Warenästhetik

Im Umfeld der kritische Theorie war in den 70er Jahren der Begriff der Warenästhetik in allen konsumkritischen Köpfen: Abgekoppelt vom Gebrauchswert wird der Tauschwert einer Ware erhöht, durch die Inszenierung des Produkts werden Bedürfnisse geweckt. Der Begriff der Warenästhetik verband sich mit dem marxistischen Philosophen Wolfgang Fritz Haug. Sein Buch von 1971 „Kritik der Warenästhetik“ hat er 2009 mit dem Zusatz „Gefolgt von Warenästhetik im High-Tech-Kapitalismus“ fortgeschrieben. Grundlegend hat sich wenig geändert, aber Marketing und Werbung sind jetzt wissenschaftlicher und professioneller.

Vor kurzem habe ich ein Projekt von Pundo3000 im Web entdeckt: Von 100 Lebensmittelprodukten wird Verpackung, Werbefoto und Inhalt gegenübergestellt. Schon jeder hat beim Öffnen z.B. einer Dose Sardinen festgestellt, dass das leckere Produktfoto und das tatsächliche Produkt sich nicht sonderlich ähnlich sehen. Oft wird das Produkt mit einem Serviervorschlag noch kulinarisch garniert und inszeniert. Die Gegenüberstellungen von Pundo machen wenig Appetit, aber ich habe mit Vergnügen alle hundert Produkte angeklickt. (07.07.2014)

 

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Ein Beispiel aus dem Projekt “Werbung gegen Realität”, mit freundlicher Genehmigung von Pundo3000. Guten Appetit! (ins Bild klicken, dann kann man es größer genießen)

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Historischer Humor 1

In einem Vortrag 1988 am Goethe-Institut in in München  habe ich mich damit beschäftigt, wie Witze funktionieren: Wie zündet die Pointe? Mich interessierten die kulturellen Voraussetzungen des Lachens. (Den Vortrag kann man unter Downloads herunterladen). Ausgangspunkt war meine Lektüre einiger Meggendorfer humoristischer Blätter vom Ende des 19. Jahrhunderts, die ich auf einem Flohmarkt erstanden hatte. Die Wort- oder Bildwitze konnte ich verstehen, aber fand sie nicht witzig. Ein ähnliches Erlebnis habe ich jetzt mit einem Witzheftchen aus den 60er-Jahren aus dem PABEL-Verlag: “SEXmal kurz GELACHT. Medizin für trübe Tassen“. Die Witze wirken flach und sind nur vor dem Hintergrund einer eher prüden Mentalität zu verstehen, bei der die Männer durch feminine Reize animiert werden. Die Bildwitze sind oberweitenlastig und die Sprachwitze behandeln bevorzugt das Fremdgehen. Die Adressaten des Witzheftchens sind eindeutig männlich. (03.07.2014)

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Titelblatt und zwei Bildwitze aus “SEXmal kurz GELACHT. Medizin für trübe Tassen“ aus den 60er-Jahren.

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Burka-Verbot

Semiotisch betrachtet, sind Kleidung und Mode Mittel der Kommunikation. Wer sich etwas anzieht, ist sich der Tatsache bewusst, dass oder sogar wie es auf andere wirkt. Und umgekehrt schließen wir aus der Bekleidung auch auf Botschaften des Trägers oder der Trägerin. Die Botschaft der Burka oder des Niqab ist klar: Sie bedeutet eine Abschottung von der sozialen Umwelt. Das Gesicht stellt in der Kommunikation das informationsreichste Areal dar, seine Verschleierung ist ein Versuch nicht zu kommunizieren. Und natürlich transportiert die Verschleierung eine Botschaft über die Religionszugehörigkeit und über die Rolle der Frau. Ob die Frau hinter dem Schleier ihn aus persönlicher Überzeugung trägt oder dazu aus religiösen oder patriarchalischen Gründen gezwungen wird, lässt sich nicht feststellen. Auch eine Krawatte kann ein Zeichen für Zwang und Anpassung sein.

Soll man die Burka verbieten? Nein! Die Demonstration der Religionszugehörigkeit ist nicht verboten. Sonst müsste auch der Habit von Ordensgemeinschaften aus dem öffentlichen Raum verschwinden. Und die Wahl der Kleidung ist persönlicher Ausdruck. Man muss die Wahl nicht schön finden, aber man muss sie tolerieren. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sieht richtig, dass die Gesichtsverschleierung eine kommunikative Barriere errichtet, aber ein Verbot hebt diese Barriere nicht auf. (03.07.2014)

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Anton Stankowski

Für einen Text über Technik und Kunst habe ich mich mit dem Maler, Grafiker und Fotografen Anton Stankowski befasst. Eine Abteilung mit Siebdrucken und Zeichnungen hatte ich vor ein paar Jahren zu meiner Überraschung im Kunstmuseum Gelsenkirchen gefunden, seiner Geburtsstadt. Er wurde nicht wie vorgesehen Bergmann, sondern Künstler. Eine Trennung zwischen freier und angewandter Kunst lehnt er ab und konzentriert sich auf Gebrauchsgrafik. Das hat mir gefallen, denn die Trennung zwischen reiner und angewandter Kunst habe ich nie begriffen, da ja auch die meisten Tafelbilder neben der ästhetischen auch magische, religiöse oder politische Funktionen haben. Stankowski schuf Prospekte, Kalender, Hinweisschilder, Plakate, Werbung, Logos und Grafiken für technische Dokumentation. Er arbeitete für IBM, SEL, Viessmann und entwarf zahlreiche Logos, z. B. für Rewe, Signal Iduna, die Vereinten Versicherungen. Am bekanntesten ist das Logo der Deutschen Bank. Die BILD-Zeitung titelte damals „Skandal: Maler verdient mit fünf Strichen 100 000 Mark“. Er arbeitet mit elementaren geometrischen Formen und klaren Farbflächen, den Grafiken liegen einfache Gestaltungsraster zugrunde. (01.07.2014)

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Am 13.11.2011 im Kunstmuseum Gelsenkirchen vor Bildern von Anton Stankowski.

