Knorpelkirsche

Wieder habe ich ein schönes Wort entdeckt: Auf dem Markt werden Knorpelkirschen angeboten. Das klingt wenig fruchtig. Das Wort „Knorpel“ stammt aus dem 15. Jahrhundert und bezeichnet festes und doch elastisches Stützgewebe. Nach dem Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm handelt es sich um „eine Kirsche mit festem, knorpeligen Fleisch“. Die Konsonanz des K imitiert das Bisserlebnis. Diese Süßkirsche ist sehr alt und Pomologen unterscheiden zahlreiche Arten, z. B. Schneiders späte Knorpelkirsche, Büttners rote Knorpelkirsche und Dönissens gelbe Knorpelkirsche. (02.08.2014)

Große Germersdorfer

Große Germersdorfer Knorpelkirsche. Foto: Silverige. Wikimedia Commons

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Schilderwald 1

Dass wir alle auch in einer semiotischen Umwelt leben, ist bei der Anhäufung von Zeichen in vielen Städten kaum zu übersehen und oft dokumentiert: Verkehrsschilder mit Geboten und Verboten, Richtungshinweise, Fahnen, Aufkleber usw. Was mir aber auffällt: Auch in Wald und Flur geht es so weiter. Immer mehr Schilder werden an die Bäume und Pfosten genagelt: Wanderwege, Rundwege, Pilgerwege, Privatwege, Lehrpfade, Loipen, Trimm-dich-Pfade, Nordic-Walking-Strecken, Radwege, Biker-Trails, Reitwege, Rasthäuser, Gemarkungen, Forstarbeiten, Naturschutzgebiete, Müllabladeverbote, Waldbrandgefahr, Wanderparkplätze, Grillplätze, Schonungen, Bannwälder, Hundeanleinpflicht, Hundekackverbote usw. Die Natur ist vollständig durchorganisiert. – In Tübingen wurde vor zwei Jahren bei einem Waldspaziergang ein Hund von einem Wildschwein angegriffen und schwer verletzt. Die Hundebesitzerin beklagte sich bei der Stadt, dass kein Schild vor der Gefahr gewarnt hätte. Sogar auf die Möglichkeit herabfallender Äste im Wald wird hingewiesen. (01.08.2014)

Schilderwald   Betretungsverbot

Warnschild vor einem Wald in Bad Sassendorf und vor einem Bannwald im Schönbuch. Fotos: St.-P. Ballstaedt

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Gedankenstrich

Der Gedankenstrich ist ein bescheidenes Satzzeichen, er kommt im Duden mit drei Regeln aus. Der Strich in einem Satz entspricht einer Pause beim Sprechen, weil man seine Gedanken sammeln und ausrichten muss. Für den Lesenden soll er ebenfalls ein Innehalten bewirken. – Für mich hat der Gedankenstrich eine Wende im Leben eingeleitet. Ich habe mit einem Studium der Germanistik begonnen und im 1. Semester 1966 bei Prof. Gerhart Baumann ein Seminar über „Deutsche Dichtung nach Goethe“ besucht. Dort lasen und interpretierten wir einen Text, welchen, das habe ich vergessen. Aber nicht vergessen habe ich, dass der Professor bei jedem Gedankenstrich in die Runde fragte: „Was hat sich der Dichter hier wohl gedacht?“ Diese Art der Satzzeichen-Hermeneutik hat mich so genervt, dass ich zur Philosophie gewechselt bin, ohne zu ahnen, wie viele Gedankenstriche mich dort erwarten. (31.07.2014)

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Klodeckel

Kein weißer oder schwarzer Plastikdeckel, der Trend geht zur zum Motivdeckel aus Polyesterharz oder Holz. Es werden vor allem Motive angeboten, die assoziativ weit von den damit verbundenen Verrichtungen entfernt sind und vor allem Sauberkeit und Frische kommunizieren: Meer, Wasserfälle, Wasserblasen, Tautropfen, Blüten. Auf einem Toilettendeckel-Portal lesen wir:„Transparente Sitze mit Sand und Muscheln, Seesternen, Fischen und Meer versetzen den Besucher in Urlaubsstimmung. Haie, Stacheldrahtmotive und Tarnmuster wirken auf den Gast eher bedrohlich und sollen womöglich verhindern, dass man sich hier niederlässt, wenn es nicht wirklich absolut nötig ist.“ Das Portal ermutigt, den Klodeckel zum Ausdruck der Persönlichkeit zu nutzen: „Die junge Singledame bevorzugt vielleicht einen Toilettendeckel mit dem Astralkörper eines jungen Mannes. Der wiederum hat sicher eher das Bild einer schönen jungen Dame zuhause auf seinem Toilettensitz.“ Sehr originell! Für Menschen mit multipler Persönlichkeit: Es gibt auch schnell wechselbare Toilettendeckel-Aufkleber. (30.07.2014)

