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Der Schwenk

Soviel Aufmerksamkeit hatte die FDP seit langem nicht mehr. Die „tagesschau“ berichtete vom Dreikönigstreffen in Stuttgart und zeigte in dem Beitrag einen Schwenk von den Beinen der Frau Katja Suding – die Hamburger FDP-Spitzenkandidatin – auf ihr Gesicht. Mir fiel diese Kameraführung gleich auf, sie ist natürlich nicht fein oder sogar sexistisch. Der ARD-aktuell-Chefredakteur Kai Gniffke entschuldigte sich bei der Politikerin. Trotzdem freut es mich , dass in der seriösen „tagesschau“ ein solcher Fauxpas möglich ist. Nach diesem Vorfall werden die Kameraleute sicher nach neuen Kriterien ausgewählt und ausgebildet. (08.01.2015)

Beine

Das machen nur die Beine von Dolores, dass die Señores nicht schlafen geh’n. Startbild eines langsamen Schwenks nach oben. Screenshot: St.-P. Ballstaedt

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Feudeln

Ein Verb, das ich lange nicht mehr gelesen habe. Feudeln bedeutet einen Fußboden nass reinigen, der Scheuerlappen dazu ist der Feudel. Das Wort steht im Duden, aber nicht im Grimm’schen Wörterbuch. Der Feudel ist in Norddeutschland seit 1755 belegt. Die genaue Herkunft ist unklar, das französische Wort „faille“ für Mantel wird in Kluge’s Etymologischem Wörterbuch als Ursprung angegeben. Im Wortschatz der Uni Leipzig habe ich eine schöne Belegstelle aus den Stuttgarter Nachrichten (26.1.2011) gefunden: „Die Nordlichter klärten sie darüber auf, dass sie mit dem Feudel feudeln – und fragten höhnisch, ob Schwaben mit dem Putzlumpa putzlumpeln würden? (07.01.2015)

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Ein Feudel zum feudeln. Quelle: Huhu Uet, Wikimedia Commons

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Bookcrossing

Heute habe ich in der Stadt in einem trockenen Winkel eine Ausgabe von Cervantes „Don Quijote de la Mancha“ gefunden, mit einem Aufkleber „Buch auf Reisen“.

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Was steckt dahinter? Eine Aktion, die man auf der Site Bookcrossing nachlesen kann. Um teilzunehmen, muss man sich dort registrieren. Dann nimmt man ein Buch, meldet dies auf der Site an und bekommt dafür einen Code.  Nun klebt man ein offizielles Bookcrossing-Etikett mitsamt dem Code in das Buch, geht hinaus in die Welt und lässt das Werk frei: im Café, auf einer Bank, bei der Arbeit, in der Bahn. Irgendjemand wird das Buch finden, es vielleicht lesen und auf der Bookcrossing-Site eintragen, wo er das Buch gefunden hat. Anschließend setzt er es wieder irgendwo aus. Bislang haben etwa 1,5 Millionen Bookcrosser etwa 9,5 Millionen Bücher registriert. (04.01.2015)

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Adhultras

Ein neuer Aufkleber klebt in Tübingen, der mir wieder einmal Rätsel aufgibt. Die Botschaft ist klar, aber wer ist der Absender? Ich vermute die Punk- und Ultra-Szene, dafür sprechen die Frakturbuchstaben und das Logo mit der geschwenkten Fahne. (03.01.2015).

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Die Initialen ergeben ADHS = Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom. Aber macht das Sinn? Foto: St.-P. Ballstaedt

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Scheherazade

Scheherazade ist die Tochter des Wesirs des persischen Königs Schahrayâr. Dieser wurde von seiner Frau mit einem schwarzen Sklaven betrogen. Davon überzeugt, dass  keine Frau treu sein kann, fasst er den Entschluss, sich nie wieder von einer Frau betrügen zu lassen. Er heiratet  jeden Tag eine neue Frau, die er am nächsten Morgen töten lässt. (02.01.2015)

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Ein Beispiel für Warenästhetik: Scheherazade auf einer Packung Basmati-Reis. Foto: St.-P. Ballstaedt

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Auf den Hund gekommen

Sodomie

Dieses Piktogramm bedeutet nicht , dass man hier keine Hunde ausführen darf, sondern richtet sich gegen Sex mit Tieren. Setzen wir einmal das semiotische Seziermesser an: 1. Der rote Rand ist gewöhnlich ein Symbol für Verbot (siehe Verkehrszeichen), was verboten ist, wird darin ikonisch abgebildet. 2. Die rote Durchstreichung ist ein Symbol der Verneinung, damit haben wir es hier mit einer doppelten Verneinung und deshalb mit einer Bejahung zu tun. 3. Piktografische Botschaften sind immer an einen spezifischen Ort gebunden: Die durchgestrichene Zigarette bedeutet: Hier ist Rauchen verboten, aber es ist kein generelles Verbot des Rauchens. 4. Fazit: Das Piktogramm bedeutet: Hier ist Sodomie erlaubt! Foto: St.-P. Ballstaedt (31.12.2014)

