Seufzen

Mein Wort des Monats August ist lautmalerisch und altmodisch: „den athem mit einem diesem zeitworte gemessenen Klange in sich ziehen und wieder ausstoszen.“ Der Seufzer gilt als Zeichen unterdrückten Kummers, des Bangens und Sehnens und der Resignation. Das Verb ist eine Ableitung aus dem althochdeutschen „suffan“, das „trinken“ bzw. „schlürfen“ bedeutet und auf das auch „saufen“ zurückgeht! Mittelhochdeutsch dann „siufzen“. Das Suffix „zen“ ist ein Intensitiv, der auch in „ächzen“ oder „schluchzen“ erhalten ist. Seufzen steht zu saufen wie schluchzen zu schlucken. (03.08.2016)

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Natürlich gib es auch seufzende Smileys und Emojis. Quelle: http://media.photobucket.com/

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Auftrieb

Toilettenzugang

Mühsamer Zugang zu den Toiletten auf der Burgruine Windeck bei Weinheim an der Bergstraße. Foto: St.-P. Ballstaedt (01.08.2016)

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Pirqas al Sur

So nennt sich ein Künstlerkollektiv aus Argentinien, das großflächige Wandbilder, sogenannte Murales gestaltet. Sie greifen Anliegen sozial benachteiligter Gruppen in Buenos Aires auf, wobei die Betroffenen immer in die Gestaltung mit einbezogen werden. Auf Lateinamerikafesten haben sie auch in Deutschland etliche Wandbilder hinterlassen. (28.07.2016)

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Aufstand der Farben: Murales in Tübingen in der Schellingstraße aus dem Jahr 2012. Foto: Max Steinacher

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Medusa

Das italienische Modehaus Versace ist für extravagante Kreationen bekannt: grelle Farben, sexy und figurbetonte Schnitte, auffällige Verzierungen, vor allem immer unkonventionell. Das Logo der Marke zeigt das Haupt der Medusa.

Die Gorgonin Medusa war in der griechischen Mythologie ursprünglich eine Schönheit mit langen Haaren. Als Athene sie in einem ihrem Tempel beim Liebespiel mit dem sexuell sehr aktiven Poseidon erwischte, verwandelte sie Gorgo aus Eifersucht in ein Ungeheuer mit verzerrtem Gesicht, Schweinshauern und Schlangenhaaren, bei deren Anblick jeder Mann zu Stein erstarrte. Erst Perseus konnte sie mit etlichen Tricks enthaupten und benutze das abgeschlagene Haupt dann als Waffe gegen seine Gegner. So hielt er den Kopf dem Titanen Atlas entgegen, der zu Sein erstarrte: zum Atlasgebirge in Marokko.

Das Versace-Logo zeigt Medusa in einem Kreis aus einem Mäander-Ornament nicht in abstoßender Gestalt, sondern vor ihrem Date mit Poseidon als selbstbewusste und verführerische Frau mit langem Haupthaar, das die Schlangen nur erahnen lässt.

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Das Gorgonenhaupt mit wallendem Haar, vollen Lippen und offenen Augen. Das Mäandermuster ist in den Saumbund übernommen. Quelle: Versace.

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Street Art, Urban Art

Street Art oder Urban Art ist öffentlich und kostenlos, hat den Flair des Illegalen und Subkulturellen und zudem oft eine politische Botschaft (wenn es sich nicht um narzisstische Schmieranten handelt). Gelungene Werke sind auch an den Ort angepasst, an dem sie aufgesprüht, gemalt oder geklebt werden.

Jetzt wird diese Art von Kunst vermarktet, das Kunsthaus Arte hat „Street Art Originale“ im Angebot, Arbeiten von Keith Haring, Ben Eine, Mr. Brainwash, mittenimwald, Tomas Baumgärtel und anderen. Ab in den Warenkorb, für ein paar Tausender kann man sie sich über die Couch oder übers Bett hängen. Damit ist diese Kunstrichtung domestiziert, bald wird Street Art wohl auch ins Museum kommen. Das Kunsthaus Arte: „Die vergangenen Jahre zeigten, dass die Arbeiten der bekannten Street Art Künstler eine konstante Wertsteigerung erzielen.“ Schön für die Künstler, schlecht für die Kunst. (25.07.2016)

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VHS-Rekorder

Der erste VHS-Rekorder (Video Home System) wurde 1977 vorgestellt. 1985 stand in etwa sieben Millionen Wohnungen und damit in jedem vierten Haushalt ein Videogerät. Als meine Söhne noch klein waren, habe ich oft Kassetten mit Kinderfilmen aus der Videothek ausgeliehen. Ältere Filme waren billig, aber die Wiedergabequalität war schlecht, die Bilder waren so unscharf, dass man die Schriften im Abspann kaum lesen konnte. Das war auch kein Wunder, denn bei jedem Abspielen gab es an den Magnetbändern einen Abrieb, und damit einen kleinen Qualitätsverlust. Auch der Bandlauf war nicht immer optimal.

Seit 2000 werden die bandbasierten Videogeräte durch DVD-Rekorder als Aufnahmemedium für Privatanwender verdrängt. Jetzt hat der weltweit letzte Hersteller von Videorekordern und -kassetten, das japanische Unternehmen Funai Electric, die Produktion eingestellt. Wieder ist ein Medium am aussterben wie schon das Tonbandgerät, der Kassettenrekorder oder die Super-8-Filme. Ob die DVD und Blue-Ray das Streaming überleben werden? (24.07.2016)

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Jetzt als Exponat für das Museum für Mediengeschichte: eine VHS-Kassette. Quelle: KMJ Wikipedia

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Alternativlos

GegenAfD

Ein aktuelles politisches Stencil gegen die „Alternative für Deutschland“ an Tübinger Hauswänden. Foto: St.-P. Ballstaedt (21.07.2016)

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Gendergap

Als Gendergap wird die Lücke bezeichnet, die sich zwischen Basismorphem (Wortstamm) und dem geschlechtsbestimmenden Morphem auftut: Beamt_innen. Ein anderer Vorschlag ist das Gendersternchen: BeamtÞinnen. In der Computersprache dient der Stern als Wildcard für eine beliebige Anzahl von Zeichen. Mit diesen Binnenzeichen sollen alle Menschen einbezogen werden, die nicht in das bipolare Mann-Frau-Schema hineinpassen, z.B. Intersexuelle oder Transgender. Facebook bietet bekanntlich 60 Genderkategorien an. Die Leerstelle soll auf Menschen hinweisen, die sonst in der Sprache „gesellschaftlich und strukturell unsichtbar gemacht werden“ (Gudrun Perko).

Ich halte zunächst einmal alle künstlichen sprachlichen Veränderungen für problematisch, vor allem auch, wenn sie nur die Schriftsprache betreffen, das Gendergap als Unterstrich oder Sternchen ist nicht aussprechbar. Zudem wird hier ein gesellschaftliches Problem in die Sprache verlegt. Es sollte allen Spielarten des Menschlichen Toleranz entgegengebracht werden, das ist in Wirklichkeit schon schwer genug zu erreichen. Das Gefummele an der Sprache ist nur Nebenschauplatz, mit dem einige Theoretiker_innen Aufmerksamkeit bekommen. (20.07.2016)

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Wandästhetik 1

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Reißt man Graffiti fotografisch aus ihrem Kontext auf einer Wand, einer Mauer oder einem Verteilerkasten, dann entstehen Aufnahmen von eigenartiger Ästhetik. Fotos: links Friedrich Lehmann (mit Dank) und rechts  St.-P. Ballstaedt (15.07.2016)

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