Hochzeitsfotos

Eine Soziologie des Visuellen wurde von Pierre Bourdieu begründet, der sich mit den gesellschaftlichen Funktionen des Fotografierens und Filmens beschäftigt hat.

Pierre Bourdieu et al. Eine illegitime Kunst. Die sozialen Gebrauchsweisen der Photographie. Frankfurt am Main: Europäische Verlagsanstalt, 1981.

Inzwischen habe sich etliche Forscher Fotoalben oder Super-8-Filme ausgewertet, hier nur zwei interessante Publikationen.

Cord Pagenstecher: Private Fotoalben als historische Quelle. Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, 6, 2009, 449-463.

Petra Lucht/Lisa Marian Schmidt/René Tuma (Hrsg.): Visuelles Wissen und Bilder des Sozialen: Aktuelle Entwicklungen in der Soziologie des Visuellen. Berlin: Springer VS, 2012.

Im Museum der Alltagkultur im Schloss Waldenbuch sind in einem Raum Hochzeitsfotos ausgestellt, mit denen ein Fotograf alle Hochzeiten in Jungingen von 1880 bis 2017 dokumentiert hat. Anfangs die arrangierten Posen vor der Kamera, man musste für ein scharfes Bild noch stillstehen, der Mann mit Zylinder meist rechts hinter der Frau, die damals noch ein schwarzes Brautkleid trug und einen Hochzeitskranz mit weißem Schleier, sofern sie noch Jungfrau war. „Unkeusche Frauen“ durften kein Weiß tragen und wurden mit einer schwarzen Haube vorgeführt. Das Hauzig-Gwand war ein öffentliches Zeichen, mit dem die Kirche ihre Moralvorstellungen demonstrierte. Erst ab 1930 kommt das weiße Brautkleid auf, es ist teurer und kann nur einmal getragen werden, die schwarzen Hochzeitskleider konnte man auch an Festtagen tragen. Die Aufstellung einer Hochzeitgesellschaft oder die Abfolge im Hochzeitszug sind sind streng geregelt. In den frühen Fotos schauen alle ernst direkt in die Kamera, manchmal sogar traurig, in den 1960er Jahren wird die Kleidung bunter, die Posen sind gelockter, aber der Fotograf liebt noch immer klassische Aufstellungen, die Brautleute lachen in die Kamera oder schauen sich tief in die Augen. (23.08.2019)

Hochzeitsbilder als sozialwissenschaftliche Dokumente und eine Anekdote, die mir für den schwäbischen Humor typisch erscheint. Fotos: St.-P. Ballstaedt

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