Moulagen

Bevor es die Farbfotografie gab, waren Moulagen ein Lehrmittel im medizinischen Unterricht. Dabei handelt es sich um Abdrücke erkrankter Körperteile, die von den Patienten aus Gips oder Silikon abgenommen und dann mit Wachs oder einem Wachs-Harz-Gemisch ausgegossen wurden. Nach Aushärten wurde der Abdruck direkt beim Patienten bemalt. Moulagen wurden vor allem im Bereich der Dermatologie und Venerologie (Haut- und Geschlechtskrankheiten) eingesetzt.

Im Museum der Universität Tübingen (MUT) ist derzeit eine Ausstellung von Moulagen zu sehen: Krankheit als Kunst(form). Moulagen der Medizin. Das MUT hat in den letzten Jahren viele interessante Ausstellungen organisiert. Warum gelingt es nicht, ein Wissenschaftsmuseum auf die Beine zu stellen, das die zahlreichen Dokumente der Wissenschaftsgeschichte  unter einem Dach präsentiert? (14.07.2016)

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Wachsmoulage von Elsbeth Stoiber (um 1950): Geschwulst bei Syphilis (Gumma) im Tertiärstadium. Das ist auch Medizingeschichte, denn derartige Krankheitsbilder sind inzwischen sehr selten. Quelle: NearEMPTiness, Wikimedia Commons

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Gotteszell

Manchmal ist die Sprache einfach witzig. Gotteszell ist kein ungewöhnlicher Name für ein Kloster. Es gibt einen Ort Gotteszell im Bayrischen Wald, der auf eine Klostergründung anno 1286 unter dem Namen Cella Dei zurückgeht. – Ein ehemaliges Dominikanerinnenkloster Gotteszell liegt außerhalb der Stadtmauern der Reichsstadt Schwäbisch Gmünd, seit 1808 wird es als Zuchthaus genutzt, heute als Frauen-Strafvollzugsanstalt. Gotteszell als Name für eine Haftanstalt, das ist doch beruhigend für die Insassinnen: Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand. (EG 533). (13.07.2016)

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ADHS

ADHS

Der in Tübingen aktive Sprayer (oder eine Crew?) ADHS hat in Waldhäuser-Ost ein neues Piece hinterlassen: ein Graffiti-Writing im Blockbuster Style. Tiefere Bedeutung? Foto: St.-P. Ballstaedt (10.07.2016)

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Plurale Ökonomik

Beim Pinkeln im Kupferbau der Universität Tübingen (Hörsaalgebäude) sind mir auf den Kacheln bunte Aufkleber aufgefallen, auf denen jeweils eine Frage gestellt wird. Es handelt sich um eine Aktion des Netzwerks Plurale Ökonomik e.V., die für Pluralismus in der Volkswirtschaftslehre sensibilisieren soll. Es gibt 16 Fragen, die sich VWL-Studierende stellen können, wenn sie einseitig mit den üblichen neoliberalen und neoklassischen Ansätzen konfrontiert werden: „Der Zustand der Volkswirtschaftslehre ist sehr besorgniserregend: Der jahrzehntelange Glaube an die Naturgesetzlichkeit des Marktes als Ergebnis der einseitigen Fixierung auf die Neoklassik, der vorherrschende Modellplatonismus, mangelnde Selbstreflexion und fehlende Methoden- und Theorienvielfalt haben die VWL nicht nur als akademisches Fach in eine Sackgasse geführt: Die Einseitigkeit ökonomischen Denkens trägt auch zu den anhaltenden Krisen (Wirtschafts- und Finanzkrisen, Klima- und Umweltkrisen, Ernährungskrisen usw.) und der damit einhergehenden Perspektivlosigkeit bei.“ (09.07.2016)

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Sticker gegen die „Monokultur des Denkens“ in der Ökonomie. Quelle: Netzwerk Plurale Ökonomik

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Nein und Ja

Nach dem neuen Sexualstrafrecht ist ein strafbarer sexueller Übergriff gegeben, wenn jemand „gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt.“ Das ist auf ein Fortschritt gegenüber der bisherigen Regelung, dass nur das Abwehren von Gewalt eine klare Verneinung darstellt. Aber wie kann man den erkennbaren Willen klar kommunizieren? Ein explizites Nein ist ein klares Signal (auch wenn es sehr verschieden ausgesprochen werden kann!). Sprachliche Varianten wie „Lass das!“, „Ich will nicht“ oder „Hör auf!“ gehen auch noch als Verneinung durch. Nach der Sexualstrafrechtlerin Tatjana Hörnle reichen aber ein „Muss das sein!“ oder ein lustloser Gesichtsausdruck nicht aus. Aber nonverbalen Verneinungen wie Kopfschütteln oder Weinen werden anerkannt.

In den USA gibt es in jedem Bundesstaat ein eigenes Sexualstrafrecht. In Kalifornien gilt das noch striktere Prinzip „Yes means Yes“. Danach muss eine Person eindeutig „Ja“ sagen oder wenigstens mit dem Kopf nicken. Auf der juristisch sicheren Seite ist eine Person nur, wenn sie vor ihrer erotisch-sexuellen Handlung die Einwilligung abfragt: „Darf ich meine Hand auf deinen Oberschenkel legen?“ usw. usw. In der Beratung für Studierende wird der Vorschlag verbreitet, alle paar Minuten das Einverständnis mit dem Satz „Bist du okay?“ abzufragen.

