The Länd

Der Werbeslogan für Baden-Württemberg „Wir können alles außer Hochdeutsch“ hatte einen gewissen arroganten Charme und hat sich auch in den Köpfen eingeprägt. Jetzt soll er durch „Wir sind THE LÄND“ abgelöst werden. Es ist ja üblich, sprachliche Regeln zu verletzen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Lexikalische Regeln wie bei „ServicePoint“, „FleischQualität, oder „YouTube“; syntaktische Regeln beim Klassiker „Hier werden Sie geholfen, oder „Wir lieben Technik. Wir hassen teuer“ und „Mit Karte, ohne kompliziert“.

Mit „The Länd“ werden gleich zwei Sprachen verhunzt. Der neue Slogan soll Internationalität und Selbstbewusstsein transportieren. Dazu ein Blick von außen: Die Neue Züricher Zeitung schreibt zur „fatalen Werbekampagne“: „Eine unklare Zielgruppe wird betont humorig angesprochen, ohne negative Streueffekte zu berücksichtigen und ohne dem Prinzip der Verständlichkeit Genüge zu tun.“ Etwa 21 Millionen Euro soll die neue Imagekampagne oder „Dachmarkenkampagne“ gekostet haben, das könnte ein Fall für den Rechnungshof werden. (06.11.2021)

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Bildethik

Zugegeben, das folgende Buch habe ich mit dem Vorurteil zur Hand genommen, dass es jetzt nach der korrekten Sprache auch um korrekte Bilder geht, von denen sich niemand diffamiert oder in seiner Identität beeinträchtigt fühlt.

Christian Schicha: Bildethik. Grundlagen, Anwendungen, Bewertungen. München: UVK Verlag, 2021.

Das Vorurteil war unbegründet. Das Buch referiert unaufgeregt über visuelle Kommunikate, die rechtliche Vorgaben missachten oder ethische Normen verletzten. Wie der Untertitel ankündígt, wird das Thema in drei Abschnitten behandelt:

Grundlagen. Der einleitende Teil zur Bildtheorie bleibt recht oberflächlich, Ansätze zur Bildwissenschaft und zu Visual Culture Studies werden nur gestreift. Weder wird eine brauchbare Bildtypologie eingeführt, noch sind die Abschnitte über Bildwahrnehmung und Bildwirkung auf dem Stand der Forschung. Die normativen Aspekte der visuellen Kommunikation sind in juristische und ethische Verfehlungen aufgeteilt. Das gültige Bildrecht als Teil des Medienrechts wird mit seinen Sanktionsmöglichkeiten vorgestellt. Demgegenüber hat die Bildethik außer Rügen des Deutschen Presserats oder Werberats als Instanzen der Medienselbstkontrolle keine Sanktionsmöglichkeiten, sondern setzt auf Reflexion und Sensibilisierung. Das Verhältnis von Ethik, Moral und Recht bleibt dabei unklar, Ethik und Moral als Grundlagen des Rechts werden offenbar gleichgesetzt.

Anwendungen. Darunter werden konkrete Fälle verstanden, die juristische und ethische Probleme aufwerfen. Alle Bereiche der visuellen Kommunikation sind berücksichtigt: Dokumentar- und Kunstfotografie, Fotojournalismus, Kriegsberichterstattung, Politische Bilder, Werbung, Modefotografie, Satire und Karikatur usw. Man bekommt einen guten Überblick über derzeitige Problemfelder und Fallbeispiele, von den Folterfotos aus Abu-Ghuraib über anorektische Models und sexistische Werbung bis zu den Mohammed-Karikaturen. Das Kapitel 11 fällt dabei aus dem Rahmen, da es sich mit den Möglichkeiten der digitalen Bildbearbeitung und den damit verbundenen Verfälschungen befasst, die alle Anwendungsfelder betreffen: Wahl von Perspektive und Ausschnitt, Retuschen, Einfügungen und Tilgung, Farbveränderungen, Montage usw.

