Flatulenzen

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Warnhinweis vor der Damen- und Herrentoilette im Art Café in Waldhäuser-Ost. Foto: St.-P. Ballstaedt (14.08.2015)

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Verstricktheit

„Es gibt aus der Verstricktheit keinen Ausweg. Das einzige, was sich verantworten lässt, ist, den ideologischen Missbrauch der eigenen Existenz sich zu versagen und im übrigen privat so bescheiden, unscheinbar und unprätentiös sich zu benehmen, wie es längst nicht mehr die gute Erziehung, wohl aber die Scham darüber gebietet, dass einem in der Hölle noch die Luft zum Atmen bleibt.“ Theodor Adorno: Minima Moralia, S. 24. (12.08.2015)

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Kritische Theorie in Tübingen: Aufkleber an Laternenmasten in der Haaggasse. Fotos: St.-P. Ballstaedt

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Verzehrsempfehlung

Auf eine Schachtel mit Magnesium-Kapseln steht eine Verzehrsempfehlung. Ist das Fugen-s korrekt? Fugenlaute in zusammengesetzten Wörtern sind für Linguisten ein zweifaches Ärgernis.

1. Man weiß nicht, wo sie genau herkommen. Sind es übriggebliebene Flexionsmorpheme (Fuseme), z.B. des Genitivs (Museumsdirektor, Essensreste) oder des Plurals (Hundeleine, Streckenposten). Aber es gibt es für Hochzeit kein Genitiv-s, aber ein Hochzeitskleid. Und Kindergeld bekommt man auch für ein Einzelkind. Oder haben sie sich Fugenlaute nur eingeschlichen, weil man das Kompositum dann glatter artikulieren kann?

2. Wann ein Fugenlaut notwendig ist, dazu gibt es keine eindeutigen Regeln. Und wenn man welche aufstellt, führt das zu vielen Ausnahmen. Kurios: Das Fugen-s ist im amtlichen Sprachgebrauch üblich – Schadensersatz, Einkommenssteuer -, aber nicht unbedingt in der Umgangssprache, da bekommt man Schadenersatz und macht seine Einkommensteuererklärung. Neben der Verzehrsempfehlung gibt es auch die Verzehrempfehlung und den Verzehrzwang, aber nicht den Verzehrszwang. (11.08.2015)

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Korrekt mit oder ohne Fugenlaut? Infanteriewerk A 7838 in Sufers, Kanton Graubünden. Quelle: Kreteglobi, Wikimedia Commons

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Marie Goslich

Es ist faszinierend, wenn ein Mensch und sein Werk der Vergessenheit entrissen werden wie z. B. bei der Fotografin Vivian Maier. Jetzt hat ein studentisches Projektteam des Instituts für Medienwissenschaft der Uni Tübingen die jüdische Journalistin Marie Goslich wiederentdeckt: 1859 in Frankfurt an der Oder geboren, 1937 in eine Landesheilanstalt eingeliefert und dort verschollen. Etwa 400 Fotos haben in Zeitungspapier auf einer Treppe im Hühnerstall überdauert, sonst sind fast alle Dokumente über ihr Leben verschwunden. 70 Fotos haben die Studierenden ausgewählt und im Schönbuchmuseum in Dettenhausen präsentiert. Dazu gib es einen schön schlicht gestalteten Katalog.

Obwohl das Fotografieren mit schwerer Kamera auf einem Stativ umständlich war, wirken die Menschen spontan und lebendig, wenn sie bei Arbeit, Sport und Freizeitvergnügungen abgelichtet werden. Marie Goslich war auch als Mode- und Sportfotografin tätig, aber besonders interessierten sie Menschen der unteren Schichten: Arbeiter, Bauern, Taglöhner, Saisonarbeiter, Hausierer, Straßenhändler, Vagabunden. „Les gagne-petits [Kleinverdiener] nennt sie der Franzose und kennzeichnet damit halb mitleidig, halb verächtlich die geringe Stellung, die sie in der Welt, in der der Mensch nach dem Geldverdienst abgeschätzt wird, einnehmen“. So schreibt sie 1906 in einer Reportage in „Die Woche: moderne illustrierte Zeitschrift“. (10.08.2015)

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Auf der Straße: Ein fahrender Händler mit Haus- und Küchengeräten aus Blech und Eisen. Quelle: Maria Goslich im Schönbuchmuseum

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Verführung

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Ein Beitrag zur Parteienlandschaft in der BRD. Darth Vader (als SPD!) versucht die keusche Linke (mit Nelke) zu verführen. Graffito am Hegelbau in der Keplerstraße in Tübingen. Foto: St.-P. Ballstaedt (08.08.2015)

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Fleuron

Der Mensch hat schon in der Steinzeit Werkzeuge und Gefäße mit einfachen geometrischen Ornamenten verziert, sie sind ein Beleg für frühes ästhetisches Empfinden. Bis heute lassen sich selbst auf alltäglichen Gegenständen Ornamente finden: Welcher Designer hat in die Pressform für Pflanztopfuntersetzer stilisierte Zweige als Relief zur Anhebung des Topfes eingefügt? In der Terminologie der Ornamentik ein Fleuron, eine stilisierte florale Verzierung. (07.08.2015)

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Plastikuntersetzer der Firma Kayser Plastics mit floralem Ornament. Foto: St.-P. Ballstaedt

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Hornhauthobel

Das ist mein Lieblingswort des Monats August 2015: Ein Kompositum mit wunderschöner Binnenalliteration. Zudem ein im Alter unverzichtbares Werkzeug, das aber schnell sein erstes Morphem verlieren kann und zum Hauthobel wird. Wem das zu riskant ist, der kann Hornhautschälcreme der Marke „Allgäuer Latschenkiefer“ verwenden. Sie verspricht streichelzarte Füße. (05.08.2015)

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Ein Hornhauthobel der Firma Credo aus dem Internet-Seniorenshop. Quelle: Seniorenshop Jürges

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Menschen und Tiere

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Tierschützer sind in Tübingen schon immer sehr aktiv. Graffito im Stadtteil auf dem Sand (zum Vergrößern ins Bild klicken). Foto: St.-P. Ballstaedt (04.08.2015)

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Frontfrauen

Das Wort klingt martialisch, aber der Ursprung ist wohl nicht die Militärsprache. „Le front“ ist französisch die Stirn, eine Frontfrau bietet jemandem sozusagen die Stirn. In dieser Bedeutung wird die Musikerin einer Band, die bei Konzerten als Sängerin im Vordergrund auftritt, als Frontfrau bezeichnet. Auch in der Politik wird das Wort gern benutzt, z. B. Deutschlands erste Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen als Frontfrau, hier wieder mit militärischen Anklang. Im Web findet man die „Frontfrauen, eine Akademie für Frauen in Führungspositionen“.

Es gibt auch den Frontmann, der aber eher Leadsänger genannt wird. Im Militärjargon gibt es das Frontschwein, ein Soldat der an der vordersten Gefechtslinie im Dreck liegt. (03.08.2015)

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Assoziationsnetzwerk zu „Frontfrau“. Dass Gossip als Frontfrau auftaucht, verwundert kaum. Die Pussycat Dolls (mit Frontfrau Nicole Scherzinger) haben im Graphen überlebt. Quelle: Wortschatzportal der Uni Leipzig

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Gesegnet

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Das Highspeed-Netz hat Seinen Segen. Auf einem Internet-Verteilerkasten in Waldhäuser-Ost. Foto: St.-P. Ballstaedt (01.08.2015)

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