In einer Witzsammlung von Otho Melander aus dem Jahr 1617 kann man folgenden Witz lesen:
Von einem Artzt
Ein Artzt zoge von Rhom gen Athen / unnd wolt daselbsten die Griechische Sprach lernen. Da er nu die Grammatic durchlesen / und ein wenig Fundament darinn geleget hatte/ fieng er an Homerum zulesen / welcher dann viel vom Trojanischen Krieg geschrieben /sagt endlich: Da Achilles so hoch zu rühmen ist /weil er tappferlich für die Griechen gestritten / unnd viel umbs Leben bracht hat /wieviel mehr wird mich dann Griechenland preissen / in dem mein Kunst noch etwas grössers hinder sich hat /dann ich brauch nicht Wehr und Waffen /sondern schöne Kreuter /Wurtzeln unnd dergleichen /damit schick ich mehr Leuth auff den Kirchhof und unter die Erden /als Achilles jemals mit seinen Waffen erwürget hat.
Dass Ärzte ihre Patienten unter die Erde bringen, ist ein uraltes Witzmotiv, aber diese alte Variante wirkt auf uns nicht witzig, der Witz ist narrativ langatmig, es fehlt die zündende Pointe. Eine zweite Variante des Witzmotivs stammt aus den Fliegenden Blättern 1920:
Ausgerottet
„Hatten Sie nicht früher eine zahlreiche Verwandtschaft?“ – „Ja, aber vor einigen Jahren hat doch ein junger Arzt in unsere Familie geheiratet….“
Während beim Witz von 1617 das Verstehen explizit sprachlich angeleitet wird, bleibt beim Witz von 1920 viel implizit und muss zum Verstehen erschlossen werden. Und es geht noch knapper bei Otto, in der Presse gern als Blödelbarde bezeichnet:
„Schwester! – Zange! – Tupfer !– Sterbeurkunde!“
Das Witzmotiv zeigt eine Tendenz zur Verkürzung, wohl weil der Verständnishorizont der Adressaten das zulässt. Witze folgen zunehmend einem Ökonomieprinzip: Mit möglichst wenig Sprache soll kognitiv viel bewirkt werden. (09.09.2016)
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