Eierannahme

Wismar

Zur Veab-Erfassung und Eierannahmestelle. Inschrift aus DDR-Zeiten, gefunden auf einem alten Gebäude im Hafen von Wismar. Mir fehlt die Fantasie, um mir eine Bedeutung auszudenken. Foto: St.-P. Ballstaedt (25.07.2014)

Nachtrag: Nach einem Kommentar weiß ich jetzt: VEAB = Volkseigener Erfassungs- und Aufkaufbetrieb (28.08.2014)

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Vögel

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Mehrdeutiger Aufkleber der Grünen Jugend auf einem Papierkorb am alten Botanischen Garten. Foto: St.-P. Ballstaedt.

Das Wortspiel ist beliebt: Zum Beispiel in dem Slogan, mit dem der Film „Die Stewardessen“ 1971 beworben wurde: SIE ERHEBEN SICH IN DIE LÜFTE VÖGELN GLEICH.  Ein Schweizer Beitrag zum Erotikfilm, mit deutscher Mithilfe von Ingrid Steeger (ab 16). Linguistisch besonders raffiniert, da lexikalisch und syntaktisch mehrdeutig. Sogar der SPIEGEL hat den Sprachscherz in einer Headline aufgegriffen: “Stewardessen. Vögeln gleich” aufgegriffen. (24.07.2014)

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Nachträge: Hier noch ein Buchtitel, den ich meiner Kollegin Dagmar Schmauks verdanke. (29.07.2014).  Ein Buchtitel, den ich noch entdeckt habe (28.08.2014) und ein Filmcover (09.06.2016).

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Noch ein Fund: Ein Großplakat des Landesbunds für Vogelschutz in Nürnberg. Quelle: http://nuernberg.lbv.de/mitvoegeln.html

Noch ein Fund: Der Nabu Mössingen lädt zu einer Vogelstimmenführung mit der Überschrift ein: “Mit Vögeln in den Sonntag starten.” (02.06.2018)

Und noch ein Fund: Am 13.11.2018 läuft in SAT.1 eine Spielfilmkomödie mit dem Titel: “Gut zu Vögeln.” In TV-Spielfilm der Flop des Tages.

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Beiguss

Was bedeutet das Wort „Beiguss“? Es ist der Versuch, ein deutsches Wort für das Lehnwort „Sauce“ zu finden. Es hat sich nicht durchgesetzt. Dabei tauchen jeden Tag neue Worte auf. Auf der Website des Projekts „Wortwarte“ kann man nachschauen, welche Wörter an einem Tag erstmals im Web vorkommen. Am 18.7. 2014 waren das: alkoholresistent, Aufheizprogramm, Crowdturfing, Dummy-Dating, Erkennungsriff, hengstig, Kampfparker, Lotrecht-Parker, Stromlinienauto, Whisper-Nachricht, Zusatzcheck. Was fällt auf: Es sind neue Komposita (Aufheizprogramm) oder Wortableitungen (hengstig), aber keine Wortstämme. So hat sich das Wort „sitt“ für „keinen Durst mehr haben“ nicht durchgesetzt, obwohl es von der Dudenredaktion abgesegnet wurde. Aber Wortstämme haben keine Chance (Ausnahme: Nogger dir einen).

Neue Wortbildungen lassen sich nicht verordnen, sie müssen die Kommunikation verbessern. Das tun sie, wenn sie wirklich etwas Neues benennen oder wenigstens eine neue assoziative bzw. konnotative Bedeutung beisteuern. Schauen wir uns einige Neubildungen des Sprachpflegers Joachim Heinrich Campe (1746 – 1818) an: Die Übersetzung „Erdgeschoss“ für Parterre ist für deutsche Ohren anschaulicher, ebenso „Streitgespräch“ für Debatte, diese Wörter haben sich durchgesetzt. „Dörrleiche“ für Mumie und „Menschenschlachter“ für Soldat sind auf der Strecke geblieben, hier sind die Konnotationen wohl zu drastisch. Das „Stelldichein“ für ein Rendezvous war lange Zeit gebräuchlich, aber steht heute auf der Liste der aussterbenden Wörter. (23.07.2014)

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Vivian Maier

Gestern war ich in dem Film „Finding Vivian Maier“. Er zeigt die detektivische Arbeit ihres Entdeckers John Maloof, der viel Bild- und Tonmaterial über die bisher unbekannte Fotografin gesammelt hat, aber Vivian Maier damit nur geheimnisvoller macht.

Sie verdiente ihr Geld als Nanny und nahm ihre Kinder mit auf die Straßen Chicagos, in die Slums und in die Schlachthöfe, vor allem um unablässig zu fotografieren. Einige 100.000 Negative hat sie in zahlreichen Kisten und Koffern hinterlassen. Warum fotografiert ein Mensch sein Leben lang und zeigt keines seiner Bilder, ja entwickelt sie teilweise gar nicht? Hatte sie kein Geld für die Entwicklung oder war ihr der Moment des Fotografierens wichtiger als das Ergebnis? War das Fotografieren ihre Art der Kommunikation mit den Mitmenschen, denn ansonsten lebte sie sehr zurückgezogen, ja menschenscheu. Sie selbst hat sich einmal als Spionin bezeichnet, Späherin in einem fremden Land. Bei den vielen Fotos von Menschen blickt sie nüchtern, aber nie entlarvend durch das Objektiv auf die condition humaine. In den vielen Selbstportraits wirkt sie ernst und etwas abwesend, mit hartem Blick, oft unvorteilhaft gekleidet in hochgeschlossenen Kleidern und Mänteln, oft mit breitkrempigem Hut. In etlichen Bildern sieht man ihren Schatten. Ihren Namen hat sie ungern angegeben, oft in verschiedenen Schreibweisen, manchmal hat sie sich einfach Smith genannt. Warum verleugnet ein Mensch sich und sein Werk? Ihr Geheimnis bleibt. (22.07.2014)

