Stinkefinger

In der nonverbalen Kommunikation gibt es nur wenige autonome Gesten mit einer meist kulturspezifischen Bedeutung: mit dem Zeigefinger an den Kopf tippen, eine Faust ballen, sich auf den Bauch klopfen, den Zeigefinger erheben usw. Nur die Zeigegeste steht anscheinend universell am Ursprung der menschlichen Kommunikation (Tomasello). Dem Stinkefinger wurde jetzt eine Monografie gewidmet. Geschrieben hat sie der Romanist Reinhard Krüger an der Universität Stuttgart, der schon etliche randständige Themen behandelt hat.

Der Vollzug der Geste gegenüber einer Person sieht so aus: Der Mittelfinger der rechten Hand wird hochgestreckt, die übrigen Finger und der Daumen sind eingezogen. Die ganze Hand fährt rasch und aggressiv in die Höhe. Dabei ist die äußere Handfläche gegen den Adressaten der Geste gerichtet. Diese Geste ist schon bei den Römern als digitus impedicus (= unzüchtiger Finger) bekannt. Der hochgereckte Mittelfinger wurde als erigiertes männliches Glied interpretiert, die Geste als sexuelle Androhung der Penetration. In englischsprachigen Ländern bedeutet die Geste mit „Fuck you!“ oder „Fuck off!“ umschrieben.

Die Geste breitete sich in Deutschland erst in der 1960ern aus, das Wort „Stinkefinger“ gib es erst seit Mitte der 90er Jahre. Aber warum Stinkefinger? Nach Hans-Martin Gauger wurde eine evidente sexuelle Bedeutung in eine exkrementelle umgedeutet. Das ist für die Deutschen typisch, die ihre Schimpfworte vorwiegend aus dem anal-exkrementellen Bereich wählen. (26.04.2016)

Krüger, Reinhard (2016). Der Stinkefinger: Kleine Geschichte einer wirkungsvollen Geste. Berlin: Galiani.

Gauger, Hans-Martin (2012):  Das Feuchte & das Schmutzige. Kleine Linguistik der vulgären Sprache (Kap. 18. Der deutsche Mittelfinger). München: Beck, S. 69-71)

https://www.flickr.com/photos/95213174@N08/20920681535

In Deutschland erfüllt das Zeigen des Stinkefingers juristisch den Tatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB. Man erinnere sich an die Aufregungen um Stefan Effenberg, Peer Steinbrück oder Yanis Varoufakis. Quelle: www.flickr.com

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