Die Schriftstellerin Herta Müller gehört zu den Wortsüchtigen, die schon in ihren Texten Wörter nach dem Sinn abklopft, den sie in den Köpfen auslösen. Seit Jahren schneidet sie Wörter aus Zeitungen und Zeitschriften aus, sammelt sie in einem Wörterschränkchen und klebt sie auf einem Wörtertisch zu Kollagen zusammen. Sie schreibt sozusagen mit gefundenen Wörtern. Dabei hat sie ein feines Gespür für die sinnliche Seite eines Wortes, seine ästhetische Qualität, für sie gibt es schöne Wörter (z.B. Karussell), aber ihre Aufmerksamkeit gilt vor allem den Wörtern, die durch den Gebrauch unerträglich, schwer oder ungeliebt geworden sind, dazu zählt sie z.B. „mächtig“ oder „Grenze“. Ein Wort ist ja nur ein Laut- oder Grafikgebilde, das seine kommunikative Bedeutung erst durch den Gebrauch erhält. Die Gedichtbilder sehen aus wie Erpresserbriefe und ihr Sinn erschließt sich nicht beim einfachen Lesen, sie regen eher zum Assoziieren an, zum Aufspüren von Bedeutungen. (15.06.2016)
Da ich kein lizenzfreies Bild auftreiben konnte, hier ein Foto von ein paar zufällig ausgedruckten Collagen auf meinem Stehpult. Foto: St.-P. Ballstaedt
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