Bewertungen. Hier werden die Anwendungsfelder einer bildethischen Evaluation unterzogen, eigentlich sind es Zusammenfassungen der vorangegangenen Kapitel, die wenig Neues bieten. Alle Bewertungen orientieren sich an der Beachtung der Menschwürde, der Maxime der Nichtschädigung und der Berücksichtigung des Persönlichkeitsschutzes. Dabei wird kein gültiger Kriterienkatalog angeboten, da die ethische Beurteilung eines Bildes vom jeweiligen Zeitraum, der jeweiligen Kultur mit ihren Werten und den kommunikativen Absichten im konkreten Einzelfall abhängt. Es werden Argumente zusammengetragen, die bei der Entscheidung helfen, ob ein Bild veröffentlicht werden soll oder man lieber darauf verzichtet. Nur ein Beispiel: Es gibt ein Foto aus dem Jahr 2005, das den abgerissenen Kopf einer jungen palästinensischen Selbstmordattentäterin zeigt, die sechs Menschen in den Tod gesprengt hat. In der Schweiz gab es eine Debatte, nachdem das Bild in einer Monatsbeilage der NZZ veröffentlicht wurde. Der Kommunikationswissenschaftler Peter Glotz verteidigte das Foto: „Wo hinter Bildern ein Sinnhorizont erkennbar wird, eine Anklage, eine These, rechtfertigt das Objektivitätsgebot auch härteste Bilder.“ Der Schweizer Presserat war anderer Meinung. Er sah den Respekt vor der Menschenwürde verletzt, der auch für eine Selbstmordattentäterin gilt. Zudem sollte man die Lesenden nicht mit Schockbildern überfallen, die letztlich nur eine „knallige Illustration“ darstellen (Peter Studer: Presseräte zu Bildern von Krieg und Gewalt. In zhwinfo: Die Macht der Bilder. Winterthur, ZHW, 2006, 13-16)

Es ist also stets eine Einzelfallprüfung erforderlich, die die Entwicklung einer „ethischen Kompetenz“ voraussetzt und keinesfalls zu eindeutigen Urteilen führen muss.

Das Buch endet mit einem Serviceteil, in dem Initiativen, Bücher, Aufsätze, Zeitschriften und Filmbeiträge vorgestellt werden, die sich mit normativen Fragen der visuellen Kommunikation befassen. Das Buch bietet damit einen hervorragenden Einstieg in das komplexe Thema.

Abschließend zwei Anmerkungen zur Buchproduktion: Im Text sind eine Unmenge teilweise sinnentstellender grammatikalischer Fehler stehen geblieben. Ein abschließendes Lektorat hat offenbar nicht stattgefunden oder war sehr oberflächlich. Ein weiteres Ärgernis sind ausgerechnet die Bilder, viele im Briefmarkenformat oder mit einer Auflösung, die weder Schriften noch Details erkennen lassen. (01.11.2021)

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Paste-Up

Paste-Ups als eine Form der Street-Art sind gezeichnete Bilder, die ausgeschnitten und auf Wände gekleistert werden. Diese schöne Beispiel habe ich in der Altstadt von Tübingen gefunden. Bedeutung wie so oft unklar. Foto: St.-P. Ballstaedt (27.10.2021)

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Trotzworte

In Tübingen beginnt heute eine „Queere Woche“, was mich veranlasst hat, dem Wort „queer“ nachzugehen, das eine ähnliche Geschichte wie „schwul“ hinter sich hat. Beide waren ursprünglich Schimpfworte vornehmlich für Homosexuelle, dann haben diese es mit positiven Konnotationen als Selbstbenennung übernommen. Geusenworte nennt man Worte mit einer derartigen Umdeutung. Geusen (niederländisch geuzen) nannten sich die niederländischen Freiheitskämpfer im Achtzigjährigen Krieg , nachdem sie vom spanischen Adel mit dem französischen Wort „gueux“ als Bettler beschimpft wurden. Eine treffende deutsche Bezeichnung für Geusenworte: Trotzworte.

Die Bezeichnung „queer“ wurde in den USA ursprünglich abwertend für Homosexuelle verwendet, später ausgeweitet auf alle Personen, die den heterosexuellen Normen nicht entsprechen. Seit Mitte der 90er Jahre wird „queer“ als positive Selbstbezeichnung verwendet. Das englische Wort stammt vermutlich vom Deutschen „quer“ ab, das wiederum auf das lateinische Verb „torquere“ zurückgeht, das „drehen, verdrehen“ bedeutet. Queere Personen liegen quer zu den herrschenden Normen. Der Etymologie entsprechend wird ein Stadtrundgang „Queer durch Tübingen“ angeboten.

Im Wortschatz Leipzig ist „queer“ im Wortgraphen inmitten diverser Lebensformen verankert. Screenshot: St.-P. Ballstaedt (22.10.2021)

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Symbolfoto

Immer häufiger sieht man in Zeitungsartikeln oder auf Websites sogenannten Symbolfotos, als Bebilderung zu einem Thema, das entweder sehr abstrakt ist oder zu dem man keine konkreten Fotos hat. Dann greift man zu einem Ersatzbild, das in einem losen Zusammenhang zum Thema steht. Beispiel: Ein Text über Wikipedia kann mit dem folgenden Symbolbild kombiniert werden. Quelle: Wikimedia Commons.

