erleben, und dennoch wachte er nicht mehr auf. Herzstillstand. Er war nicht mehr, befreit vom Sein, ging er ins Nichts, ohne es auch nur zu merken. Wie er es befürchtet hatte von Anbeginn. (Philipp Roth: Jedermann. München: Carl Hanser, 2006)

Er hörte sein eigenes Herz. Und er lauschte der Stille, als es zu schlagen aufhörte. Geduldig wartete er auf den nächsten Herzschlag. Und als keiner mehr kam, ließ er los und starb. (Robert Seethaler: Ein ganzes Leben. Berlin: Hanser, 2014)

Die Finger lockerten den Griff, und das Buch, das sie gehalten hatten, rutschte langsam und dann immer rascher über den reglosen Leib und fiel in die Stille des Zimmers. (John Williams: Stoner. München: DTV)

Meine liebsten literarischen Beschreibungen des Sterbens, außer bei Seethaler die letzten Sätze des Romans. (01.10.2014)

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Aufkleber

Alpha_Omega

Aufkleber in Tübingen mit einem Motiv von Banksy: Consumer Jesus. Welche – vermutlich kirchliche – Organisation sich hinter Alpha und Omega verbirgt, habe ich nicht herausgefunden. Foto: St.-P. Ballstaedt (30.09.2014)

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Zifferblätter

Wer sich Anfang des 19. Jahrhunderts eine Wanduhr anschaffte, konnte das Zifferblatt getrennt vom Uhrwerk auswählen. Beim Ziffernblatt wurde eine bewährte Auswahl von Motiven angeboten, z. B. Blumen oder Szenen aus dem bäuerlichen Leben. Man konnte aber auch ein Motiv eigener Wahl in Auftrag geben. Das Zifferblatt war damit unabhängig von der Zeitangabe eine Wandzierde wie ein Tafelbild. Die Schwarzwaldstadt Furtwangen, im 19. Jahrhundert ein Zentrum der Uhrenindustrie, zeigt im Deutschen Uhrenmuseum viele Beispiele für die Gestaltung der Zifferblätter, auch für den Export in andere Länder. Nach dem 1. Weltkrieg ging die Uhrenproduktion zu Ende, es blieb die Feinwerktechnik an der Hochschule. Aber Zifferblätter mit alten Motiven kann man noch als Souvenir erwerben (29.09.2014)

Zifferblätter

Auswahl bemalter Zifferblätter in der Hexenlochmühle im Schwarzwald. Foto: St.-P. Ballstaedt

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Pietät

Pietät

Sechs Verhaltensverbote am Eingang einer Moschee in Mostar. Foto: Max Steinacher (25.09.2014)

November 2012 Belgrad 109

Nachtrag: Noch eine Serie von Verhaltensvorschriften an einer Bank in Belgrad. Ärgerlich: Man darf kein Eis essen und keine Waffe mitbringen. Foto: Wolfgang Scherer (mit herzlichem Dank)

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Aufmacher

Eine kleine Ausstellung im Tübinger Schloss „Aufmacher. Titelstorys deutscher Zeitschriften“ zeigt, wie man aus der Analyse von Zeitschriften-Titelblättern den Zeitgeist rekonstruieren kann. Headlines und Eye-Catcher sind persuasive Mittel, um Aufmerksamkeit zu erregen und einen Kaufwunsch anzuregen. Acht gesellschaftliche Kernthemen werden mit Covern dokumentiert. Interessant ist das methodische Vorgehen, bei der die Rhetorik als Platzhirsch sich semiotische sowie kommunikations- und medienwissenschaftliche Analysen einverleibt. Die Ausstellung geht in wenigen Tagen (28.9.) zu Ende, wenn man sie nicht gesehen hat, kann man auf einen Katalog zurückgreifen, der das Projekt in Bild und Text ausführlich dokumentiert. (24.09.2014)

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Vorbildlich dokumentiert: Katalog und Beiheft zur Ausstellung. Quelle: www.aufmacher-ausstellung.de/index.php/ausstellung

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Witzgenres

Es gibt immer wiederkehrende Themen im Witz gibt, ja feste Witzgenres: Ärztewitze, Militärwitze, Pfaffenwitze, Sexwitze, Beamtenwitze, Irrenwitze. Es gibt aber auch einen deutlichen Wandel der Witzthemen: Im Mittelalter kursierten viele Witze über die menschlichen Ausscheidungen: sogenannte Kapifu-Witze (Kacken, Pissen, Furzen). Im Zeitalter des Biedermeier kommen die Schwiegermutterwitze auf, die bis heute beliebt sind. Die Dienstbotenwitze sind hingegen weitgehend verschwunden. Witze über Frauen (Blondinen) sind verbreitet, aber inzwischen feministisch eingeholt von ebenso herzhaften Witzen über Männer. Rentnerwitze gibt es seit den Neunzigerjahren, sie haben die harmlosen Opa-und-Oma-Witzchen abgelöst. Tübinger Gogenwitze kommen keine neuen mehr auf, aber andere Gruppen wie Ossis und Wessis oder neuerdings Banker sind Zielscheibe des Spotts. Es gibt Witzmoden, wobei es eine spannende Frage bleibt, woher Witze eigentlich kommen: Haben sie einen Autor, sozusagen einen Witzbold, der sie erfindet? (21.09.2014)

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