Scherenschnitte

Zur Vorbereitung auf die Inszenierung des Kunstmärchens „Das kalte Herz“ von Wilhelm Hauff im Schauspiel Stuttgart wollte ich den Text noch einmal lesen und habe dabei entdeckt, dass ich eine Ausgabe von 1924 des Ferdinand Hirt Verlags aus Breslau mit Scherenschnitten von Alfred Thon habe.

Der Scherenschnitt ist ursprünglich eine chinesische Volkskunst, die in Deutschland vor allem zur Goethezeit sehr beliebt war. Es gab künstlerische Scherenschnitte und die profanen Scherenschnitte auf Jahrmärkten. Einige bekannte Künstler haben mit der Schere gestaltet, z.B. Henri Matisse, Otto Philipp Runge und – in Tübingen bzw. Dettenhausen nicht zu vergessen – Lotte Reiniger.

Die Scherenschnitte zum „Kalten Herz“ finde ich bemerkenswert, da sie geschickt mit Figur-Grund-Effekten arbeiten und es ihnen gelingt, mit Schwarz-weiß-Kontrasten eine Stimmung einzufangen. Auch die Personen sind überaus expressiv ausgeführt. Wer war Alfred Thon? Er wurde 1886 geboren, ein Sterbedatum konnte ich nicht finden. Selbst im Künstlerverzeichnis des Deutschen Scherenschnittvereins taucht er nicht auf. Dabei hat er zahlreiche Märchen, Novellen und Erzählungen vor allem der Romantik illustriert, mit Scherenschnitten, aber auch Aquarellen. Er war Professor in Erfurt und ich vermute, dass er dem Nationalsozialismus nahestand. Ein Indiz ist ein Buch „Heime der Hitler-Jugend nach Aquarellen von Alfred Thon“ aus dem Jahr 1939, das nicht im Buchhandel erschien. Baldur von Schirach, der Reichsjugendführer der NSDAP, hat es als Weihnachtsgabe an seine Mitarbeiter verteilt. (08.06.2016)

Scan 3   Scan 4

Scan 2

Erstaunlich, wie nur mit Silhouetten und Linien eine Stimmung erzeugt werden kann. Scherenschnitte von Alfred Thon zum Märchen „Das kalte Herz“: 1. Schwarzwald-landschaft; 2. Eine Bettlerin wird vom Hof gejagt; 3. Der Kohlenmunkpeter vor dem Glasmännlein. Scans: St.-P. Ballstaedt

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