Zigarettenschachteln

Noch eine Aufklärungskampagne mit Bildern in drei Akten:

1. Auf Zigarettenschachteln müssen in Deutschland seit 1.10.2003 Warnungen aufgedruckt werden , die 40% der Fläche einnehmen, z. B. „Rauchen kann tödlich sein“.

2. In etlichen Ländern z. B. Spanien, Frankreich, Großbritannien werden Schockbilder aufgedruckt, z. B. von einer Raucherlunge oder einem Kehlkopfkarzinom. Studien zufolge werden die Bilder länger angeschaut und haben einen emotionalen, d.h. abschreckenden Effekt. Zahlen, die belegen, dass weniger geraucht wird, liegen meines Wissens nicht vor. Gegenmaßnahme sind Überzieher, die das Bild abdecken.

3. In Australien werden seit 2012 nur Einheitspackungen (plain Packaging) erlaubt, ab 2017 ist das auch für Europa geplant. Sie sind schlammgrau, zeigen wieder ein Schockbild, der Markenname wird in einem einheitlichen Schriftzug aufgedruckt. Damit hat die Tabakindustrie keine Möglichkeit mehr, über das Layout der Schachtel irgendetwas zu kommunizieren: kein Logo, kein Bild, kein Schriftzug, keine Farbe. Nach einer  Studie aus Australien ist der Anteil der Raucher deutlich gesunken.

Unabhängig davon, ob die Effekte der Bilder valide nachgewiesen sind, frage ich mich grundsätzlich, ob derartige Schockpädagogik nicht zu weit geht. Dass Rauchen gesundheitsschädlich ist, dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben. Aber wenn wir den Ansatz zu Ende denken, dann brauchen wir auch Bilder von Leberzirrhosen auf Alkoholflaschen oder von amputieren Diabetikerbeinen auf bestimmten Lebensmitteln. (05.08.2014)

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Einheitspackung für Zigaretten: Quelle: Australian Government, Dept of Health & Ageing

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Ebola

Jeden Tag sieht man im Fernsehen aus Westafrika die gespenstischen Bilder von Ärzten und Pflegepersonal in Schutzkleidung. Dass das Virus sich ausbreitet, liegt auch an der mangelnden Aufklärung der oft analphabetischen Bevölkerung. Wie bei anderen übertragbaren Krankheiten wie Tuberkulose, Aids oder Lassafieber versucht man die Bevölkerung mit Bildern über Symptome und Übertragung zu informieren. Unicef hat für Ebola eine Serie von Postern entwickelt, die man z. B. auf der Website der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) herunterladen kann. Die Texte sind in der Amtssprache Englisch und mit schematisierten Bildchen für die (funktionalen) Analphabeten versehen. Auch eine Site, die sich speziell an nigerianische Frauen wendet, bietet einen pictorial guide an. Didaktisch gäbe es an den Text-Bild-Kombinationen manches zu verbessern, aber hoffen wir, dass dadurch einige Opfer weniger zu beklagen sind. (04.08.2014)

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Poster dies Symptome, Verbreitung, Prävention und Behandlung von Ebola in Text und Bild darstellen. Es werden immer wieder dieselben Bildchen verwendet. Quelle: http://www.cdc.gov

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Pilzsaison

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Bei schwülen Temperaturen erste Funde beim Pilzesuchen. Foto: Elfriede Hornung-Ballstaedt (03.08.2014)

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Helvetismen

Bei meinen Aufenthalten in der Schweiz sind mir etliche Wörter und Redewendungen aufgefallen, die ich nicht kannte. Sie führen meist zu keinen Verstehensproblemen, aber sie konnotieren ein andere Mentalität. Z. B. wird parkiert und grilliert, konkurrenziert und rezykliert, das klingt nach gehobener Lebensart. Einen Vertrag muss ich unterschrieben retournieren. Im Gastrobereich musste ich neue Wörter lernen, vor allem den Apero! Das Poulet konnte ich aus dem Französischen ableiten, aber der Nüsslisalat? Einige Mundartwörter kann man sich nur in der Schweiz vorstellen. Mein Liebling: das Bettmümpfeli. Das ist eine Süßigkeit vor dem Schlafengehen. Bei uns ein Betthupfer, das klingt auch nicht übel, aber die Schweizer Variante lässt einem die Schokolade bzw. Schoggi auf der Zunge schmelzen. (03.08.2014)

