Windeier und Weicheier

In meinem Osterkorb liegen dieses Jahr Weicheier und Windeier.

Weicheier sind wachsweich gekochte Eier und in übertragener Bedeutung Personen – in der Regel Männer –, die nicht besonders mutig sind und auch nicht zu ihrer eigenen Meinung stehen. Sie sind sehr vorsichtig und meiden gefährliche Situationen. Es handelt sich um eine Wortmetapher. Die wächserne Weichheit des gekochten Eis wird auf die Weichlichkeit einer Person übertragen.

Windeier, das sind Vogeleier, die ohne Kalkschale gelegt wird und nur von einer dünnen Haut zusammengehalten werden. Die Bezeichnung stammt aus dem Lateinischen ova subventanea). In der Medizin ist ein Windei eine Form der Fehlgeburt, wenn ein befruchtetes Ei sich nicht zu einem Embryo entwickelt. Auch hier gibt es eine übertragene Bedeutung: Ein Windei ist eine nicht ausgereiftes Projekt, oder bei den Gebrüdern Grimm ein hohles Geisteserzeugnis, ein aussichtsloser Plan oder eine lügnerische Behauptung. (12.04.2020)

Ein Windei und ein Weichei. Frohe Ostertage. Quellen: Timo Rieg, Wikimedia Commons; Reinhard Kirchner, Wikimedia Commmons

0

Kreuzweg

In Derendingen wurde diese Ostern ein Kreuzweg durch den Ort bis zur Kirche eingerichtet. Das Besondere daran: Jede der 14. Stationen wird mit einem Piktogramm dargestellt. Auf dem gelbem Hintergrund der Ortsschilder sieht man nur schwarze Linien, die das Geschehen schematisch und abstrakt darstellen. Ohne Kontext sind die Piktogramme nicht verständlich, deshalb sind die Stationen unter dem Bild benannt und mit einem kurzen Text versehen, der zum Nachdenken Anlass geben soll. Gestaltet hat die Piktogramme der Grafik-Designer Werner Ahrens, er schreibt dazu: „Die Piktogramme sollen den Menschen die Chance geben das Gewohnte anders zu sehen. Sie sollen dem Einzelnen die Chance geben, im eigenen Erleben und im eigenen Tun aktuell vor Ort zu sein. Darum auch die gelben Ortsschilder.“ – „Die Grafiken sollen die Fantasie ansprechen und jedem Einzelnen die Möglichkeit geben, einen persönlichen Kreuzweg zu gehen.“ Wie meiner Meinung nach oft, überschätzen die Künstler die Wirkung ihrer Produkte. Die Idee ist nicht schlecht, aber ästhetisch nicht der große Wurf. (11.04.2020)

Über den Ort verteilt: Die 14 Stationen des Kreuzweges mit einem Piktogramm. Wer sie sich genauer anschauen will, kann ins Bild klicken oder noch besser auf die Website pfarrbriefservice gehen. Foto: St.-P. Ballstaedt

0

Heiliger Keks

Diesen Aufkleber habe ich an einem Mast vor dem Leibniz-Kolleg in Tübingen in der Brunnenstraße 34 entdeckt. Das kann wohl kein Zufall sein. Ich habe dort viele Jahre unterrichtet und weiß, dass sich die Leibnizianer untereinander als Kekse bezeichen. Foto: St.-P. Ballstaedt (09.04.2020)

0

Vergleichsbilder

Wenn zwei ähnliche Bilder nebeneinandergestellt werden, wird fast automatisch eine Suche nach Unterschieden und Gemeinsamkeiten ausgelöst. Bei diesem Vergleich ist die visuelle Aufmerksamkeit gefordert, mit Blickbewegungen werden die Bilder abgesucht.Vergleichsbilder können Veränderungen über die Zeit (vorher – nachher), verschiedene Handlungen (richtig – falsch) und Unterschiede im Aufbau (Version 1 -Version 2) vermitteln.