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Professx

Der Sprachwissenschaftler Lann Hornscheidt möchte weder als Mann noch als Frau, sondern geschlechtsneutral mit sehr geehrtx Profx (ausgesprochen geehrtiks Professiks) angesprochen werden. Er bzw. es knüpft an die feministische Kritik an der Sprache an, in der sich Diskriminierungen verfestigt haben: „Sprache ist sexistisch, wenn sie Frauen und ihre Leistungen ignoriert; sie ist sexistisch, wenn sie Frauen in Abhängigkeit von oder Unterordnung zu Männern beschreibt und wenn sie Frauen nur in stereotypen Rollen zeigt; sie ist sexistisch, wenn sie Frauen durch herablassende Ausdrücke demütigt und lächerlich macht“ (Marlis Hellinger & Christine Bierbach, 1993, S. 1). Um eine geschlechtsneutrale Sprache bemühe ich mich: Ich gehe zu meiner Ärztin und unterrichte Seminarteilnehmende. Provokante Änderungen wie das phallisch aufragende Binnen-I oder die Einführung neuer Wörter wie Gästin oder Frauschaft habe ich nicht mitgemacht. Ein neues Wort hat eine Chance, wenn es einen in den Köpfen bereits vorhandenen Begriff benennt oder wenn das Wort einen neuen Begriff einführt. Für ein neues Wort muss es eine pragmatische bzw. kommunikative Notwendigkeit geben. Das Wort „sitt“ für „nicht mehr durstig“ hat sich auch nicht durchgesetzt (vielleicht gib es den Zustand überhaupt nicht ;-). Lann Hornscheidt will aber nicht nur Wörter einführen, sondern gleich die Grammatik durch Kreation eines neuen Suffixes ändern. Auch die Grammatik wandelt sich langfristig, aber nicht durch Setzung einzelner Sprachaktivisten, die dann von eine „Abwehr gegen sprachliche Veränderungen“ beklagen, wenn ihre Vorschläge nicht angenommen werden. Zudem ändern neue Benennungen oder grammatische Regeln vorhandene nichtsprachliche Diskriminierungen nicht. So einfach sollte man sich den Zusammenhang zwischen Sprache und Denken nicht vorstellen. (30.12.2014)

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FriedWald und RuheForst

Wenn ein Hirsch, Reh oder Wildschwein durch den Wald trabt, kann das Wild neuerdings auf zwei Logos treffen: Die Firmen FriedWald aus Griesheim und RuheForst aus Erbach betreiben in ganz Deutschland Bestattungswälder, in denen man die Urne im Waldboden versenken lassen kann. „Friedhofsbestattungen verlieren ihre Monopolstellung“, so ein Einleitungssatz in einer aktuellen Studie von Michael Handke: Der Markt für Bestattungswälder in Deutschland aus wirtschaftsgeografischer Sicht. In: Hgg-Journal 28, 2013/14, S.19-30. Der jeweilige Baum lässt sich für die Angehörigen durch eine Nummer oder über GPS-Koordinaten finden. (28.12.2014)

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Die Wort-Bild-Logos vermeiden bildlich jede Assoziation zum Tod und zeigen grüne stilisierte Bäume.

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Gehwege

Winterspaziergang. Im Abstand von etwa 10 Metern zwei Schilder mit einem Abstand von 22 Jahren: Fußgängerweg gültig ab 28.4.1970 und Sonderweg für Fußgänger ab 1.7.1992 (Zeichen 239 der StVO). Beide zeigen vor blauer Ronde die Silhouetten einer Frau mit einem Kind   Die ältere Variante bildet eine Frau mit elegant anliegendem Kleid ab, die neuere Variante zeigt stilisierte Figuren, die Frau mit einem Glockenrock. Dieses für moderne Weiblichkeit eher untypische Kleidungsstück findet man auch auf vielen Toilettenpiktogrammen. (28.12.2014)

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Gehwege für Frauen mit Kind. Und was ist mit den Männern? Foto: St.-P. Ballstaedt

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Andreas-Kreuz

Viele Zeichen habe eine interessante Geschichte. Der Apostel Andreas soll als Märtyrer an einem Diagonalkreuz gestorben sein. In der mittelalterlichen Ikonografie wird das Andreaskreuz deshalb zum Symbol für das Bekenntnis zu Christus. Aber es wird auch in zahlreichen nicht religiösen Kontexten auf Fahnen und Wappen oder als Markierung von Wanderwegen benutzt – oft in Anlehnung an das griechischen Chi oder die römischen Zehn. Was aber im Dunklen bleibt: Wie ist das Andreas-Kreuz zum Warnsymbol vor allerlei Gefahren geworden, z.B. in der Chemie, im Bergbau oder an Bahnübergängen? Neuerdings stehen gelbe Kreuze auch als Warnung vor der Atomkraft. Diesen Bedeutungswandel kann ich bisher nicht nachvollziehen. (27.12.2014)

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Das Andreas-Kreuz in sakraler und profaner Verwendung: Der Heilige Andreas, Statue von Andreas Faistenberger, Mitte 18. Jh., in der Peterskirche, München: Quelle: Furukama, GNU Free Documentation Licence. – In der BDSM-Szene werden „die lustvollsten und qualvollsten Andreaskreuze“ im Rahmen von Bondage- und SM-Praktiken verwendet. Quelle: Raimond Spekking /CC BY-SA-4.0 via Wikimedia Commons. – Ein Andreas-Kreuz als Zeichen 201 der Straßenverkehrsordnung an Bahnübergängen.

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