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Paparazzi-Fotos

In „La Dolce Vita“ von Fellini taucht der Typ Paparazzo auf, dem man eine gewisse Sympathie für sein lockeres Leben nicht absprechen kann. Danach hat sich aber das Image der Paparazzi massiv verschlechtert, als lästige und skrupellose Schmarotzer der High Society, die für ein heikles Foto auch einen Menschen zu Tode hetzen, wie im Falle der Lady Di. Eine Ausstellung in der Schirn in Frankfurt zeigt eine vernachlässigte Seite des Phänomens: Viele Aufnahmen sind überzeugende und authentische Dokumente, sogar wenn sie inszeniert sind und dieser Verdacht besteht bei einigen Fotos durchaus. Denn zwischen Paparazzi und ihren Opfern besteht oft eine Art Symbiose. Hat Britney Spears wirklich ihr Höschen unter dem Mini vergessen, als sie aus dem Auto gestiegen ist? Die Paparazzi sind für die Stars und Sternchen ein Mittel des Impression Management. Künstler wie Andy Warhol und Helmut Newton haben sich für ihre Fotos interessiert. (30.06.2014)

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Schnürksen

Als Freund lautmalender Wörter habe ich gern das Verb „schnürksen“ verwendet. Der Senf schnürkst zum Beispiel mit einem etwas unappetitlichem Geräusch aus der Tube. Jetzt wollte ich die Herkunft des Wortes klären, fand das Wort aber in meinen beiden etymologischen Lexika (Kluge, Pfeifer) nicht. Ich schlage im Duden nach: Fehlanzeige. Wortschatz-Portal Leipzig: Fehlanzeige, Grimm`s Wörterbuch: Fehlanzeige. Wörterbuch der deutschen Umgangssprache von Küpper: Fehlanzeige. Sogar im Lexikon der Onomatopöien von Havlik: Fehlanzeige. Dafür bin ich bei Küpper auf die beiden vergleichbar schönen Verben „schnurgeln“ für schnarchen und „schnurpsen“ für kauen gestoßen. Google zeigt mir immerhin einen Herrn Hubert Schnürksen an, aber der Eigenname hilft mir nicht weiter. Ergebnis der Recherche: Ich habe ein Wort benutzt, dass es gar nicht gibt! (29.06.2014)

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Rentner-Witze

Das Genre des Rentnerwitzes war mir bis dato nicht bekannt, bis mir ein Büchlein dazu in den Hände fiel (bei Amazon findet man sechs zu diesem Thema). Eigentlich handelt es sich um Witze über das Altern, also um Oma-und-Opa-Witze oder Seniorenwitze. Warum sie jetzt Rentnerwitze genannt werden? Vermutlich wird die Altersgruppe 60+ nur noch unter dem Blickwinkel des Rentenbezugs wahrgenommen. Wie immer befassen sich Witze mit den peinlichen bis tabuisierten Seiten des Älterwerdens: nachlassender Sex, mit dem Untergenre des Viagra-Witzes, Zahnersatz, Prostata. Inkontinez und andere Gebrechen. Im Kommen sind Demenz-Witze, die sich mit dem klassischen Irrenwitz überschneiden. Und natürlich ist das Sterben ein Thema und dazu habe ich folgenden Witz im Web gefunden:

Zwei alte Frauen sitzen auf einer Bank vor dem Zentralfriedhof und warten auf den Bus. Da meint die eine zur anderen: “Wie alt sind sie denn?” – Antwort: “80 Jahre” – “Und da schminken sie sich noch?” Daraufhin fragt die 80-Jährige: “Und wie alt sind sie?” Antwort: “95.” – “Und da fahren sie noch heim?” (28.06.2014)

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Positives Denken

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Spontispruch an der Streetwork-Anlaufstelle in der Brunnenstraße in Tübingen. Man beachte das Glücksschweinchen! (28.06.2014)

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Verbotene Symbole

Macht es Sinn, Symbole zu verbieten? Die Innenministerien von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern haben die jetzt die Symbole des Motorradrocker-Clubs Hells Angels verboten. Untersagt ist das Tragen des Schriftzuges “Hells Angels” und des geflügelten Totenkopfes. Begründung: Bei den organisierten Rockern von Hells Angels handele es sich um eine kriminelle Subkultur. Mal abgesehen davon, dass mir noch einige Logos einfallen, die auch für kriminelle Subkulturen stehen, ist das Verbieten von Symbolen ein hilfloses Mittel. Denn die Gesinnung dahinter lässt sich nicht verbieten. Das gilt auch für das Verbot nationalsozialistischer Symbole wie das Hakenkreuz oder das SS-Abzeichen.(28.06.2014)

Hakenkreuz_durchgestrichen

Das Dagegensein war auch einmal verboten: Aufkleber in Tübingen.

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