Visuelle Vergleiche sind in vielen Bereichen anzutreffen. In der Werbung zur Gewichtsreduktion oder gegen abstehende Ohren (vorher – nachher), In Frauenzeitschriften werden Frisuren gegenübergestellt (alt – neu). Visuelles Vergleichen ist in der Wissenschaft ein erkenntnisgenerierendes Verfahren: In der Medizin werden tomografische Aufnahmen miteinander verglichen, um Krankheits- und Heilungsprozesse sichtbar zu machen. In der Astronomie werden Aufnahmen zu verschiedenen Zeitpunkten auf Veränderungen abgesucht. Auch didaktisch sind Vergleichsbilder nützlich, um Unterschiede zu lernen, z.B. korrekte Handgriffe in Bedienungsanleitungen (falsch – richtig).

Früher fand man in allen Illustrierten auf der Rätselseite Vergleichsbilder, die sich in einigen Details unterschieden: „Die Bilder unterscheiden sich in zehn Merkmalen. Finden Sie sie in zwei Minuten!“ Neuerdings kehren die Vergleichsbilder wieder zurück: Als Übungen für Senioren als Demenzprävention, z.B. in Apothekerzeitschriften. Es gibt auch Websites, die visuelle Aufgaben anbieten, teilweise sehr anspruchsvolle z.B. auf Suchbilder oder Raetseldino. (07.04.2020)

Vier Beispiele für Vergleichsbilder: 1. Werbung: Abnahmeerfolg durch Pillen (Werbung für Keto im Web); 2. Technische Kommunikation: richtiger Einsatz einer Faßpumpe (Bautz Betriebsableitung Diesel-Schlepper 14 PS, 1956, S.17); 3. Lehrbuch der Botanik: die verschiedenen  Blütenstände (Wikimedia Commons); 4. Tageszeitung: Rätselseite (Scan aus der Südwestpresse vom 27.3.2020).

0

Krisenvokabular

In der Wortwarte habe ich einmal nachgeschaut, welche neuen Wortbildungen die Corona-Krise hervorgebracht hat. Hier eine Liste:

Außer-Haus-Verbot, coronalastig, Homeofficierung, Isolationseinrichtung, Zuhause-Langeweile, Heimschick-Dienst, Zombiebakterien, Gemüsespende, Kitaverbot, Verangstwortung, Zustellfenster, Infektionsmonitor, Exit-Strategie, Coronavirus-Lockdown, Coronaparty. (01.04.2020)

Herdenimmunisierung, Klopapierhamstern, Nullinfektion, Pandmiebestimmung, Vollquarantäne, Coronabunker, Homeoffice-Garderobe, Streaming-Ereignis, Desinfektionstrupp, Zimmerquarantäne, Rückholticket, Ansammlungsverbot, Behelfsmaske, Flexisemester, Masken-Rohling, Rentner-Virus, Zoombombing. (13.05.2020)

Nachtrag: Im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS) findet man ein Themenglossar zu Covid-19 (29.04.2020)

3

Notruf

Hier war wohl jemand mit dem Einsatz nicht zufrieden. Gefunden auf einer Betonwand in der Brunnenstraße in Tübingen. Foto: St.-P. Ballstaedt (29.03.2020)

0

Bilderrätsel 11

Was sehen wir hier? Nicht schwer zu erraten, aber doch schön anzuschauen. Auflösung im Kommentar. Foto: St.-P. Ballstaedt (27.03.2020)

1

Aktueller Humor

Im All treffen sich zwei bewohnte Planeten: Fragt der eine: „Lange nicht gesehen, wie geht es dir? – „Sehr schlecht, ich bin mit Menschen infiziert und bekomme kaum noch Luft.“ – Antwortet der andere: „Da habe ich ein gutes Mittel dagegen, Corona, das hilft garantiert.“

(gefunden in einem Leserbrief im Schwäbischen Tagblatt vom 24.03.2020)