Klodeckel

Klosettdeckel mit bunten Motiven bereichern unsere visuelle Umwelt. Quelle: http://www.woltu.com/pb/Raute61_0.jpg

 

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Schlager

Ein Schlager ist – in der Musikkritik seit 1881 – eine beim Publikum ein- oder durchschlagende Musiknummer. Heute habe ich über die Forschungen des Musikwissenschaftlers Volkmar Kramarz in der Frankfurter Rundschau gelesen: Er hat an der Universität Bonn Musikstücke analysiert, die es auf hohe Ränge in den Hitlisten gebracht haben. Drei Pop-Formeln hat er gefunden: Turnaround, Modern-Pop, Four Cord. Das Schema „Turnaround“ hat die Akkordfolge: C-Dur/a-Moll/F-Dur/G-Dur. Nach diesem Muster ist z. B. der Song „Sag mir, wo die Blumen sind“ gestrickt. Dann hat Kramarz neun Songs komponiert, die mehr oder weniger von den gefundenen Schemata abweichen. Diese hat er einer Stichprobe (n=40) von Hörern beiderlei Geschlechts und aller Altersklassen vorgespielt und dabei die Hirntätigkeit mittels Magnetresonanztomografie aufgezeichnet. Die Ergebnisse. Bei den Songs nach den gängigen Pop-Formeln wurden Bereiche im Gehirn stimuliert, die für das Wohlgefühl zuständig sind, z. B. auch beim Sex oder beim Spontankauf. Je weiter der Song vom Schema abweicht, desto weniger Wohlgefühl kommt auf. Das gilt unabhängig von Alter, Bildung oder Herkunft. Ja sogar, wenn man das Lied nicht einmal gut findet, kann es zum lästigen Ohrwurm werden. Dies erklärt nicht nur den Erfolg von Songs, sondern ist auch ein schöner Beleg für die Schematheorie der Kognitionspsychologen. (29.07.2014)

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Andrea Berg

Am Samstag habe eine halbe Stunde in das „Sommer Open Air“ der Sängerin geschaut. Es ist kaum zu glauben, wie sie Fangruppen junger Männer und junger Frauen, aber vor allem Pärchen jeden Alters mit ihrer Musik einfängt. Die Melodien sind schlagertypisch, nach einmal hören, kann man mitsingen. In den Songtexten dominieren bestimmte Wortfelder: Zuerst die Ferne und das Abenteuer: Meer, Wind, Schiff, Seemann, Pirat, Inseln. Dann exotische Orte wie Afrika, Atlantis, Kilimandscharo und natürlich die Palette des Erotischen wie Sehnsucht, Liebe, Nacht, Zärtlichkeit, Herz, Glück, Lust usw. Sie selbst verpasst sich mit den roten langen Haaren, den körperbetonten Kleidern und dem breitbeinigen Stand ein Image des Verruchten, allerdings in einer Form, die auch die Oma noch akzeptieren kann. Man braucht nicht Tiefenpsychologie zu studieren, um zu ahnen, welche Bedürfnisse hier ein Ventil finden. (28.07.2014)

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Andrea Berg in einem Konzert in Leipzig am 24.3.2012. Foto: Jean Neef, Wikimedia Commons

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Schweinerei

Auf vielen Logos von Metzgern bzw. Fleischern werben Tiere für ihren eigenen Verzehr, vor allem Schweine, aber auch Hühner, Pferde, Kühe. Sie sind betont lustig und fidel, da kommt kein Gedanke an Massentierhaltung und Schlachthof auf. Kamikaze-Schweine, die begeistert für den Menschen in den Tod gehen.