Warum das allerdings als Symbolbild bezeichnet wird, ist nicht verständlich, denn es zeigt ja konkrete Gegenstände, die keine symbolischen Zeichen darstellen. Ausdrucke und Stifte verweisen eher auf Print als auf ein Online-Medium,  den Kaffee konnte man als Symbol für geistige Tätigkeit aufassen. Es ist ein Ersatz- oder Verlegenheitsfoto. Um eine Verwechslung mit dokumentarischen Fotos zu vermeiden, müssen nach dem Pressekodex des Deutschen Presserats Symbolbilder als solche kenntlich gemacht werden. Das Symbolbild ist ein Produkt des Bebilderungszwangs in den modernen Medien. (19.10.2021)

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Lipliner

„Der Look heute: Statt auffälliger Umrandung ist der Lipliner nur eine Nuance dunkler.“ Diesen Kosmetik-Tipp habe ich in der Kundenzeitschrift einer Drogerie-Kette gelesen.  Das passende Model schaut einem daneben tief in die Augen. Auf den Folgeseiten ein Artikel mit dem Titel „Alle Tage schön“. Gemeint sind „die Tage“. Der Zyklus wird in vier Phasen eingeteilt: Menstruation, Follikelphase, Ovulationsphase, Lutealphase. In jeder Phase braucht die Haut eine andere Pflege, damit die Frau immer einen makellosen Teint vorweisen kann. Besonders in der fertilen Ovulationsphase will man ja anziehend wirken. Auf vielen weiteren Seiten Kosmetikartikel und Pflegetipps, immer garniert mit attraktiven Models. Auffallend ist doch, dass alle Tipps den Schauwert und die erotische Ausstrahlung erhöhen sollen. Frauen schminken sich zu Objekten der Begierde. (16.10.2021)

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Bilderrätsel 20

Da mir nichts Gescheiteres einfällt, wieder einmal ein Bilderrätsel: Was zeigt uns dieses Foto? Auflösung im Kommentar. Foto: St.-P. Ballstaedt (13.10.2021)

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Gewicht der Worte

Als Lektüre für eine Reise an die Ostsee habe ich mir folgenden Roman mitgenommen:

Pascal Mercier: Das Gewicht der Worte. München: Hanser, 2020.

Worte beschäftigen mich ja seit Jahren und von einem literarischen Philosophen wie Peter Bieri habe ich mir viel versprochen. Gleich auf der 14. Seite spricht mich eine Passage an:

„Jetzt, da er wieder eine Zukunft hatte, wollte er verschwenderisch mit der Zeit umgehen. Spüren, wie sie verstrich, ohne dass er etwas tat. Spüren, dass er nicht mehr atemlos einem Ende entgegentrieb. Spüren, dass er Dinge aufschieben konnte, ohne es später zu bereuen.“

Das Buch behandelt Fragen, über die ich mir schon oft den Kopf zerbrochen habe: Wie würde ich mit der Tatsache umgehen, wenn mir die Mediziner nur noch wenige Monate zu leben geben? Was würde es sich anfühlen, wenn ich durch einen Schlaganfall eine Aphasie erleide und plötzlich der Sprache nicht mehr mächtig bin? Im Buch durchlebt diese Situationen Simon Leyland, der wie kein anderer in der Sprache lebt, ein britischer Übersetzer, der zahlreiche Sprachen beherrscht. Problem des Übersetzen spielen auch eine große Rolle und sind sehr anschaulich beschrieben. Aber trotz meines Interesses an der Thematik fesselt mich das Buch wenig und ich sehe den Grund darin, dass es sehr konstruiert und intellektuell geschrieben ist. Es hat etwas Bildungsbürgerliches, Biederes, Braves an sich, die Personen sind alle sehr reflektiert und sehr kultiviert, selbst die Emotionen werden distanziert kognitiv aufgearbeitet. Das sind keine Personen aus Fleisch und Blut, sie sollen nur Ideen transportieren. Zudem ist der Text sehr redundant und bietet wenig Überraschungen, selbst die Peripetie, die Fehldiagnose, wird schon sehr früh angedeutet. Ich habe das Buch nicht bis zum Ende gelesen. (06.10.2021)

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Alte Liebe

Um die Liebe steht es an der Ostseeküste nicht so gut: Entweder darf man sie nicht öffentlich mit Schlössern bekunden und wenn man doch einen Winkel findet, dann rostet selbst alte Liebe. Fotos: St.-P. Ballstaedt (28.09.2021)

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Steilküste

Es ist erstaunlich, wie verständlich Warnpiktogramme auf alle möglichen Gefahrensituationen hinweisen können. Hier an der Steilküste von Ahrenshoop. Foto: St.-P. Ballstaedt (27.09.2021)

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