Gestern war ich bei einer Diskussion im Café Philo am Tübinger Zimmertheater mit Bernhard Pörksen (dem Sohn des Autors der „Plastikwörter). Er ist Professor für Medienwissenschaft in Tübingen und hat bemerkenswerte Studien über die Konstruktion von Realität durch die Medien vorgelegt, z. B. über Skandalisierung. In der Diskussion sollte es um Erkenntnistheorie gehen, um Wirklichkeit und Wahrheit, ausgelöst durch die aktuelle Kontroverse zwischen den Konstruktivisten und den Neuen Realisten.
Pörksen trägt in seinem Impulsstatement einen sympathischen, antidogmatischen Ansatz vor, der sich von jeglicher Erkenntnistheorie abkoppelt. Losgelöst von Fragen der Wahrheit und Wirklichkeit muss man sich in jeder Situation entscheiden und die Verantwortung für die Konsequenzen übernehmen. So kann einmal die eine, einmal die andere Wahrheit gelten: „Es kommt darauf an“. Angemessenheit statt Wahrheit ist das neue, sehr weiche Kriterium. Die Plausibilität des Situationismus besteht darin, dass alle, die sich keinem festen Wertsystem verpflichtet fühlen, im Alltag genauso pragmatisch vorgehen. Philosophisch lässt sich das, was die Wahrheit betrifft, im Pragmatismus und, was die Moral betrifft, in der Existenzphilosophie verorten. Einen neuen Ismus braucht man eigentlich nicht.
Die Diskussion mäanderte denn auch zwischen Erkenntnistheorie, deren Fragen derzeit unentscheidbar sind, und Lebenspraxis, in der man ohne erkenntnistheoretische Rückversicherung entscheiden muss. Etliche Fragen aus dem Publikum offenbarten, das der „Neue Situationismus“ à la Pörksen noch reichlich unausgegoren ist. (15.07.2014)
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