Wer sich für das Schwein in der Semiotik interessiert, der sollte den schönen Aufsatz von Dagmar Schmauks (2006) lesen: Ringelschwanz und rosa Rüssel. Stilisierungen des Schweins in Werbung und Cartoon. IMAGE 3. Sie behandelt die ambivalente Bewertung des Tiers vom Glücksschwein bis zur Drecksau. (27.07.2014)

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Aus Metzger-Logos: Lebenslustige Schweine werben für den Fleischkonsum! Auch ein Pferd freut sich auf den Schlachter.

Grillwurst

Kein armes Würstchen, sondern eine personifizierte Wurst bietet sich – sichtlich high – zum Verzehr an. Schild an einem Imbissbude in Heringsdorf. Foto: St.-P. Ballstaedt

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Edelsprache

Noch ein Beitrag zur Sprachgeschichte. Beim Ausmisten meiner Dateien bin ich jetzt auf eine kleine Studie von mir gestoßen: „Unterrichts- und Wissenschaftssprache der 20er Jahre. Formulierung und rhetorische Stilmittel“ (unter Downloads abgelegt). 2007 habe ich am Haus der Technik in Essen ein Projekt „Living History“ betreut: Zum 80. Jubiläum sollte ein Vortrag im Stil des Gründungsjahres gehalten werden. Prof. Peter Schierz (Wirtschaftswissenschaften) hat die Rede zum Thema „Chemiker, Ingenieur und Kaufmann – Hand in Hand“ inhaltlich konzipiert, ich habe ihn sprachhistorisch beraten und die Rede überarbeitet und Prof. Clemens Schwender (Medienpsychologie) hat sie in historischer Kleidung gehalten. Dazu habe ich Stilratgeber , Fachliteratur und Reden der 20er Jahre ausgewertet. Das Wort „Edelsprache“ war damals ein Synonym für Hochsprache. (26.07.2014)

Schwender

Prof. Clemens Schwender hält am 15.06.2007 im Haus der Technik in Essen einen Vortrag im Stil der 20er Jahre. Foto: Projektdokumentation

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Eierannahme

Wismar

Zur Veab-Erfassung und Eierannahmestelle. Inschrift aus DDR-Zeiten, gefunden auf einem alten Gebäude im Hafen von Wismar. Mir fehlt die Fantasie, um mir eine Bedeutung auszudenken. Foto: St.-P. Ballstaedt (25.07.2014)

Nachtrag: Nach einem Kommentar weiß ich jetzt: VEAB = Volkseigener Erfassungs- und Aufkaufbetrieb (28.08.2014)

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Vögel

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Mehrdeutiger Aufkleber der Grünen Jugend auf einem Papierkorb am alten Botanischen Garten. Foto: St.-P. Ballstaedt.

Das Wortspiel ist beliebt: Zum Beispiel in dem Slogan, mit dem der Film „Die Stewardessen“ 1971 beworben wurde: SIE ERHEBEN SICH IN DIE LÜFTE VÖGELN GLEICH.  Ein Schweizer Beitrag zum Erotikfilm, mit deutscher Mithilfe von Ingrid Steeger (ab 16). Linguistisch besonders raffiniert, da lexikalisch und syntaktisch mehrdeutig. Sogar der SPIEGEL hat den Sprachscherz in einer Headline aufgegriffen: „Stewardessen. Vögeln gleich“ aufgegriffen. (24.07.2014)

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Nachträge: Hier noch ein Buchtitel, den ich meiner Kollegin Dagmar Schmauks verdanke. (29.07.2014).  Ein Buchtitel, den ich noch entdeckt habe (28.08.2014) und ein Filmcover (09.06.2016).

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Noch ein Fund: Ein Großplakat des Landesbunds für Vogelschutz in Nürnberg. Quelle: http://nuernberg.lbv.de/mitvoegeln.html

Noch ein Fund: Der Nabu Mössingen lädt zu einer Vogelstimmenführung mit der Überschrift ein: „Mit Vögeln in den Sonntag starten.“ (02.06.2018)

Und noch ein Fund: Am 13.11.2018 läuft in SAT.1 eine Spielfilmkomödie mit dem Titel: „Gut zu Vögeln.“ In TV-Spielfilm der Flop des Tages.

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