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Knorpelkirsche

Wieder habe ich ein schönes Wort entdeckt: Auf dem Markt werden Knorpelkirschen angeboten. Das klingt wenig fruchtig. Das Wort „Knorpel“ stammt aus dem 15. Jahrhundert und bezeichnet festes und doch elastisches Stützgewebe. Nach dem Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm handelt es sich um „eine Kirsche mit festem, knorpeligen Fleisch“. Die Konsonanz des K imitiert das Bisserlebnis. Diese Süßkirsche ist sehr alt und Pomologen unterscheiden zahlreiche Arten, z. B. Schneiders späte Knorpelkirsche, Büttners rote Knorpelkirsche und Dönissens gelbe Knorpelkirsche. (02.08.2014)

Große Germersdorfer

Große Germersdorfer Knorpelkirsche. Foto: Silverige. Wikimedia Commons

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Schilderwald 1

Dass wir alle auch in einer semiotischen Umwelt leben, ist bei der Anhäufung von Zeichen in vielen Städten kaum zu übersehen und oft dokumentiert: Verkehrsschilder mit Geboten und Verboten, Richtungshinweise, Fahnen, Aufkleber usw. Was mir aber auffällt: Auch in Wald und Flur geht es so weiter. Immer mehr Schilder werden an die Bäume und Pfosten genagelt: Wanderwege, Rundwege, Pilgerwege, Privatwege, Lehrpfade, Loipen, Trimm-dich-Pfade, Nordic-Walking-Strecken, Radwege, Biker-Trails, Reitwege, Rasthäuser, Gemarkungen, Forstarbeiten, Naturschutzgebiete, Müllabladeverbote, Waldbrandgefahr, Wanderparkplätze, Grillplätze, Schonungen, Bannwälder, Hundeanleinpflicht, Hundekackverbote usw. Die Natur ist vollständig durchorganisiert. – In Tübingen wurde vor zwei Jahren bei einem Waldspaziergang ein Hund von einem Wildschwein angegriffen und schwer verletzt. Die Hundebesitzerin beklagte sich bei der Stadt, dass kein Schild vor der Gefahr gewarnt hätte. Sogar auf die Möglichkeit herabfallender Äste im Wald wird hingewiesen. (01.08.2014)

Schilderwald   Betretungsverbot

Warnschild vor einem Wald in Bad Sassendorf und vor einem Bannwald im Schönbuch. Fotos: St.-P. Ballstaedt

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Gedankenstrich

Der Gedankenstrich ist ein bescheidenes Satzzeichen, er kommt im Duden mit drei Regeln aus. Der Strich in einem Satz entspricht einer Pause beim Sprechen, weil man seine Gedanken sammeln und ausrichten muss. Für den Lesenden soll er ebenfalls ein Innehalten bewirken. – Für mich hat der Gedankenstrich eine Wende im Leben eingeleitet. Ich habe mit einem Studium der Germanistik begonnen und im 1. Semester 1966 bei Prof. Gerhart Baumann ein Seminar über „Deutsche Dichtung nach Goethe“ besucht. Dort lasen und interpretierten wir einen Text, welchen, das habe ich vergessen. Aber nicht vergessen habe ich, dass der Professor bei jedem Gedankenstrich in die Runde fragte: „Was hat sich der Dichter hier wohl gedacht?“ Diese Art der Satzzeichen-Hermeneutik hat mich so genervt, dass ich zur Philosophie gewechselt bin, ohne zu ahnen, wie viele Gedankenstriche mich dort erwarten. (31.07.2014)

