Pulverdampf

Henning Lobin: Sprachkampf. Wie die Neue Rechte die deutsche Sprache instrumentalisiert. Berlin: Dudenverlag, 2021.

Wer in den vielen Beiträgen zur deutschen Sprache und zum aktuellen Sprachgebrauch nicht mehr durchblickt, dem sei das Buch empfohlen. Ob Rechtschreibreform, Anglizismen, Gendern, Hate speech, politische Korrektheit, Deutschpflicht, Deutsch in der EU, Leichte Sprache, Henning Lobin stellt die an der Diskussion beteiligten Institutionen und Personen mit ihren sprachpflegerischen und letztlich politischen Interessen vor. Bewusst hat er sich dabei durchgängig für eine Metaphorik des Kampfes entschieden: Es geht um Fronten, Schlachtfelder, Strategie und Taktik, Waffenstillstand usw. Das liest sich manchmal etwas martialisch, spiegelt aber die Heftigkeit der Auseinandersetzungen wieder. Lobin unterscheidet zwei Varianten des Sprachkampfes: Auf der einen Seite die nationalidentitäre Richtung, auf der anderen Seite die feministische und antirassistischen Sprachpolitik.

Wie schon der Untertitel verrät, argumentiert er vor allem gegen die nationalidentitäre Strömung, die Sprache für ideologische Ziele in Anspruch nimmt. Hier ziehen seiner Meinung nach die AfD und der „Verein für deutsche Sprache“ an einem braunen Strang. Die deutsche Sprache wird als prägendes Element einer deutschen Identität gesehen, ihr werden besondere Ausdrucksfähigkeiten zugeschrieben, deshalb muss sie vor Einflüssen aller Art geschützt werden. Lobin hat hier seinen Gegner oder sogar Feind gefunden, er will verhindern, dass Sprache politisch instrumentalisiert wird.

Der linken Identitätspolitik wird eine grundsätzlich emanzipatorische Zielsetzung zugebilligt: Wörter, die Gruppen diskriminieren, sollten aus Rücksicht vermieden werden, Frauen sollten gleichberechtigt angesprochen und sichtbar gemacht werden. Auch wenn dem Linguisten einige Vorschläge beim Gendern Bauchschmerzen verursachen (Binnenmajuskel, Gendersternchen), hält er die Bemühung um geschlechtergerechtes Deutsch für ein wichtiges Anliegen, auch wenn andere Gleichstellungsbemühungen sicher effektiver sind. Auffällig an dem Buch ist aber schon, dass die linke Identitätspolitik doch mit Samthandschuhen angefasst wird. Mir fehlt z.B. ein Kritik an dem moralisierenden Umgang mit Formulierungen, bei denen mit erhobenem Zeigefinger nach einer rassistischen Präsupposition gesucht wird.

Es ist erfreulich, dass ein Fachwissenschaftler die Bewegungen auf dem Schlachtfeld Sprache von hoher Warte einmal analysiert. Im 7. Kapitel macht Lobin auch einige konkrete Vorschläge, die alle auf eine Deeskalation hinauslaufen. Wissenschaft soll die Entwicklungen beschreiben, aber nicht vorschreiben, also erst einmal warten, bis sich der Pulverdampf verzogen hat. So wird der umstrittene Genderstern als Problem der Typografie statt der Orthografie aus der linguistischen Kampfzone entfernt. – Obwohl nach dem Brexit in der EU nur noch etwa 1 Prozent der Bürgerinnen und Bürger Englisch als Muttersprache spricht, soll rein pragmatisch ein vereinfachtes europäisches Englisch weiter als Lingua franca dienen, denn jetzt müssen ja alle EU-Mitglieder diese Sprache erlernen, die Briten haben keinen Vorteil mehr! – Nicht Deutsch gehört als Nationalsprache der BRD ins Grundgesetz aufgenommen, sondern die Sprachförderung sollte in einem Zuwanderungsland Verfassungsrang erhalten.

Und etwas Grundsätzliches: Lobin macht allen, die in der Sprache Manipulation und Beeinflussung wittern, klar, dass Sprechen und Schreiben durch die gewählten Wörter und die rhetorische Satzkonstruktion im Prinzip immer eine Beeinflussung der Adressaten bedeutet, „denn Lesende müssen sich immer die Sprache anderer »aufzwingen« lassen, um einen Text überhaupt zu verstehen“ (S. 143).

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