Ein juristisch schwieriges Feld wird es bleiben, da Intimkommunikation meist keinen Zeugen hat, schon gar keinen kompetenten Semiotiker. Zudem spielt sich Sexualität ja oft in einem Bereich der Ambivalenz und Mehrdeutigkeiten ab. Die Beweislage bleibt so schwierig wie vorher, denn es steht Aussage gegen Aussage bzw. Interpretation gegen Interpretation. Falschbeschuldigungen aus Eifersucht oder Rache wird es weiterhin geben. Sicher wäre nur ein vorheriger Sexvertrag oder ein nachträgliches Beweisvideo. (07.07.2016)

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Semiotisch eindeutig: ein Piktogramm, das man als Schild immer mit sich führen und in der Ehe neben dem Bett deponieren sollte. Quelle: http://pavon.kz

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Next generation

Kreidegiraffe

Früh übt sich in Street-Art, zuerst mit Kreide an der Unterführung zum Tübinger Landestheater. Foto: St.-P. Ballstaedt (06.07.2016)

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Schutzengel

Nach einer Studie – allerdings aus dem Jahr 2005 –  glauben mehr Menschen an Schutzengel als an einen Gott. Laut Katholischem Erwachsenen-Katechismus werden Schutzengel als „personale Gestalten des Schutzes und der Fürsorge Gottes“ speziell für eine Person abgestellt. Die Verehrung von Schutzengeln war vor allem im 15. und 16. Jahrhundert verbreitet. Als künstlerisches Motiv taucht der Schutzengel in der italienischen Malerei des 15. Jahrhunderts auf (z. B. Francesco Botticini, Pietro da Cortona). Im 19. Jahrhundert werden Schutzengel ein Bestandteil der Volksfrömmigkeit, die Bildmotive werden aus der Renaissance-Malerei kopiert, aber stark sentimentalisiert: Meist sind die Engel wunderschöne, elfenhafte Wesen, die Kinder über einen reißenden Fluss führen oder über ihren Schlaf wachen. Über vielen Betten hingen billige Kunstdrucke, die man auch heute noch im Internet kaufen kann. (05.07.2016)

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Eine volkstümliche Darstellung eines Schutzengels über dem Bett vor einer alten Stempeltapete (in einem translozierten Haus im Hessenpark). Foto: St.-P. Ballstaedt

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Kratzputz

Das Bedürfnis der Menschen nach dekorativen Ornament lässt sich schon in der Steinzeit auf Tonkrügen nachweisen. Beim Kratzputz werden in den noch feuchten Putz in den Gefachen von Fachwerkhäusern Figuren eingeritzt. Es gibt viele Belege dafür, dass die Technik bereits um 1500 in Hessen angewandt wurde. 2014 beantragte die Beratungsstelle für Handwerk- und Denkmalspflege, die Putztechnik in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufzunehmen. (04.07.2016)

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Die Gestaltung von Kratzputz kann sehr einfach oder kunstvoll ausfallen. Oben ein Beispiel aus Gemünden im Taunus an einem nicht mehr bewohnten Haus ist eher schlicht. Das untere Beispiel kunstvollen Kratzputzes stammt aus dem Jahr 1799 aus dem Hessenpark auf einer aus Röhrshain translozierten Getreide- und Ölmühle. Fotos: St.-P. Ballstaedt

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Skript: Medieneinsatz in der Hochschule

Für etliche hochschuldidaktische Seminare und Workshops habe ich ein Skript verfasst, in dem es um den sinnvollen und effektiven Einsatz von Medien ging. Meine Skripte wurden immer ergänzt durch möglichst anschauliche Präsentationen und vor allem praktische Übungen. Die Skripte liefern deshalb vor allem die Hintergrundtheorie. (01.07.2016)

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Feinkost

Mein Wort des Monats Juni am am letzten Tag des Monats. Feinkostgeschäfte gibt es neben den moderneren Delikatessenläden. Das Wort „Kost“ bedeutet im Althochdeutschen ursprünglich Wert, Preis, Aufwand, das hat sich in einigen Wörtern erhalten: die Kosten, kostbar, kostspielig. Im Mittelhochdeutschen wird die Bedeutung eingeengt auf den Aufwand für die Lebensmittel. Das Wort „Kost“ im Sinne von Ernährung, Verpflegung ist seit dem 13. Jahrhundert aus dem Mittelhochdeutschen bezeugt. Das Wort hat sich in mehreren Wörtern erhalten: Hausmannskost, Rohkost, verköstigen, Kostgänger, köstlich. Das Verb „kosten“ im Sinne von „aufwenden“ leitet sich aus dem lateinischen  „constare“ ab aber das Verb „kosten“ im Sinne von „Geschmack prüfen“ aus dem lateinischen Verb „gustare“. Irgendwie haben die beiden Bedeutungen in der Sprachgeschichte zueinander gefunden. (30.06.2016)

Christel_von_der_Post

In Carl Zellers Operette „Der Vogelhändler“ trällert die Postbotin, hier Cornelia Froboess : „Ich bin die Christel von der Post, klein das Salär und schmal die Kost.“ Quelle: http://blog.sina.com

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