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Klodeckel

Kein weißer oder schwarzer Plastikdeckel, der Trend geht zur zum Motivdeckel aus Polyesterharz oder Holz. Es werden vor allem Motive angeboten, die assoziativ weit von den damit verbundenen Verrichtungen entfernt sind und vor allem Sauberkeit und Frische kommunizieren: Meer, Wasserfälle, Wasserblasen, Tautropfen, Blüten. Auf einem Toilettendeckel-Portal lesen wir:„Transparente Sitze mit Sand und Muscheln, Seesternen, Fischen und Meer versetzen den Besucher in Urlaubsstimmung. Haie, Stacheldrahtmotive und Tarnmuster wirken auf den Gast eher bedrohlich und sollen womöglich verhindern, dass man sich hier niederlässt, wenn es nicht wirklich absolut nötig ist.“ Das Portal ermutigt, den Klodeckel zum Ausdruck der Persönlichkeit zu nutzen: „Die junge Singledame bevorzugt vielleicht einen Toilettendeckel mit dem Astralkörper eines jungen Mannes. Der wiederum hat sicher eher das Bild einer schönen jungen Dame zuhause auf seinem Toilettensitz.“ Sehr originell! Für Menschen mit multipler Persönlichkeit: Es gibt auch schnell wechselbare Toilettendeckel-Aufkleber. (30.07.2014)

Klodeckel

Klosettdeckel mit bunten Motiven bereichern unsere visuelle Umwelt. Quelle: http://www.woltu.com/pb/Raute61_0.jpg

 

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Schlager

Ein Schlager ist – in der Musikkritik seit 1881 – eine beim Publikum ein- oder durchschlagende Musiknummer. Heute habe ich über die Forschungen des Musikwissenschaftlers Volkmar Kramarz in der Frankfurter Rundschau gelesen: Er hat an der Universität Bonn Musikstücke analysiert, die es auf hohe Ränge in den Hitlisten gebracht haben. Drei Pop-Formeln hat er gefunden: Turnaround, Modern-Pop, Four Cord. Das Schema „Turnaround“ hat die Akkordfolge: C-Dur/a-Moll/F-Dur/G-Dur. Nach diesem Muster ist z. B. der Song „Sag mir, wo die Blumen sind“ gestrickt. Dann hat Kramarz neun Songs komponiert, die mehr oder weniger von den gefundenen Schemata abweichen. Diese hat er einer Stichprobe (n=40) von Hörern beiderlei Geschlechts und aller Altersklassen vorgespielt und dabei die Hirntätigkeit mittels Magnetresonanztomografie aufgezeichnet. Die Ergebnisse. Bei den Songs nach den gängigen Pop-Formeln wurden Bereiche im Gehirn stimuliert, die für das Wohlgefühl zuständig sind, z. B. auch beim Sex oder beim Spontankauf. Je weiter der Song vom Schema abweicht, desto weniger Wohlgefühl kommt auf. Das gilt unabhängig von Alter, Bildung oder Herkunft. Ja sogar, wenn man das Lied nicht einmal gut findet, kann es zum lästigen Ohrwurm werden. Dies erklärt nicht nur den Erfolg von Songs, sondern ist auch ein schöner Beleg für die Schematheorie der Kognitionspsychologen. (29.07.2014)

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Andrea Berg

Am Samstag habe eine halbe Stunde in das „Sommer Open Air“ der Sängerin geschaut. Es ist kaum zu glauben, wie sie Fangruppen junger Männer und junger Frauen, aber vor allem Pärchen jeden Alters mit ihrer Musik einfängt. Die Melodien sind schlagertypisch, nach einmal hören, kann man mitsingen. In den Songtexten dominieren bestimmte Wortfelder: Zuerst die Ferne und das Abenteuer: Meer, Wind, Schiff, Seemann, Pirat, Inseln. Dann exotische Orte wie Afrika, Atlantis, Kilimandscharo und natürlich die Palette des Erotischen wie Sehnsucht, Liebe, Nacht, Zärtlichkeit, Herz, Glück, Lust usw. Sie selbst verpasst sich mit den roten langen Haaren, den körperbetonten Kleidern und dem breitbeinigen Stand ein Image des Verruchten, allerdings in einer Form, die auch die Oma noch akzeptieren kann. Man braucht nicht Tiefenpsychologie zu studieren, um zu ahnen, welche Bedürfnisse hier ein Ventil finden. (28.07.2014)

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Andrea Berg in einem Konzert in Leipzig am 24.3.2012. Foto: Jean Neef, Wikimedia Commons

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