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Understanding Vivian Maier? Mein Schreibtisch beim Schreiben dieses Beitrags. Foto: St.-P. Ballstaedt

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Schnösel

Eines meiner Lieblingswörter: der Schnösel. Steht im Deutschen Wörterbuch der Grimms und im Duden, aber die Herkunft ist nicht ganz klar. Nach Heinz Küpper`s Wörterbuch der Umgangssprache leitet sich das Wort aus dem norddeutschen „Snodder“ für den Nasenschleim ab. Ein Schnösel ist ein überheblicher, eingebildeter, arroganter Kerl, der sich nicht die Nase putzt, eben eine Rotznase. Der Schnösel ist offenbar eine rein männliche Lebensform. Im treffenden Ausdruck „das Geschnösel“ lassen sich aber auch weibliche Personen subsummieren. (21.07.2014)

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Totholz

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Meine Bibliothek altert mit dem Besitzer. Zu sehen ist ein Zunderschwamm, mit dem früher Feuer entfacht wurde. Foto: St.-P. Ballstaedt (20.07.2014)

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Sütterlin

Die vom Berliner Grafiker Ludwig Sütterlin vereinfachte Form der deutschen und lateinischen Schreibschrift wurde ab 1915 in Preußen eingeführt und ab 1935 als Deutsche Volksschrift im offiziellen Lehrplan verankert. Sie gehört zu den Frakturschriften, bei denen Rundungen und Ecken abgeknickt sind. Jedes Wort wird in einem Zug mit der Feder geschrieben. Die Sütterlin ist ein eindrucksvolles Beispiel, wie stark die Bewertung von Schriften von historischen und ästhetischen Bedingungen abhängt: Die Sütterlin wirkt auf uns kompliziert, altmodisch und hat oft die Konnotation einer Nazi-Schrift. Tatsächlich wurde Frakturschrift von den Nationalsozialisten zunächst als „deutsche Schrift“ geadelt, man wollte sogar Schreibmaschinen mit Frakturschrift einführen. Dann gab es eine überraschende Kehrtwende: In einem Erlass der NSDAP wurde 1941 die Schwabacher Fraktur als „Judenschrift“ bezeichnet wurde. Von da an waren Frakturschriften unerwünscht. (19.07.2014)

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Brief an mich in Sütterlin vom 25.1. 1964. Quelle: Familienarchiv Ballstaedt

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Herausforderung für das Gehirn: Schwäbisch und Sütterlin. Graffito am Hölderlinturm in Tübingen, inzwischen übermalt. Foto: Elfriede Hornung-Ballstaedt

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Tapeten

Ich möchte an einen Aspekt der visuellen Kultur erinnern: Tapeten. Vor den Tapeten wurden die Mauern Wohlhabender mit Wandteppichen, Lederbezügen oder Stoffbehängen verdeckt. Die Herstellung von Papiertapeten beginnt bereits 1586, in Deutschland wird in Kassel 1789 die erste große Tapetendruckerei eröffnet. Nach der Produktion auf endlosen Papierrollen wurde die Tapete in den bürgerlichen Biedermeier-Wohnungen heimisch. Durch die Vielfalt an Motiven und Farbkombinationen wurden Mustertapeten zum Ausdruck individuellen Geschmacks. Der „Tapetenwechsel“ wird zur Metapher der Veränderung. Tapeten sind bis heute vor allem in Mitteleuropa verbreitet, aber unsere Wände sind meist nur noch mit Raufasertapete beklebt und einem Farbton gestrichen. Ausnahme bildet oft das Kinderzimmer, die Auswahl an kindgerechten Tapetenmotiven ist immens. Die Fototapete ist als optisch besonders aufdringliche Variante beliebt.

Das Deutsche Tapeten-Museum ist in Kassel, derzeit aber wegen Umzugs in einen Neubau geschlossen. Ein Video des Museums gibt einen kleinen Einblick in die Geschichte der Tapete.

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Verspielte Barocktapete mit floralem Muster und Biedermeiertapete mit strenger vertikaler Gliederung. Quellen: Wikimedia Commons, http://www.unserfinkenberg.de/XY01/Zaun04/T02.gif

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Mahnung

Friedhosspruch

Eingemeißelter Spruch an der Friedhofsmauer in Zwerenberg/Schwarzwald. Er stammt aus einem barocken Kupferstich, der ein Stilleben mit Totenkopf zeigt. (17.07.2014)

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Medienwandel

Heute steht in den Zeitungen, dass man im NSA- Untersuchungsausschuss den Einsatz mechanischer Schreibmaschinen für geheime Dokumente in Erwägung zieht, um sich den Spähattacken der USA zu entziehen. Was würde unser Medienarchäologe Friedrich Kittler dazu sagen, dass ein fast verschwundenes Medium in diesem Kontext wieder ein Comeback erlebt? Ich freue mich schon auf einen Agententhriller, in dem die Spione im Hotelzimmer ihre Olympia aus dem Koffer holen und hinter einer Abschirmwand einen Bericht in die Tastatur hauen. „Unser Schreibzeug arbeitet mit an unseren Gedanken“ (Friedrich Nietzsche). (15.07.2014)

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