0

Historischer Humor 10

Immanuel Kant’s Schriften gehören nicht zur Lektüre von Humorforschern, nur in der „Der Kritik der Urteilskraft“ ([§ 54] Anmerkung) macht der Philosoph sich Gedanken über das Lachen: „Es muss in allem, was ein lebhaftes erschütterndes Lachen erregen soll, etwas Widersinniges sein.“ Und weiter: „Das Lachen ist ein Affekt aus der plötzlichen Verwandlung einer gespannten Erwartung in nichts.“ Kant war ein beliebter Gesellschafter, vielleicht erzählte er auch Witze. In seinem Text referiert er drei Witze als Beispiele, sie werden nicht erzählt, sondern sind in den theoretischen Text eingebettet. Ich bin so frei, sie unter Beibehaltung seiner Diktion herauszulösen:

Ein Indianer öffnet an der Tafel eines Engländers in Surare eine Bouteille mit Ale und sieht das Bier in Schaum verwandelt herausdringen. Er zeigt mit vielen Ausrufungen seine große Verwunderung. Auf die Frage des Engländers was denn hier so verwunderlich sei, antwortet er: „Ich wundere mich auch nicht darüber, dass es herausgeht, sondern wie ihr`s habt herein kriegen können.“

Der Erbe eines reichen Verwandten will dessen Leichenbegängnis recht feierlich veranstalten. Aber er klagt, dass es ihm nicht recht gelingen will, denn je mehr er seinen Trauerleuten Geld gebe, betrübt auszusehen, desto lustiger sehen sie aus.

Ein Kaufmann, der aus Indien mit all seinem Vermögen in Waren zurückkehrt, wird in einem schweren Sturm genötigt, alles über Bord zu werfen. Darüber grämte er sich so, dass ihm darüber in derselben Nacht die Perücke grau wird.

Das sind Kant`s Witze und man kann wohl davon ausgehen, dass sie ihm auch gefallen haben, sonst hätte er sie nicht in seinen Text aufgenommen. Eine tiefsinnige Interpretation der Witze hat Rainer Stollmann vorgelegt, in seinem Buch: „Angst ist ein gutes Mittel gegen Verstopfung“. Aus der Geschichte des Lachens. Berlin: Vorwerk 8 (2010; S.123 ff.). Für ihn richtet sich der erste Witz gegen den Empirismus und der zweite gegen den Rationalismus, beides Positionen, gegen die Kant mit dem berühmten Satz argumentiert: „Begriffe ohne Anschauung sind leer,  Anschauungen ohne Begriffe sind blind“. Im dritten Witz macht er sich über seine Transzendentalphilosophie lustig. Ja, wenn Philosophen Witze erzählen! Immerhin hat er uns drei Witze im Zeitalter der Aufklärung überliefert. (22.03.2020).

0

Lästling

Da benutzt man sein Leben lang seine Muttersprache und entdeckt noch immer unbekannte Wörter. Der Maulwurf wurde von der Deutschen Wildtier-Stiftung zum Tier des Jahres 2020 gekürt. Bei Gärtnern ist er nicht gern gesehen, dabei – so der Deutsche Schädlingsbekämpferverband  – ist er kein Schädling, sondern nur ein Lästling. Er ist im Erdreich sehr nützlich, denn er lockert die Erde auf, nur seine aufgeworfenen Hügel werden ungern gesehen.

Lästling steht sogar im Duden und ist eine Bildung mit dem Suffix -ing, die im Deutschen oft vorkommt: Liebling, Schützling, Neuling, Findling usw. Substantive, bei denen das Suffix an ein Adjektiv angehängt wird und damit eine Person mit einer bestimmten Eigenschaft charakterisiert, oft auch abwertend wie Feigling, Wüstling, Lüstling, alles Maskulina! Neuere Bildungen sind der Naivling oder der Primitivling. Ausnahmen sind der Frühling und der Schwindling, eine Pilzgattung, zu der z.B. der Knoblauchschwindling gehört. (18.03.2020)

Ein Lästling (talpa europaea) und ein Schwindling (marasmius rotula). Quelle: Wikimedia Commons

0